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„Moralisches Problem“

Eine Million Tonnen Lebensmittel werden in Österreich jedes Jahr weggeworfen. Nur wenig mehr als ein Prozent davon, rund 11.000 Tonnen, landen in Sozialmärkten, bei Tafeln oder vergleichbaren Institutionen. Das geht aus einer am Montag in Linz präsentierten Studie hervor, die das Thema der Lebensmittelverschwendung in Österreich umfassend mit Zahlen belegt.

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30 Prozent der weltweiten Nahrungsmittelproduktion werden nicht gegessen. EU-weit landen jährlich 89 Millionen Tonnen im Abfall, in Österreich eine Million. 300.000 Tonnen davon werden von Haushalten weggeschmissen, 250.000 von der Gastronomie, 100.000 vom Lebensmittelhandel, der Rest bereits in der Landwirtschaft und der Produktion, rechnete Studienautor Christian Pladerer vor. Diesen Zahlen stehen immerhin 1,2 Millionen Österreicher gegenüber, die in Einkommensarmut leben.

Umfassende Erhebung:

Die Studie führte das Österreichische Ökologie-Institut im Auftrag des Umweltministeriums, mehrerer Länder und der Arbeiterkammer Wien durch.

„System funktioniert grundsätzlich“

Die 102 Abgabestellen der Sozialmärkte und anderer karitativer Einrichtungen sowie die 80 Team-Österreich-Tafeln in Rot-Kreuz-Dienststellen haben zuletzt bundesweit rund 11.000 Tonnen übernommen, etwa 10.000 Tonnen davon landeten tatsächlich auf dem Teller von Konsumenten. Mehr als die Hälfte der Nahrungsmittelspenden kommt aus dem Handel, der Rest von Bäckereien, dem Großhandel, Produzenten und Märkten, fallweise auch aus Privathaushalten.

„Das System funktioniert grundsätzlich“, meinte Oberösterreichs Umweltlandesrat Rudi Anschober (Grüne) bei der Präsentation der Studie, „die Verwendungsrate von 96 Prozent ist sensationell“. In wesentlichen Bereichen zeigt die Studie jedoch Verbesserungspotenzial auf. Verwiesen wird etwa auf das altbekannte Problem der Unterbrechung der Kühlkette oder anderer Probleme bei der Konservierung. Änderungen an diesen Rahmenbedingungen gehen naturgemäß ins Geld. Es gibt aber auch verhältnismäßig leicht zu lösende Probleme.

Schnellere Weitergabe würde viel helfen

Die Studie empfiehlt etwa, die Lebensmittel rascher weiterzugeben und bei Etikettenmängeln die Ware nicht zurück an den Produzenten, sondern gleich an die Abgabestelle zu schicken oder Großküchen mehr ins Auge zu fassen. Jene, die in der Praxis mit dem Thema zu tun haben, wünschen sich Verbesserungen in der Logistik und Vernetzung: Der Obmann des Vereins SOMA Linz, Gerhard Lassnig, hätte lieber einige große Sozialmärkte als Drehscheibe, die dann kleinere beliefern.

Mobile Abgabestellen haben oft nur einmal in der Woche geöffnet, was einerseits für die Kunden ein Problem ist, andererseits für den Handel, der abzugebende Waren nicht mehr lange lagern will. Franz Hölzl, Leiter der Nachhaltigkeit bei der Supermarktkette Spar, würde es gerne sehen, wenn die Lebensmittel täglich abgeholt werden - „wegen der Haltbarkeit“. In Österreich sind alle großen Ketten in das System eingebunden.

Anschober will Studie mit Kollegen diskutieren

„Der Lebensmittelhandel macht das schon aus betriebswirtschaftlichen Gründen“, erklärte Hölzl. Aber es gebe auch die ethische Komponente: „Unsere Mitarbeiter sind froh, wenn sie das weitergeben können. Die haben moralische Probleme, Lebensmittel in die Mülltonne zu werfen.“ Anschober will die Ergebnisse der Studie kommende Woche bei der Landes-Umweltreferentenkonferenz sowie auch mit dem Sozialressort des Landes diskutieren.

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