Lokalen Organisationen droht das Aus
Die chinesische Regierung nimmt sich im Umgang mit der Zivilgesellschaft und harten Maßnahmen gegen unliebsame Nichtregierungsorganisationen (NGOs) offenbar Russlands Präsident Wladimir Putin zum Vorbild. Dieser unterzeichnete erst Ende Mai ein vielfach kritisiertes Gesetz über „unerwünschte Organisationen“. Peking will nun ebenfalls strikter gegen ausländische NGOs vorgehen.
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Am Donnerstag endete die Konsultationsphase für das geplante, umstrittene NGO-Gesetz, das innerhalb der zweiten Jahreshälfte verabschiedet werden soll. Chinas Präsident Xi Jinping will offiziell mehr Rechtssicherheit schaffen. Das Gesetz stelle den legalen Status der Organisationen klar, so die Regierung. Schon in der Präambel des Gesetzesentwurfs steht, Ziel sei, ausländische NGOs zu schützen und „Austausch und Kooperation zu fördern“.
Selbst unter Funktionären in China wird aber nicht verschwiegen, dass das Gesetz auch der nationalen Sicherheit zugute kommen solle. Im Westen wie auch unter chinesischen Experten wird zudem befürchtet, dass sich der Handlungsspielraum von ausländischen Organisationen drastisch reduzieren würde.
Von Polizei überwacht
Künftig sollen demnach die NGOs nicht mehr vom chinesischen Innenministerium überwacht und registriert werden. Das soll die Polizei übernehmen. Diese soll auch das Recht haben, jederzeit Akten und Finanzen zu überprüfen. Der Staatsrat muss der Einrichtung einer Niederlassung in China zustimmen. Gemeinsame Projekte mit chinesischen Aktivisten und Dissidenten sollen unterbunden werden. Projekte, die die „nationale Sicherheit, die Einheit des Staates und die ethnische Einheit gefährden“, sollen nicht mehr thematisiert werden dürfen.
Sollten derartige Aktionen auch außerhalb Chinas von Peking missbilligt werden, sollen auch Sanktionen gegen die jeweilige Organisation möglich sein, berichtete die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ („FAZ“). Experten zufolge bleibt aber die exakte Definition von NGOs offen. So könnte darunter von akademischen Institutionen über Handelskammern bis zu politischen Einrichtungen alles verstanden werden. Der Großteil der ausländischen NGOs in China stammt aus den USA.
Die Strafen sollen dem Entwurf zufolge künftig nicht mehr nur Visumsentzug sondern auch Haftstrafen umfassen. NGOs, die „die Staatsmacht unterlaufen“ oder die sich „für politische Aktivitäten engagieren oder diese finanzieren“, können dem Entwurf zufolge bis zu 15 Tage verhaftet und mit einer Strafe von bis zu 300.000 Yuan (rund 43.000 Euro) belegt werden.
Kritiker „zum Schweigen bringen“
Dieses Gesetz kommt inmitten eines Feldzugs gegen die Zivilgesellschaft in China. Spätestens seit den prodemokratischen Protesten in Hongkong im vergangenen Jahr ging die Regierung schärfer gegen Aktivisten vor und beschuldigte „ausländische Kräfte“, darunter NGOs aus dem Ausland, für die Hongkong-Proteste. Aktivisten berichten von Drohungen durch die Polizei und Agenten der Staatssicherheit.
Der Soziologe Chan Kin-man von der chinesischen Universität in Hongkong ist im Interview mit der „South China Morning Post“ überzeugt, dass die geplante Gesetzgebung Revolutionen wie etwa in vielen Staaten der ehemaligen Sowjetunion und die „Infiltration ausländischer feindlicher Kräfte“ verhindern soll. Auch in einigen chinesischen Städten gab es 2011 immer wieder prodemokratische Proteste, die aber schnell wieder zum Erliegen gebracht wurden, erinnerte Jia Xijin von der Pekinger Tsinghua Universität.
Die USA und Europa sind alarmiert und drängen Peking dazu, das Gesetz zu überarbeiten. China nütze das Gesetz, „abweichende Meinungen zum Schweigen zu bringen“, kritisierte die EU in einem vertraulichen diplomatischen Dokument, das Reuters vorliegt. In einem offenen Brief reagierten Dutzende Unternehmen und Verbände in einem Brief an die chinesische Regierung, dass die Verabschiedung dieses Gesetzes der Beziehung zwischen den USA und China schaden werde, berichtete das „Wall Street Journal“.
Wie ein „Schwert über dem Kopf“
„Es ist, als ob ständig ein Schwert über dem Kopf schwebe und man weiß nicht genau, wie nahe es einem schon ist“, zitiert die „South China Morning Post“ einen Mitarbeiter einer großen internationalen NGO in China. Befürchtet wird auch, dass besonders die lokalen NGOs und Aktivisten betroffen sein würden - denn viele hängen am finanziellen Tropf von ausländischen Organisationen.
Das Gesetz sieht vor, dass sich alle Organisationen einer neuerlichen Registrierung unterziehen müssten. Das würde einen komplizierten und restriktiven Genehmigungsprozess mit sich bringen, der so viele Ressourcen und Bürokratie binde, dass viele Gruppen nicht mehr in der Lage sein würden, weiterhin tätig zu sein, befürchten Experten gegenüber der „South China Morning Post“. Durch die Abhängigkeit vieler kleinerer NGOs von internationalen Organisationen, die vor allem in thematisch sensiblen Bereichen tätig seien, würden viele nicht mehr überleben können.
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