„SPÖ wird Debatte nicht mehr los“
Noch am Dienstag haben die SPÖ-Regierungsvertreter die Diskussion über die rot-blaue Koalition im Burgenland und die Auswirkungen auf die Bundes-SPÖ für beendet erklärt. „Die Diskussion geht aber jetzt erst los“, so der Politikberater Thomas Hofer im ORF.at-Gespräch auch mit Blick auf den überraschenden Rücktritt des steirischen Landeshauptmanns Franz Voves (SPÖ).
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Die SPÖ sei tief gespalten, sagte Politologe Peter Filzmaier gegenüber ORF.at. Es laufe auf einen „Kampf SPÖ versus SPÖ“ hinaus, so Filzmaier. Das nehme mittlerweile ähnliche Dimensionen wie bei der FPÖ Mitte der 2000er Jahre an. Da habe es auch geheißen: „FPÖ gegen FPÖ“.
„Die interne SPÖ-Auseinandersetzung nützt den anderen Parteien. Die können sich entspannt zurücklehnen“, sagte der Politologe. Während etwa zahlreiche Kritiker wie die frühere Nationalratsabgeordnete Sonja Ablinger aus Protest aus der Partei austreten, wehren sich andere gegen die grundsätzliche SPÖ-Parteilinie, keine Koalition mit der FPÖ einzugehen - mehr dazu in ooe.ORF.at.
Auseinandersetzung „nicht lösbar“
Als nicht verwerflich bezeichneten hingegen oberösterreichische SPÖ-Bürgermeister die burgenländische rot-blaue Koalition. „Ein Nein zu einer rot-blauen Koalition nur um des Neins willen solle man nicht aufrechterhalten“, hieß es vonseiten der Gemeindechefs Klaus Luger in Linz, Gerald Hackl in Steyr und des Vizebürgermeisters in Wels, Hermann Wimmer, gegenüber den „Oberösterreichischen Nachrichten“ (Mittwoch-Ausgabe). SPÖ-Landesparteichef Reinhold Entholzer erteilte dieser Koalitionsvariante in Oberösterreich und auf Bundesebene dagegen eine klare Absage. Hackl sieht das anders: „Ich halte das Nein zur FPÖ auch auf Bundesebene nicht für gescheit.“

APA/gruene.at/Jan Autrieth
Proteste gegen die SPÖ-FPÖ-Koalition im Burgenland auch vor der Bundesparteizentrale in Wien
Wenig später änderte sich in einer Aussendung Entholzers am Mittwoch allerdings auch der Ton der Bürgermeister. Entholzer zeigte sich „über die Bestätigung seiner Linie durch die Aussagen der SPÖ-Stadtparteivorsitzenden von Linz, Wels und Steyr erfreut“.
Der Linzer Bürgermeister Luger hält nun eine Zusammenarbeit mit Parteien, die sich nicht klar vom Rechtsextremismus distanzieren, für „nicht möglich“. Dabei bereite ihm aber „nicht nur die FPÖ Kopfzerbrechen“. Bei Hackl klingt eine potenzielle Zusammenarbeit mit der FPÖ in der Aussendung nun so: „(...) glaube ich auch nicht, dass es mit der Strache-FPÖ eine Zusammenarbeit geben kann, (ich) bin aber auch von der Lernfähigkeit jeder politischen Gruppierung überzeugt“ - mehr dazu in ooe.ORF.at.
„Ein bisschen Koalition geht nicht“
Die rote Parteispitze habe bisher jedenfalls sehr wienlastig gedacht, so Filzmaier. In kleineren Gemeinden kenne man sich eher untereinander auch mit den FPÖ-Vertretern. Auch Arbeitnehmervertreter in Gewerkschaft und Kammern seien gespalten, so Filzmaier. Die einen wehrten sich gegen die Zusammenarbeit, die anderen fürchteten, durch die „Ausgrenzung“ ihre Unterstützer zu verlieren. Der Kampf innerhalb der SPÖ sei „nicht gewinnbar und nicht lösbar“.
Die Logik, dass eine Koalition der traditionell linken SPÖ mit der weit rechts stehenden FPÖ nicht infrage komme, sei mit den Strategen, die einen Verlust der Gestaltungsmacht fürchten, nicht zu vereinbaren, so der Politologe: „Ein bisschen Koalition mit der FPÖ geht nicht.“
„Selbstaufgabe der SPÖ in den Verhandlungen“
Diese Kluft innerhalb der SPÖ gebe es schon lange. Filzmaier: „Die Bundespartei wollte sie bisher aber nicht wahrhaben.“ Der Umgang mit der FPÖ hätte in einer wahlfreien Zeit klargestellt werden müssen. Es sei richtig, wenn SPÖ-Chef Werner Faymann nun betont, die Landesparteien seien formal eigenständig. „Aber das weiß er nicht seit gestern.“ Im Anlassfall erst solche Fragen zu klären sei schwierig.
Hofer erwartet jedenfalls, dass mit den Ereignissen in der Steiermark die Befürworter einer Koalition mit der FPÖ in der SPÖ an Kraft gewinnen: „Mit dem Abgang von Voves als Landeshauptmann konnte zwar der Mega-GAU mit Rot-Blau auch in der Steiermark verhindert werden. Für Faymann wurde es aber das zweitschlechteste Ergebnis.“ Die „Selbstaufgabe der SPÖ in den Verhandlungen“ werde nun jene stärken, die mit einer Koalition der FPÖ liebäugeln - mit dem Argument, weitere Verhandlungsoptionen neben der ÖVP offenzuhalten.
Parteiinterne Führungsdebatte im Herbst
Nach der Oberösterreich-Wahl (27. September) und der Wien-Wahl (11. Oktober) erwartet Filzmaier eine Führungsdebatte innerhalb der SPÖ: „Vorher wird niemand bereit sein, sich als Nachfolger von Faymann zu positionieren. Niemand will die Ergebnisse bei den Wahlen im Herbst verantworten.“ Spätestens dann beginne auch die Neuwahlfrage. Bis Herbst habe auch Vizekanzler ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner keinen Bewegungsspielraum. Breche er Neuwahlen vom Zaun, pfusche er dem Wahlkampf der ÖVP in Oberösterreich hinein, sagte Filzmaier.
Anders sehe es aus, wenn sich die ÖVP bei der Wahl in Oberösterreich gut halte und auch – ausgehend von einem niedrigeren Niveau – die Situation in Wien nicht so schlecht aussehe. Dann würde sich für Mitterlehner die Frage stellen, wie lange er mit der Chance auf den Kanzlersessel warten soll. Filzmaier: „Und Mitterlehner hat im Gegensatz zu seinem Vorgänger Michael Spindelegger definitiv den Anspruch, selbst Kanzler zu werden.“ Die ÖVP habe schon einmal zu lange gewartet, als die SPÖ unter Kanzler Alfred Gusenbauer geschwächt war, erinnerte Filzmaier: „Die ÖVP reagierte 2008 erst, als Faymann als starker Gegenkandidat schon platziert war.“
Koalitionäres Geplänkel
Noch-SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, der ins Burgenland wechseln wird, versucht indes offenbar weiterhin, von der schwelenden Diskussion abzulenken. Er griff am Mittwoch die ÖVP und ihre Haltung zur Steuerreform an: „Die ÖVP muss ihren Eiertanz um die Steuerreform endlich beenden und inhaltlich eine gemeinsame Linie finden.“ ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel vermisste bei der SPÖ „eine Linie“: „Die SPÖ kann sich nach wie vor nicht entscheiden, ob sie die FPÖ für koalitionsfähig hält oder nicht.“ Blümel ließ bei seinem Rundumschlag auf die „politischen Mitbewerber“ aber auch das „Chaos“ bei der FPÖ Salzburg nicht aus.
Simone Leonhartsberger, ORF.at
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