„Erklärung der Versöhnung“
Die südmährische Metropole Brno (Brünn) bedauert die Vertreibung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg. Das steht in einer „Erklärung der Versöhnung und der Zukunft“, die die Stadtvertretung von Brno vor Kurzem gebilligt hat.
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„Die Stadt Brno bedauert aufrichtig die Ereignisse vom 30. Mai 1945 und den folgenden Tagen, wo Tausende Menschen zum Abgang aus der Stadt aufgrund des Prinzips der Kollektivschuld oder ihrer Sprache gezwungen wurden“, heißt es laut der Nachrichtenagentur CTK in dem Dokument in Anspielung auf den „Brünner Todesmarsch“ von rund 20.000 Deutschen, bei dem etwa ein Zehntel der Menschen starben.
„Wir bringen den Wunsch zum Ausdruck, dass jedes ehemalige Unrecht verziehen werden kann und dass wir uns nicht mit der Vergangenheit belasten“, sagte dazu der Oberbürgermeister Petr Vokral von der Protestbewegung ANO des Finanzministers Andrej Babis.
„Menschliche Tragödien“
Laut Vokral ist man sich bewusst, zu welchen menschlichen Tragödien und gesellschaftlichen Verlusten es damals gekommen sei. Die Erklärung bringe eine Hoffnung zum Ausdruck, dass es aufgrund der Kenntnisse der historischen Ereignisse nicht mehr möglich sein werde, dass sich derartige Sachen in Brno wiederholten. „Es handelt sich um eine Hoffnung, dass wir uns die Ereignisse vom Mai 1945 im Gedächtnis behalten als ein unseliges Memento“, meinte Vokral. Alle sollten das „alte Unrecht vergessen und sich gemeinsam der Zukunft zuwenden“, fügte der Oberbürgermeister hinzu.
„Zuerst sollten sich die Deutschen entschuldigen“
Der südmährische Kreishauptmann Michal Hasek (CSSD) kritisierte die Stadtvertretung von Brno wegen dieser Erklärung. Politiker sollten nicht die Geschichte bewerten und interpretieren, sagte der Sozialdemokrat laut Medienberichten. „Wer hat sich beispielsweise für die Vertreibung der Tschechen im Herbst 1938 in Südmähren entschuldigt? Für die Tausenden im Kounic-Studentenheim hingerichteten Widerstandskämpfer, für die ermordeten Juden und Roma aus Brno? Darauf sollten die Autoren dieser medialen Show antworten“, so Hasek.
Das einstige Studentenheim Kounic in Brno war im Zweiten Weltkrieg ein Internierungs- und Straflager der Gestapo. Der stellvertretende südmährische Kreishauptmann Stanislav Juranek fügte hinzu, „zuerst sollten sich die Deutschen für das Unrecht entschuldigen, erst dann Brno“.
„Ungerecht“, aber „unausweichlich“
Die Stadtvertretung von Brno hatte die „Erklärung der Versöhnung und der Zukunft“ mit den Stimmen von 34 Vertretern der 55-köpfigen Vertretung angenommen. Die Kommunisten (KSCM) stimmten dagegen, die Sozialdemokraten nahmen an der Abstimmung nicht teil. Die ANO, die Grünen, die KDU-CSL und die liberal-konservative TOP 09 von Karel Schwarzenberg votierten dafür.
Einer aktuellen Umfrage von NMS Market Research zufolge betrachtet die Mehrheit der Tschechen die Vertreibung der Sudetendeutschen als „unausweichlich“ (70 Prozent) und „gerecht“ (61 Prozent). 82 Prozent der Befragten lehnen die Rückgabe des Eigentums an die Vertriebenen ab. Zugleich verurteilen aber 78 Prozent der Befragten die Gewalt an Sudetendeutschen als „ungerecht“.
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