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„Präventive Maßnahme“

Das Anti-NGO-Gesetz in Russland steht seit längerem in der internationalen Kritik. Ende Mai wurde es vom russischen Präsidenten Wladimir Putin unterzeichnet. Mit dem Gesetz gegen „unerwünschte Organisationen“ kann die Staatsanwaltschaft harte Strafen gegen störende Gruppen aus der Zivilgesellschaft verhängen.

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Ohne Vorwarnung können nun internationale Nichtregierungsorganisationen auf eine schwarze Liste gesetzt werden - auf Basis der Entscheidung des Generalstaatsanwalts in Abstimmung mit dem Außenministerium. Bürgern, die sich mit „unerwünschten Organisationen“ einlassen, drohen hohe Geldstrafen und bis zu sechs Jahre Gefängnis - unter weitgehender Umgehung des Justizsystems.

„Unverschämte Kampagnen“ verhindern

Als „unerwünscht“ gelten dem Gesetz zufolge Gruppen, die die Verfassungsordnung Russlands oder die Sicherheit gefährden und die „Grundwerte des russischen Staats bedrohen“. Die Regelung richte sich gegen jene, die Russland unfreundlich gesinnt seien, und solle „unverschämte Kampagnen“ aus dem Westen verhindern, erklärte der Abgeordnete Alexander Tarnawski.

Das Gesetz sei eine „präventive Maßnahme“. In Russland ansässige Unternehmen sollten ausschließlich Geschäfte machen und sich nicht in die Politik einmischen, sagte er der Nachrichtenagentur AFP. Niemand habe „Lust“, das Gesetz „anwenden zu müssen“. Er betonte zudem, das Gesetz sei angesichts der westlichen Sanktionen gegen Russland wegen des Ukraine-Konflikts notwendig geworden.

Vage Formulierungen

Die vom Unterhaus eingesetzte russische Ombudsfrau für Menschenrechte, Ella Pamfilowa, kritisierte das Gesetz allerdings scharf. Es sei vage formuliert und liefere keine „präzise legale Definition“ zur Verhängung von Sanktionen. Zudem stehe das Gesetz im Widerspruch zur russischen Verfassung, da die Generalstaatsanwaltschaft ohne Gerichtsbeschluss Organisationen als „unerwünscht“ erklären könne.

Schon 2012 hatte die russische Staatsduma ein umstrittenes Gesetz verabschiedet, nach dem von außerhalb Russlands finanzierte NGOs zu „ausländischen Spionen“ erklärt werden können. Nach Darstellung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sind mittlerweile fast 60 Organisationen auf diese Weise abgestempelt worden. Viele von ihnen hätten wegen des Stigmas die Arbeit eingestellt. Amnesty International kritisierte eine „immer höher steigende Welle der Repressionen“ in Russland.

Russische Aktivisten betroffen

Die USA zeigten sich „zutiefst besorgt“ über das aktuelle Gesetz. Es sei ein Beispiel für die Unterdrückung unabhängiger Stimmen durch die russische Regierung. Washington sei besorgt, dass die Arbeit der Zivilgesellschaft in Russland nun weiter eingeschränkt werde. Ziel sei es, das russische Volk „vom Rest der Welt zu isolieren“, so eine Sprecherin des US-Außenministeriums.

Menschenrechtsorganisationen werteten das Gesetz als schweren Angriff auf die Rede- und Meinungsfreiheit. HRW ist überzeugt, dass sich das Gesetz eigentlich gegen russische Aktivisten und Organisationen richte, denn mit der neuen Regelung würden diesen ihre internationalen Partner entzogen. Das Gesetz fördere „Xenophobie und Nationalismus“.

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