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Die Rückerstattungsakte von 1948

Seit Kurzem läuft ein transmediales Projekt mit User-Beteiligung: Im Rahmen der „Kunstjagd“ wird kollektiv in Deutschland, Österreich und der Schweiz nach einem Gemälde gefahndet. 1938 wurde mit dem Bild offenbar über Umwege ein KZ-Häftling freigekauft. Die Suche hat bereits begonnen.

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Die preisgekrönten Journalisten der Plattform Follow the Money leiten die Fahndung, an der zahlreiche Medien, darunter der ORF, und User über whatsapp beteiligt sind. Zunächst sprach Edward Engelberg in einem Interview mit Follow the Money über die Ereignisse während der Novemberpogrome 1938. Sein Vater Jakob wurde von der Gestapo verhaftet, die Familie blieb traumatisiert zurück. Seine Mutter Paula verließ die Wohnung in München mit einem Bild des Malers Otto Stein und kam mit Visa für die Schweiz für die ganze Familie zurück. Als sie diese vorweisen konnte, wurde Jakob aus dem KZ freigelassen. Nun will sein Sohn Edward wissen, was aus dem Gemälde wurde.

700 Menschen beteiligen sich via whatsapp bereits am gemeinsamen Nachdenkprozess. Victor etwa schreibt: „Wenn eine jüdische Frau in dieser gefährlichen Lage das Haus für ein paar Stunden verlässt, hat sie wahrscheinlich nur ein bestimmtes Ziel/Person. Vielleicht sogar jemanden, der das Bild sogar kannte, oder jemanden, von dem man eine Wertschätzung erwarten konnte; also eher eine bekannte Person. Oder natürlich einen Angestellten der Schweizer Botschaft.“

„Sie musste aufpassen“

Ähnlich sieht das Beate: „Ich denk auch, dass Paula einen Bekannten gefragt hat, zu wem sie gehen kann. Sie musste ja auch aufpassen, dass sie nicht verraten wird.“ Andere User schlagen vor, das Umfeld des Seidenfabrikanten Jakob näher zu untersuchen. Es könne ja sein, dass ein Geschäftspartner als Mittelsmann fungierte. Oder dass ein Beamter der Schweizer Botschaft Kunde war. Andere wiederum meinen, der Künstler Otto Stein und sein Umfeld könnten Ansätze zur Lokalisierung des Gemäldes bieten.

Noch konnte Follow The Money im Münchner Raum keine Zeitzeugen aufspüren oder Personen, die mit den Engelbergs in Verbindung gestanden haben könnten. Die Suche danach läuft aber weiter. Und auch der Spur in die Schweiz wird weiter gefolgt, sobald der Historische Dienst der Schweizer Botschaft die Akten im Bundesarchiv in Bern für das Rechercheteam zur Einsicht öffnet.

Jeder zur Beteiligung aufgerufen

Dort will Follow the Money so viel wie möglich über die Arbeit im Konsulat und die Visumvergabe herausfinden. Klar ist, dass die Juden, die in den Novemberpogromen wie Jakob Engelbert verhaftet wurden, dazu gedrängt werden sollten, Deutschland zu verlassen und ihr Vermögen zurückzulassen. Mehr Details dazu gibt es bereits in Folge zwei der Podcast-Serie im Rahmen der „Kunstjagd“. Darin geht es auch um die Rückerstattungsakte – den Antrag hatte Paula 1948 gestellt. Allerdings erwähnt sie darin das Gemälde mit keinem Wort.

Wer selbst mitmachen oder etwa als Lehrer eine Gruppe von Schülern dazu animieren möchte, der sollte in seinem Smartphone die Nummer +49-157 53 25 78 33 unter dem Namen „Kunstjagd“ in den Kontakten abspeichern und eine Nachricht mit dem Text „Start Kunstjagd“ abschicken. So bleibt man auf dem Laufenden, wie der Stand der Recherchen aussieht, und kann sich selbst einbringen. Zusätzlich gibt es die Kunstjagdwebsite samt wöchentlichen Videobeiträgen und einem Blog, die Facebook-Seite von Follow the Money und Berichte der Projektpartner ORF, „Der Standard“, Bayerischer Rundfunk, Deutschlandradio Kultur, „Süddeutsche Zeitung“, „Rheinische Post“ und Schweizer Radio und Fernsehen.

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