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Energiestrategie setzt primär auf AKWs

Tschechien betreibt bisher zwei Atomkraftwerke mit insgesamt zehn Reaktorblöcken an den Standorten Dukovany und Temelin. Mit dem Beschluss einer neuen Energiestrategie sollen vier weitere Reaktoren dazukommen.

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Ministerpräsident Bohuslav Sobotka bestätigte entsprechende Pläne laut seinem Büro letztes Wochenende am Rande eines Besuchs im südmährischen AKW Dukovany. Dort solle der erste der vier neuen Reaktorblöcke gebaut werden. Die Ausschreibung dafür könnte schon im kommenden Jahr erfolgen.

AKW Temelin

APA/dpa/Armin Weigel

Temelin - etwa 60 Kilometer von der Grenze entfernt - soll zwei neue Blöcke bekommen

Gleichzeitig werde „mit den Vorbereitungen für den ersten neuen Block im AKW Temelin begonnen“, wurde der Ministerpräsident zitiert. Für die anderen Reaktoren nannte er keinen Zeitpunkt. Temelin liegt rund 60 Kilometer von der österreichischen Staatsgrenze entfernt, Dukovany rund 120 Kilometer nördlich von Wien.

Zuerst als „nicht wirtschaftlich“ gestoppt

Tschechiens Finanzminister Andrej Babis hatte zuletzt 2016 als „spätesten“ Zeitpunkt für eine Ausschreibung für den Ausbau genannt. „Wir müssen einen neuen Block in Dukovany bauen, und dann in Temelin“, sagte Babis dem tschechischen Rundfunk. Auch der Betreiber der AKWs, der teilstaatliche Energiekonzern CEZ, rechnete mit einer Neuausschreibung 2016.

AKW Dukovany

Reuters/David W Cerny

Der Ausbau soll am knapp 30 Jahre alten Standort Dukovany beginnen

„Wir arbeiten sehr intensiv an Atomprojekten, auch wenn eine Ausschreibung bereits aufgehoben wurde (2014, Anm.). Man kann eine neue Ausschreibung im nächsten Jahr erwarten“, sagte CEZ-Sprecher Ladislav Kriz der Zeitung „Pravo“. Die CEZ hatte vor einem Jahr ein Ausschreibungsverfahren zum Ausbau von Temelin mit der Begründung „nicht wirtschaftlich“ gestoppt, nachdem sich die Regierung geweigert hatte, Garantien für Mindeststrompreise abzugeben.

Erst Atomstrom, dann erneuerbare Energie

Die Mitte-links-Regierung in Prag hatte erst vor wenigen Tagen eine neue Energiestrategie beschlossen. Laut dieser soll der Anteil von Nuklearenergie am gesamten Energiemix von derzeit etwa einem Drittel auf über 50 Prozent angehoben werden. Bei der Ankündigung der neuen Ausbaupläne am Samstag sprach Sobotka von einer „Schlüsselentscheidung“ für die Zukunft des tschechischen Energiesektors.

Laut dem neuen Energiekonzept soll Kernkraft zumindest für die nächsten 35 Jahre in Tschechien forciert werden, an zweiter Stelle folgt erneuerbare Energie. Der Anteil fossiler Energieträger soll deutlich sinken, obwohl Tschechien über eigene große Kohlelagerstätten verfügt.

Problemfall Temelin

Besonders Temelin gilt für Umweltschutzorganisationen und Anti-Atom-Initiativen als Problemfall, obwohl Dukovany (Inbetriebnahme ab 1985) das ältere der beiden AKWs ist. Temelin hat mit seinen zwei Reaktoren eine Kapazität von 1.050 Megawatt, Dukovany verfügt über vier Reaktorblöcke mit je 510 Megawatt Leistung. Temelin ging erst 2002 in kommerziellen Betrieb, dennoch gab es dort mehr Störfälle.

Tschechische Umweltschützer kritisieren die neue Energiestrategie als komplett verfehlt. „Verbraucher und Steuerzahler werden vor die undankbare Aufgabe gestellt, die nuklearen Träume der Regierung zu bezahlen“, sagte Edvard Sequens von der Umweltbewegung Calla. Der Rest Europas gehe längst andere Wege und fördere Energieeinsparungen.

Grüne protestieren

Die Grünen protestierten am Sonntag per Aussendung gegen die tschechischen Pläne. Es sei „inakzeptabel für die österreichische und für die tschechische Bevölkerung, das Sicherheitsrisiko weiter zu vergrößern“, so die Klubobfrau und Bundessprecherin der Grünen, Eva Glawischnig. „Das ist unvereinbar mit den Energiezielen der Europäischen Union und außerdem auch nur durch massive staatliche Subventionen finanzierbar.“

Glawischnig forderte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der Aussendung auf, die österreichischen Bedenken gegen die Ausbaupläne „unverzüglich bei der tschechischen Regierung zu deponieren“ und auch rechtliche Schritte anzukündigen, sollte es hier ein ähnliches Finanzierungsmodell wie beim britischen Atomkraftwerk Hinkley Point geben. Gegen das will die Republik klagen.

„Schrottreaktor“ Dukovany

Die Umweltschutzorganisation Greenpeace nannte die grenznahen AKWs 2013 anhand einer Studie „brandgefährlich“, besonders gelte das für Temelin, da das AKW in einer erdbebengefährdeten Zone stehe. Global 2000 verwies auf technische Mängel beim knapp 30 Jahre alten „Schrottreaktor“ Dukovany und warnt davor, dass bei einem Reaktorunfall eine radioaktive Wolke binnen kürzester Zeit Österreich erreichen würde.

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