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Öl, Kohle und Gas auf dem Rückzug

Woher kommt in Österreich der Strom? Abgesehen von Importen aus 190 größeren Kraftwerksanlagen, wie eine erstmals erstellte Landkarte der heimischen Elektrizitätswirtschaft zeigt. Die dürfte sich in den nächsten Jahren verändern - aus unterschiedlichen Gründen.

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Derzeit zeigt die Karte deutliche Muster in der Verteilung bestimmter Kraftwerkstypen, vor allem aus topografischen Gründen: Laufkraftwerke finden sich naturgemäß an den großen Flüssen wie Salzach, Enns, Drau, Mur und Donau, Speicherkraftwerke vor allem in West-, Windkraftanlagen in Ostösterreich und thermische Kraftwerke vor allem in Salzburg, Niederösterreich und Oberösterreich.

Hochgebirgsstausee Kaprun Mooserboden

ORF.at/Roland Winkler

Mehr als zwei Drittel des Stroms (im Bild: Kaprun) kommen aus Wasserkraft

Gerade bei Letzteren ist ein deutlich rückläufiger Trend zu beobachten. Laut E-Wirtschaft wird die Leistung der Großkraftwerke heuer und in den Folgejahren wegen der Schließung von Anlagen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden, sinken.

„Engpassleistung“ sinkt

Ihre tatsächliche Leitung dürfte auf 61,3 Prozent der Spitzenlast schrumpfen, so die Einschätzung des Branchenverbandes - nicht ganz unerheblich für die Versorgungssicherheit: Die technische Universität (TU) Wien empfiehlt als Untergrenze für die Versorgungssicherheit 60 Prozent. Gerade thermische Kraftwerke seien für das Engpassmanagement wichtig.

Wärmekraftwerk Theiss

ORF.at/Christian Öser

Öl- und Gaskraftwerke (im Bild: Theiß) sind auf dem Rückzug

„Wir müssen trachten, dass wir bei der Kapazität nicht noch weiter nach unten fallen“, betonte die Generalsekretärin von Oesterreichs Energie, Barbara Schmidt, gegenüber der APA. Kalorische Kraftwerke zur Stromerzeugung mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK, Strom- und Wärmeerzeugung gleichzeitig, Anm.) würden nur noch dort gefahren, wo es vertragliche Verpflichtungen zur Fernwärmeproduktion gebe. Es müssten die Rahmenbedingungen für die bestehenden Kraftwerke verbessert und auch die Landesgrenzen für einen funktionierenden Stromaustausch geöffnet werden. Im Hinblick auf die Versorgungssicherheit könne sich Österreich nicht leisten, dass noch mehr Kapazität verloren gehe, betonte Schmidt.

Aus für kalorische Kraftwerke

Der größte heimische Stromanbieter, die börsennotierte Verbund AG, gab etwa im Vorjahr die temporäre Schließung des Gaskombikraftwerks nahe Graz (Fernwärme ausgenommen) und die Stilllegung des niederösterreichischen Kohlekraftwerks Dürnrohr bekannt. Als Grund wurden die „massiven Verwerfungen am europäischen Elektrizitätsmarkt“, insbesondere ein „sektorweiter Wirtschaftlichkeitsdruck“ genannt. Folglich fiel die Entscheidung zur „Optimierung des gesamten thermischen Kraftwerksportfolios“.

Fernheizkraftwerk Mellach

ORF.at/Christian Öser

Aus für Strom aus Gas und Kohle: Mellach liefert nur noch Fernwärme für Graz

Stichwort sich rechnen: Laut E-Wirtschaft stagnieren derzeit auch Investitionen im Bereich Wasserkraft wegen anhaltend niedriger Großhandelspreise für Strom, deren Ursache wiederum etwa die hohe Ökostromförderung in Deutschland sei.

Wasser im Westen, Wind im Osten

Weil aus wirtschaftlichen Überlegungen bereits viele Projekte auf die lange Bank geschoben wurden, macht die neue Kraftwerkskarte auch die schon absehbaren tiefen Einschnitte in die heimische Stromerzeugung sichtbar. Die meisten Großkraftwerke befinden sich im Industrieland Oberösterreich. Über die meisten Speicher verfügen dagegen - aufgrund ihrer Topografie - Vorarlberg, Tirol, Salzburg und Kärnten. Die Windkraft konzentriert sich im Nordburgenland und im südöstlichen Niederösterreich.

WIndpark im Burgenland

ORF.at/Roland Winkler

Windpark im Nordburgenland

Der meiste Strom aus Wasserkraft

Herzstück der Inlandserzeugung sind in der Wasserkraft 93 Anlagen (mit über zehn MW Leistung) mit einer gesamten installierten Leistung in Laufkraftwerken von 4.488 (MW). Außerdem verfügt Österreich über 67 Speicherkraftwerke (über zehn MW) mit 7.693 MW Engpassleistung, die von Mitgliedern des Branchenverbandes betrieben werden. Thermische Anlagen weisen ebenfalls rund 7.700 MW Leistung auf, bei Windkraftanlagen sind es 1.069 MW. In Summe betrug 2013 die Engpassleistung aller heimischen Großkraftwerke 20.950 MW.

Im thermischen Bereich ergibt sich eine Stilllegung von 1.800 MW Leistung, rechnet man das schon stillstehende steirische Ölkraftwerk Werndorf, den Verbund-Block in Dürnrohr und die avisierte Stilllegung von Riedersbach (Energie AG OÖ) und die Mellach-Einmottung (Steiermark) zusammen.

Zurückhaltung bei neuen Großprojekten

Baureife Projekte wurden in den letzten Jahren mehrfach aufgeschoben. Der Großteil der Kraftwerksvorhaben, die für 2015 und 2016 in Angriff genommen werden sollten, wurde vorerst oder vorläufig zur Gänze zurückgestellt. 2015 wird die Erzeugung aus Wasserkraft wie schon im Vorjahr praktisch stagnieren, im thermischen Bereich wird ohnedies schon länger kein einziges Projekt mehr vorangetrieben.

Donaukraftwerk Aschach

ORF.at/Roland Winkler

Die Investitionen (im Bild: Donaukraftwerk Aschach) stagnieren derzeit

Im Herbst 2014 hatten die Energieversorger der Branche Wasserkraftprojekte mit 4.507 MW Gesamtleistung in Bau, Genehmigung oder Planung. Der aktualisierte Stand wird zurzeit in der Branche erhoben, Resultate des Investitionstests könnte es im Herbst geben, sagte Schmidt.

E-Wirtschaft und Gewässerschutz

Einschränkungen befürchtet die E-Wirtschaft durch die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Deren Ziel ist es, bis 2027 den „guten ökologischen und chemischen Zustand oder das gute ökologische Potenzial“ der Gewässer zu erhalten bzw. zu erreichen. Für Laufkraftwerke könnte die Umsetzung der Richtlinie einen Verlust von 1.800 Gigawattstunden (GWh) pro Jahr bedeuten, fünf Prozent der heimischen Wasserkrafterzeugung, befürchtet die Branche.

Bei Speicheranlagen könnte es durch aktuelle Vorschläge zum Verlust von über 1.000 MW Spitzenleistung bzw. mehr als 2.000 GWh zu Spitzenbedarfszeiten kommen. „In Summe könnte somit die Stromerzeugung aus Wasserkraft bis zu zehn Prozent sinken“, warnt der Branchenverband.

Proteste gegen neue Kraftwerke

Beim Kraftwerkprojekt Schwarze Sulm in der Südsteiermark handelte die Richtlinie der Republik eine Klage der EU-Kommission ein, es wird befürchtet, das Kraftwerk könne die Wasserqualität des Mur-Nebenflusses deutlich verschlechtern. Außerdem macht eine Bürgerplattform gegen das Projekt mobil.

Im Tiroler Innervillgraten wird seit Jahren über ein neues Wasserkraftprojekt gestritten, Naturschützer orten Gesetzesverstöße. Aber nicht nur Flusskraftwerke stoßen auf Widerstand. In Klagenfurt wird über ein Biomassekraftwerk gestritten. Befürworter findet dagegen die Erneuerbare Energie. Anteile an einem weiteren „Bürgersolarkraftwerk“ in Wien waren letzte Woche binnen kürzester Zeit verkauft, nun will die Bundeshauptstadt das Modell auch auf Windkraftanlagen ausdehnen - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.

„Sauberer“ und „grauer“ Strom

Stichwort Strommix: Laut Stromkennzeichnungsbericht (nach einer EU-Richtlinie von 2009 verpflichtend) stammten in Österreich im Jahr 2013 78,6 Prozent aus erneuerbaren Energieträgern (vor allem Wasserkraft), der Anteil fossiler Energieträger sank von 17,9 auf 14,4 Prozent.

Biomasseheizkraftwerk Oberwart

ORF.at/Michael Baldauf

Biomassekraftwerke (im Bild: Oberwart) sind - noch - ein Randthema

Der Anteil des „Graustroms“ - unbekannter Herkunft - sank von 7,2 auf 6,8 Prozent. Im „Graustrom“ steckt auch Atomstrom - nach Hochrechnung (ENTSO-E-Mix) der Regulierungsbehörde E-Control - rund 37,5 Prozent, damit lag rein rechnerisch der Atomstromanteil in Österreich bei 2,55 Prozent. „Graustrom“ wird allerdings nicht an Privathaushalte geliefert - sofern tatsächlich richtig deklariert, was Umweltschutzorganisationen mitunter bezweifelten.

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