Bienen auf Stadtbesuch
Der Trend, Bienenstöcke anzumieten, ist nicht neu – neu ist er jedoch in der Stadt. Sich naturverbunden statt eines Haustiers mehrere tausend summende Bienen auf dem privaten Balkon zu halten, erfreut sich wachsender Beliebtheit. Ein Profi sieht in dem Laienhobby jedoch eine Gefahr für seine Schützlinge.
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Die Honigbiene steht seit dem Bekanntwerden des Bienensterbens und einer wiederentdeckten Naturverbundenheit bei vielen hoch im Kurs. Neben der Dokumentation „More than Honey“ von Markus Imhoof habe auch der ehemalige Landwirtschaftsminister Nikolaus Berlakovich durch manch umstrittene Aussage dem Landesverband für Bienenzucht in Wien viele Interessenten gebracht, berichtet der Präsident des Verbandes, Philipp Maier, schmunzelnd. Die Nachfrage nach Imkerkursen in der Wiener Imkerschule im Donaupark hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt.
Durch verschiedentliche Einflüsse wie die Varroamilbe und den Einsatz von Pestiziden ist die Biene als der wichtigste Bestäuber der Kulturpflanzen stark in Bedrängnis geraten. In den Städten finden sie eine größere Pflanzenvielfalt vor als im teils von Monokulturen geprägten ländlichen Raum. Bienen auf dem wohnungseigenen Balkon zu halten ist in Berlin und London längst ein hippes Hobby.
Sensibles Miteinander gefragt
Auch in Wien mehren sich die Bienenhalter. Nicht nur ausgebildete Imker erfreuen sich an Gesumm und Honig, auch der Laienanteil bei den Bienenhaltern steigt. 2014 startete die Kärntner Imkerin Maria Bodner mit ihrem Projekt „rent a bee“, das Bienenvölker für einen gewissen Zeitraum zur Miete anbietet. Angie Rattay, Gründerin des Vereins Neongreen Network und Veranstalterin der „Erdgespräche“ bot bereits im Pilotjahr rund 7.000 Bienen ein ruhiges Plätzchen auf ihrer Wiener Terrasse.

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Ein sicherer Standplatz der „Beute“, der Bienenkiste, ist wichtig
Die vom Bienenzuchtgesetz geforderten sieben Meter Abstand zum gegenüberliegenden Grundstück werden bei der begeisterten Bienenmieterin eingehalten. „Wir haben natürlich vorab beim direkten Nachbarn eine mögliche Allergie abgefragt, das war uns wichtig“, erzählt sie. Widerstände gab es kurzfristig von der Hausverwaltung, die behauptete, Bienenhaltung auf der Terrasse sei verboten, so Rattay. Die Unstimmigkeiten konnten jedoch rasch ausgeräumt werden.
Betreuungsimker als Anlaufstelle
Auch heuer hat Rattay wieder eine „Beute“, das ist die Bienenkiste, stehen. Die von „rent a bee“ zur Verfügung gestellte Imkerhaube samt Handschuhe braucht sie nicht, denn in die Beute reinzuschauen ist den Bienenmietern ohnehin untersagt. Rattay sorgt für die nötige Wasserquelle und hat ihre Bestäuber unter Beobachtung. Sie lässt die Tiere völlig in Ruhe, wenn Fragen auftauchen, wendet sie sich an ihren Betreuungsimker oder liest die ausführlichen Newsletter von Bodner, in denen alle Fragen beantwortet werden, so Rattay.

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Angie Rattay will auf ihrer Terrasse in Wien Neubau mit Pflanzenvielfalt und Bienenweide alles anlocken, was Flügel hat
Wenig erfreut zeigt sich Imker Heinz Strohmer von der Bienenwerkstatt, wenn es um die Mietbienen geht. Dem 71-Jährigen, der, wie in einer Meditation versunken, konzentriert und ruhig mit den Bienen hantiert, wird bei diesem Thema ungehalten: „Das ist im Prinzip eine Sauerei. Wenn jemand Bienen hat, dann muss er etwas davon verstehen. So einfach ist das.“ Und merkt an, dass der Kauf eines Bienenstocks in etwa gleich viel koste wie die Miete.
Die Bienen auf Wanderschaft
Viele Mietbienenhalter genießen den sommerlich-städtischen Kurzbesuch der Bienen, gerade weil er kaum Arbeit macht und trotzdem einige Kilo eigenen Honig bringt. Maier freut sich über das rege Interesse an der Imkerei, wundert sich jedoch, dass scheinbar weder für 2014 noch für das laufende Jahr die im § 12 des Bienenzuchtgesetzes vorgeschriebene „beabsichtigte Errichtung eines Wanderbienenstandes für Wien“ bei der Wiener Landwirtschaftskammer gemeldet wurden.
Das Bienenzuchtgesetz schreibt weiters bei einem Standortwechsel eines Bienenvolkes eine so genannte „Wanderkarte“ vor: „Jede Wanderung mit Bienen innerhalb Wiens und nach Wien darf erst nach Ausstellung einer Wanderkarte durch die Landwirtschaftskammer für Wien erfolgen.“
Dabei wird unter anderem überprüft, ob das Volk seuchenfrei und ob die Bienenunterart im jeweiligen Bundesland erlaubt ist. Bei einem „illegalen aufgestellten Bienenvolk“ könne bei einem Seuchenausbruch weder die als „Faulbrut“ bezeichnete Krankheit ausfindig gemacht, noch der Gefahr der Verschleppung vorgebeugt werden, so Maier. Nicht umsonst wünschen sich Strohmer und Maier nicht nur eine solide Ausbildung, sondern auch mehr Aufklärung zum Thema.

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Mitarbeiter Richard Kopriva in der Bienenwerkstatt im Augarten
Was kann der Einzelne für die Biene tun?
Ihrer Liebe zu allem, was fliegt, frönt Rattay schon lange und hat bienenfreundliche Blumen und ebensolches Gemüse angepflanzt. Von Spritzmittel hält sie nichts. Bei Blattlausbefall stellt sie die betroffenen Pflanzen einfach an die Sonne, das erledigt das Problem von selbst. Rattay: "Ich grabe meine Pflanzen im Frühjahr nicht um, wenn ich anhand der Löcher im Boden sehe, dass sich Erdhummeln angesiedelt haben. Letztes Jahr habe ich bei der Universität für Bodenkultur angefragt: ‚Wann kann ich endlich mein Beet umgraben kann, ohne das Gelege zu stören?’“, erzählt sie.
An Rattays Einstellung kann sich so mancher Hobbygärtner etwas abschauen. Denn bei Schädlingsbefall der sorgsam gehegten Pflanzen gerät bei anderen die bienenfreundliche Haltung rasch ins Hintertreffen. Imker Strohmer: „Wenn jeder in Wien bei nur einer Laus zu spritzen anfängt, dann ist das in Summe viel. Ein Insektenvertilgungsmittel, auf dem ’bienenverträglich‘ draufsteht, ist Augenauswischerei. Die Bienen werden mit einer gewissen Menge kontaminiert, und wenn sie nach 24 Stunden noch mit den Beinen zucken, haben sie überlebt.“ Es sei weder erfasst, ob die Biene, durch das Gift orientierungslos geworden, zurück in den Stock finde noch wie die Mittel in Kombination wirken würden, sagt der Imker.

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Imker Heinz Strohmer bei der Arbeit: „Bienenhaltung ist sehr arbeitsintensiv. Da kann man nicht auf Urlaub fahren, wenn es einem gerade passt.“
Keine Kontaminierung durch Abgase und CO
Das Vermieten von Bienenvölkern ist keine Neuheit, neu daran ist, dass das Wildtier Biene an Stadtmenschen abgegeben wird. Die Frage, ob der Stadthonig durch zum Beispiel Abgase kontaminiert sei, verneinen die Experten Strohmer und Maier. Einzig die Verwendung von Pestiziden, wie jene gegen die von Miniermotten befallenen weißen Kastanien, seien bei den Bienen spürbar.
Denn wer glaubt, dass nur am Land Spritzmittel im Einsatz sind, wo die riesigen Traktoren mit meterlangen Auslegern weithin sichtbar ihre Gifte versprühen, irrt, wie die beiden Imker bestätigen. Während von den Landwirten vehement verlangt wird, die Spritzmittel zu reduzieren, greifen Private gerne und ohne viel Überlegung zur Sprühflasche. Maier rät zu alternativen Methoden wie Schmierseife oder Brennesselsud.
Als Grünflächenbesitzer in Stadt und Land – und sei diese noch so klein – kann man auf eine bienenfreundliche Begrünung achten. Viele Blumen und Pflanzen sind zwar hübsch anzusehen, doch bieten manche gefüllte Sorten für Bienen keine Nahrungsquelle. Auch sogenannte Täuschblumen locken die Bestäuber zwar an, geben jedoch wie so manche Orchideenart keinen Nektar ab.
Ausbildung wird gefördert
Bienenfreunden und Neo-Imkern winken auch Förderungen, wie die Neueinsteigerförderung, die unter anderem eine Mitgliedschaft in einem Imkerverein und die Absolvierung eines Grundkurses in Bienenhaltung voraussetzt. Das vermehrte Interesse an der Biene und der Trend zum Selbermachen zeitigt wieder mehr Nachwuchs, freut sich Maier: „Während Imker mit jahrzehntelanger Erfahrung das durch Umwelteinflüsse schwieriger werdende Imkern aufgeben, kommen Junge nach. Die sind schmerzbefreiter, weil sie es nicht anders kennen.“
Beim Imkern in der Stadt geht es um eine Sensibilisierung und ein vernünftiges Miteinander – auch zwischen Profis und Laien. Nicht minder wichtig ist es, das Kleingedruckte zu lesen: beginnend beim Bienenzuchtgesetz bis hin zu den Beschreibungen auf den Honigetiketten. Wenngleich die Herkunftsbezeichnung der Honigmischungen - „aus EG- und Nicht-EG-Ländern“ - in Sachen Transparenz noch viel Luft nach oben hat.
Carola Leitner, ORF.at
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