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„So laut schreien, wie sie wollen“

Im Parlament ist der politische Streit über das Thema Asyl in unverminderter Intensität fortgeführt worden. Bei einer Aktuellen Stunde kam es zu teils heftigen Wortwechseln.

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In der vom Team Stronach angeregten Parlamentsdebatte über den angeblichen Zusammenhang von Flüchtlingen und Arbeitslosigkeit forderte die FPÖ-Politikerin, Flüchtlinge in Bundesheer-Transportmaschinen abzuschieben. Belakowitsch-Jeneweins Begründung: „Da können sie so laut schreien, wie sie wollen.“ Damit würde „der Asylindustrie der Garaus gemacht“. Sie selbst sei Zeugin einer Abschiebung auf einem Flug nach Mailand gewesen. Der Flüchtling habe „trotz einer Beruhigungsspritze“ getobt. Der Pilot habe sich geweigert, den Mann mitfliegen zu lassen. Sie beschuldigte NGOs, den Flüchtlingen zu raten, sich gegen die Abschiebungen lautstark zu wehren.

Deutliche Worte Schönborns

Die Bischofskonferenz und allen voran Kardinal Christoph Schönborn ergriffen mit deutlichen Worten Partei für die Schutzsuchenden. Er reagierte damit vor allem auf die Aussage von Belakowitsch-Jenewein: „Solche Aussagen können nur Menschen tätigen, die so etwas nicht erlebt haben oder nicht hingeschaut haben. Ich wünsche diesen Menschen nicht, dass sie selber einmal in diese Situation kommen.“

Auf europäischer Ebene ortet er eine mangelnde Bereitschaft zur Solidarität, die angesichts einer unaufhaltbaren „Völkerwanderung“ schlicht „besorgniserregend“ sei, sagte er im APA-Gespräch. In Österreich müssten alle zusammenstehen und „mit diesem Problem menschlich zurechtkommen“.

Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ)

Die gesamte Rede im Wortlaut

Abschiebung von Afghanin sorgt für Aufsehen

Ein Einzelschicksal sorgte am Mittwoch nicht nur im Parlament für Aufsehen. NEOS-Abgeordnete beschuldigten Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und ihre Behörden, beim Fall einer Afghanin bewusst rechtswidrig zu handeln.

Die Causa Laila P. hatte in den vergangenen Tagen in Sozialen Netzwerken großes Aufsehen erregt. Die Afghanin war über Bulgarien in die „Dublin III“-Region gekommen, weshalb der Balkan-Staat eigentlich für ihr Verfahren zuständig ist. Die junge Afghanin fühlte sich in Bulgarien jedoch misshandelt und gilt laut einem Gutachten als „suizidgefährdet“. Sie schlug sich 2013 nach Österreich durch, scheiterte aber hier rechtlich, da eben Bulgarien für ihren Antrag zuständig ist.

AUA-Crew verweigerte Mitflug

NEOS wiederum meint, dass die eingeleitete Abschiebung nicht zulässig sei, weil die Frist, in der Österreich sie nach Bulgarien zurückschieben hätte können, längst abgelaufen sei. An sich gilt laut Dublin-III-Abkommen eine Sechsmonatefrist, wobei hier während der Berufungsverfahren die Frist ausgesetzt ist, wie das Innenministerium betont.

Die Abschiebung der jungen Frau ist jedenfalls einmal fürs Erste gescheitert. Der Kapitän einer AUA-Maschine weigerte sich am Vormittag nach verbalem Protest von Laila P., sie zurück nach Sofia zu fliegen. Sie wurde zunächst ins Polizeianhaltezentrum Roßauer Lände gebracht und am Nachmittag vorerst entlassen. Ihr Anwalt berichtete von Schnittverletzungen und von Angstzuständen - mehr dazu in wien.ORF.at.

Mikl-Leitner vs. Team Stronach

Mikl-Leitner kritisierte im Parlament die Fragestellung des TS: Damit werde „Arbeitslosigkeit mit dem Thema Flüchtlinge bewusst vermischt“. So würden Ängste und Vorurteile geschürt. Arbeitslose gegen Flüchtlinge auszuspielen halte sie für unseriös, das umso mehr, als sie ohnehin keine weitere Öffnung des Arbeitsmarkts befürworte. „Es gibt hier keine Bedrohung, Wirtschaftsflüchtlinge sind nicht das Problem“, so Mikl-Leitner. Das Problem sei vielmehr, dass Wirtschaftsflüchtlinge das Asylsystem blockierten.

Fokus auf „Missbrauchsbekämpfung“

TS-Klubobfrau Waltraud Dietrich hatte sich davor in ihrem Redebeitrag vor allem auf die „Missbrauchsbekämpfung“ konzentriert, speziell auf die Schlepperkriminalität. Ihr Gegenrezept lautet, die Grenzen temporär dichtzumachen und verstärkt Kontrollen durchzuführen. Zeltstädte in Österreich lehnt Dietrich ab, allerdings weil sie einfach weniger Asylwerber im Land haben will: „Bauen wir keine Zeltstädte in Österreich, sondern im Umfeld von Kriegsgebieten.“

Emotionale Diskussion im Parlament

Auf Betreiben des Teams Stronach wurde am Mittwoch im Parlament über die Themen „Flüchtlingsproblematik“ und „Arbeitslosigkeit“ diskutiert. Dabei ging es ziemlich emotional zu.

„Gemeinsam machbar und schaffbar“

Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hatten am Dienstag bekanntgegeben, eine Koordinierungsfunktion in Sachen Asyl einnehmen zu wollen, und auch zwei Gipfelgespräche mit Ländern bzw. NGOs angekündigt. Mikl-Leitner sah es als „starkes positives Signal“, dass sich nun Kanzler Faymann persönlich der Asylfrage annehme: „Dafür sage ich Danke.“ Die Herausforderung sei „gemeinsam machbar und schaffbar“.

Elf Stunden dauerte schließlich die Plenarsitzung - lautstark mit vielen Angriffen und Vorwürfen. Der Misstrauensantrag der Grünen gegen Mikl-Leitner wurde zwar nur von NEOS mitgetragen - aber auch von der SPÖ kam ein wenig Kritik. Die Ministerin zeigte sich wenig beeindruckt.

Scharfe Kritik der Grünen, sanfte der SPÖ

Scharfe Kritik musste sie sich von den Grünen anhören: Mikl-Leitner sei „hochgradig überfordert“ und habe wiederholt versucht, „den Rechtsstaat mit Füßen zu treten“, um das zu überdecken, begründete Menschenrechtssprecherin Alev Korun den Misstrauensantrag.

Die SPÖ unterstützte den Misstrauensantrag zwar „natürlich“ nicht, aber Abgeordneter Franz Kirchgatterer stellte sich auch nicht hinter Mikl-Leitner: Der gute Ruf eines Staates könnte sehr schnell verloren werden. Deshalb müsse man vorsichtig in Wortwahl und bei „angekündigten Handlungen“ sein und in Absprache gemeinsam nach guten Lösungen für die steigende Zahl der Asylwerber suchen - aber: „Zeltstädte sind keine Lösung“, sagte er in Richtung der Ministerin.

Mikl-Leitner wenig beeindruckt

Nikolaus Scherak von NEOS war der Meinung, „die Ministerin sollte zurücktreten“. Das Team Stronach zeigte sich einverstanden mit Mikl-Leitners Vorgehen: Die - von der Ministerin so genannte - „Managemententscheidung“, nur noch Rück- und Abschiebungen zu bearbeiten, sei richtig.

Mikl-Leitner zeigte sich wenig beeindruckt von den vielen Vorwürfen. Sie merkte nur an, dass es „nicht einer gewissen Ironie entbehrt, wenn die Grünen gegen mich einen Misstrauensantrag einbringen wegen der Zelte“. Diese hätten u. a. deshalb aufgestellt werden müssen, weil auch die grünen Landesrätinnen nicht mit der Schaffung von Quartieren nachgekommen seien.

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