Historischer Hindernisparcours
Maria Altmann ist jahrelang abgeschasselt und hingehalten worden, bevor sie von der Republik Österreich 2006 Gustav Klimts von den Nazis gestohlene „Goldene Adele“ zurückbekam. Über ihren Kampf hat nun der britisch-amerikanische Regisseur Simon Curtis einen Film gedreht.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Helen Mirren spielt Altmann, Ryan Reynolds ihren Anwalt Eric Randol Schoenberg, und Daniel Brühl gibt den österreichischen Aufdeckerjournalisten und Altmann-Unterstützer Hubertus Czernin. Regisseur Curtis stand vor der Aufgabe, ein ungemein komplexes, jahrelanges, für alle Beteiligten enervierendes Gerichtsverfahren über zwei Länder und zahllose Instanzen und Institutionen hinweg so zu erzählen, dass ein möglichst großes Publikum bei der Stange bleibt.
Ein später Sieg der Gerechtigkeit
Gibt man seine starke Verkürzung der Geschehnisse stark verkürzt wieder, kommt dabei heraus: Schoenberg, ein fescher, aber unbedarfter Anwalt mit etwas unreifem, aber sympathischem Charakter unterstützt die patente und komplizierte alte Lady, ihre „Goldene Adele“, das „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“, zurückzubekommen. Das Bild war Altmanns Familie von den Nationalsozialisten geraubt worden, bevor sie und ihr Mann 1938 in die USA flüchten konnten. Dummdreiste österreichische Beamte, gleichsam gewissenlose Idioten, legen den beiden so viele Hindernisse wie möglich in den Weg. Am Ende siegt jedoch die Gerechtigkeit, nicht zuletzt dank der Hilfe von Czernin.
Curtis lässt ganze Instanzenzüge weg und schneidet die juristische Ebene mit den Ereignissen von 1938 gegen. Juden, die politische Slogans von den Straßen putzen mussten; Juden, die gezwungen wurden, „Jud“ auf ihre Geschäfte zu schreiben; Juden, die von der Gestapo abgeholt wurden; der Abschied Maria Altmanns von ihren Eltern und ihre Flucht in letzter Sekunde; Rückblenden zum glücklichen Leben davor, etwa der Hochzeit der Altmanns.

SquareOne Entertainment
Von links: Ryan Reynolds als Eric Randol Schoenberg, Helen Mirren als Maria Altmann und Daniel Brühl als Hubertus Czernin
Czernin und das Bloch-Bauer-Testament
Anlässlich des Films hat der österreichische Filmverleih Constantin zu einem Pressegespräch in Wien geladen. Offenbar will man „Die Frau in Gold“ nicht kommentarlos der öffentlichen Debatte überlassen. Im Publikum sitzen die Journalistin und Kunstmarktexpertin Olga Kronsteiner und Thomas Trenkler, ein langjähriger Kulturjournalist mit Schwerpunkt Restitution. Kronsteiner hat für den „Standard“ einen Artikel geschrieben, in dem sie Fehler im Film moniert. Trenkler arbeitete bis vor Kurzem beim „Standard“ (er wechselte Anfang des Jahres zum „Kurier“). Hubertus Czernin war in jenem Zeitraum, den der Film behandelt, als freier Journalist ebenfalls für den „Standard“ tätig und nicht mehr, wie im Film behauptet, Herausgeber des „profil“.
Die beiden können sich bei dem Pressetermin kaum auf ihren Sesseln halten. Was sie besonders stört, ist die Filmrolle des Hubertus Czernin. Der habe nämlich in einer viel beachteten Artikelserie den Fall erst ins Rollen gebracht und das umstrittene „Testament“ von Adele Bloch-Bauer aufgetrieben. Im Film sind es Altmann selbst und ihr Anwalt, die im Archiv des Belvedere stöbern und fündig werden.
Eine Realität ohne Pomp und Trara
Czernin war also nicht nur Freund und Berater, wie im Film dargestellt, sondern die treibende Kraft bei den Recherchen, die letztendlich zur Rückgabe des Gemäldes geführt hatten. Und sein Motiv war nicht das Hadern mit der Nazi-Vergangenheit des eigenen Vaters. Der war nämlich zum Widerstand übergelaufen. Und der Sohn hatte von dessen Nazi-Vergangenheit erst nach dem Altmann-Restitutionsstreit erfahren, kurz vor seinem Tod. Czernin war 2006 an den Folgen einer chronischen Krankheit gestorben. Der Film, heißt es, würdige ihn nicht adäquat.
Als nächsten Kritikpunkt nennt Trenkler jene Szene, in der bekanntgegeben wird, dass die „Goldene Adele“ Altmann zugesprochen wird. Die Bekanntgabe fand nämlich persönlich an die Beteiligten statt - und nicht in den Prunkräumlichkeiten der Republik vor Publikum in Anwesenheit von Kulturministerin Elisabeth Gehrer, Altmann und Schoenberg. Erst in einem zweiten Schritt fand eine Pressekonferenz im Presseklub Concordia statt - ohne die Genannten.
Der doppelte Raub
Dann die Rolle des Anwalts. Verschämt wird im Film verschwiegen, was nicht ehrenrührig ist: dass er 40 Prozent des Verkaufserlöses des Gemäldes (der 135 Millionen Dollar betrug) bekommen hat. Zudem ist Schoenberg vom Typ her ein „straighter“, akribisch arbeitender Anwalt und kein gutherziger Tollpatsch mit Gespür für den richtigen Moment. Altmanns Familiengeschichte, schreibt Kronsteiner, wurde ebenfalls für das Drehbuch adaptiert.
Thomas Trenkler sagt gegenüber ORF.at: „Außerdem ist es falsch, dass das Bild vom Belvedere als ‚Die Frau in Gold‘ ausgewiesen worden war, um vom Bloch-Bauer-Erbe abzulenken. Das insinuiert: Nach der Kunst wurde der Familie auch noch die Identität geraubt. Aber erst der Film raubt der Familie mit dieser fälschlichen Behauptung die Identität. Denn der Film heißt ‚Die Frau in Gold‘ - und nicht ‚Die goldene Adele‘.“
Immer noch eins draufsetzen?
Unter jenen, die den Film bei diversen Gelegenheiten bereits gesehen haben, läuft eine Debatte: Heiligt der Zweck die Mittel? Dürfen Fakten geradegebogen werden? Ist es notwendig, mit einem Großaufgebot an Streichern aufzuwarten und die vornationalsozialistische Vergangenheit jüdischer Familien in Wien als sepiagetränkte Idylle darzustellen? Das moralische Ziel, wenn man so will, wäre: einem großen Publikum die Verfehlungen der Republik in verständlicher Sprache emotional begreifbar zu machen. Ob das nicht mit mehr Faktentreue und dafür weniger Kitsch funktionieren hätte können, sei dahingestellt. Die Realität war tragisch genug.
Die Grundaussage von „Die Frau in Gold“ scheint jedenfalls anzukommen. So sagte der Auktionator Otto Hans Ressler bei der Pressekonferenz, dass die Österreicher im Film ganz klar „die Arschlöcher“ sind, was Restitutionsfragen betrifft. Und das Wort sei eigentlich noch zu nett. Der Tenor aller anwesenden Experten lautet, dass Hollywood eben Hollywood sei und dass der Film deshalb in Ordnung gehe. Und dass Helen Mirren eine großartige Schauspielerin ist, bezweifelt ebenfalls niemand. Der Spannungsaufbau funktioniert zweifelsohne.

ORF.at/Simon Hadler
SPÖ-Kunst- und Kultursprecherin Elisabeth Hakel, Rechtsanwalt Andreas Nödl (Mitglied des „Bildnis Adele Bloch-Bauer I“-Schiedsgerichts), Auktionator Otto Hans Ressler
Nun soll wieder „geredet“ werden
Zumindest will SPÖ-Kultursprecherin Elisabeth Hakel nun über eine neue Gesetzgebung „reden“, wie sie bei der Pressekonferenz etwas schwammig ankündigt. Wiewohl man in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern zufrieden sein könne, so Hakel: „Wir haben hier sicher einer Vorreiterrolle.“ Auktionator Ressler hegt da Zweifel. Die Zahl der geraubten Bilder könne leicht die 180.000 überschreiten. Nur ein Bruchteil sei bisher restituiert worden.
Nun gelte es vor allem, mit unbegreiflicher Verspätung eine gesetzliche Regelung zu finden, die auch jene Vielzahl an Raubkunstfällen umfasst, die sich in Privatbesitz befinden und nicht in jenem der Republik Österreich. Oftmals waren es Nachbarn oder Nachmieter, die sich Kunstwerke unrechtmäßig aneigneten. Vielleicht fällt ja Hollywood wieder etwas Fantasievolles dazu ein, wenn schon die politischen Akteure ideenlos sind.
Simon Hadler, ORF.at
Link: