Themenüberblick

Luftig-leichte Schwerstarbeit

Musikikone Riley „Blues Boy“ (B. B.) King ist tot. Der stilprägende Gitarrist und Sänger verlor am Donnerstagabend (Ortszeit) den Kampf gegen jahrelange schwere Leiden, wie sein Anwalt mitteilte. Er starb im 90. Lebensjahr in seinem Haus in Las Vegas, wo er seit Anfang Mai nach einem Herzinfarkt und Komplikationen nach jahrzehntelanger Diabeteserkrankung palliativ betreut wurde.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Kings Management und seine Familie hatten kein Geheimnis daraus gemacht, dass er todkrank war. In seinem Namen war die Botschaft übermittelt worden, dass er „für die Gebete und guten Wünsche“ seiner Fans und Bewunderer danke. Kings langjährige Heimatstadt Memphis feierte ihn Mitte Mai noch mit einem „Fest der Zuneigung für den King of Blues“, bei dem des Musikers mit der Hoffnung auf Genesung gedacht werden sollte. Zugleich hatte schon zu seinen Lebzeiten ein unwürdiger Streit um das Erbe des Musikers begonnen.

Liste prominenter Bewunderer als Prozessbeweis

Noch während King im Sterben lag, fand in Las Vegas eine Gerichtsverhandlung statt, bei der drei der insgesamt elf noch lebenden Kinder von King dessen Managerin Laverne Toney entmachten wollten. Der Vorwurf der Kinder lautete, Toney lasse King absichtlich falsche medizinische Behandlung angedeihen, um ihn de facto auszuschalten und vor seinem Tod so viel Geld wie möglich auf die Seite zu schaffen. Das Gericht sah die Vorwürfe jedoch als vorerst nicht erwiesen an.

B.B. King, 2002

AP/Richard Drew

King und seine Gitarre „Lucille“

In dem Prozess wurde nicht nur angeprangert, dass die Managerin Kings Familie von ihm fernhalte - auch Bewunderer würden nicht durchgelassen, so der Vorwurf. Und es ging nicht um irgendwelche Bewunderer: Vor Gericht namhaft gemacht wurden die Musiker Willie Nelson, Buddy Guy, Carlos Santana und Eric Clapton, die ihren Freund und ihr Vorbild zuletzt noch einmal sehen wollten. Die Liste der Bewunderer ließe sich jedoch lange fortsetzen: B. B. King prägte die gesamte Welt der „U-Musik“ nachhaltig.

Von den Rolling Stones bis György Ligeti

Es ist bezeichnend, dass etwa (der nicht unbedingt für übertriebene Bescheidenheit bekannte) Clapton einmal sagte: „Alles, was ich je getan habe, war der Versuch, B. B. King zu kopieren.“ Das war schon seit Jahrzehnten so. Die Rolling Stones etwa zeigten 1969 ihre Ehrerbietung für die Inspiration durch King, indem sie ihn als Support-Act für ihre US-Tour engagierten und so ihrem Publikum zeigen wollten, wo Gott eigentlich wohnt. 1989 wiederholte sich das mit U2.

King war damit zumindest einer der wenigen afroamerikanischen Musiker, denen zu Lebzeiten die gebührende Würdigung wiederfuhr: 15 Grammys, Einträge in den „Halls of Fame“ mehrerer Musikgenres, Würdigungen durch US-Präsidenten und die „Presidential Medal of Freedom“ als höchste zivile US-Auszeichnung obendrein - und auch den Polar Prize als „Nobelpreis der Musik“. Dass er ihn 2004 gleichberechtigt mit Komponist György Ligeti bekam, zeigt seinen Rang auch abseits eingeschworener Blues-Hörerschaften.

Ein Sound wie kein anderer

Kings Gesang und sein Gitarrenspiel wären Grund genug für Ehrerbietung gewesen. Generationen sind daran gescheitert, dem Sound seiner Gibson ES-355 nahezukommen - allein deshalb, weil der Klang bei ihm aus einer mörderisch hohen Saitenlage resultierte und es außer ihm nur sehr wenige schafften, derartige Kraftarbeit so luftig-leicht klingen zu lassen. Viel mehr als das unmittelbar Hörbare beeindruckte Kollegen aber die Geisteshaltung und musikalische Intelligenz, die aus Riley King „B. B. King“ gemacht hatten.

B.B. King, 1978

AP

King bei einem seiner vielen Gratiskonzerte für Gefängnisinsassen, hier 1978

King blieb sein Leben lang im Hinblick auf seine Kunst kompromisslos und begriff sich zu Recht als „Blues-Gralshüter“: Er hatte das Gitarrenspiel von Robert Lockwood jr. gelernt und der wiederum von Robert Johnson selbst, dem Urvater des modernen Blues. Wo andere Musiker aber Kompromisslosigkeit mit Borniertheit verwechseln, war der Sohn von Baumwollpflückern ein Leben lang hellhörig und selbstreflektiert und zimmerte sich seinen unverwechselbaren Blues mit Elementen des Jazz und Soul zurecht.

Unbeirrbar ausgestreckte Hand

Unnachgiebig, aber nie stur war auch sein Charakter: Er bezog schon strikt gegen Rassismus und Diskriminierung Stellung, als er noch weit weg von seinem späteren Ikonenstatus war und deshalb keine Konsequenzen mehr fürchten musste. Zugleich war nie ein Hauch Verbitterung in seinen Worten: Niemand sei in Wahrheit ein Rassist oder böse, so Kings Überzeugung - Menschen würden nur dazu gemacht, weil sie in Wahrheit guten Glaubens seien und deshalb auch Scheinargumenten auf den Leim gingen.

Kings Haltung spürte auch sein Publikum. Er spielte seine Musik genau so, wie er das nach dem Abwägen von Für und Wider am Ende für richtig hielt - aber jede Note davon mit „ausgestreckter Hand“ gegenüber jeder einzelnen Zuhörerin und jedem einzelnen Zuhörer. Seine legendäre Tourneefrequenz - in seinem besten Jahr brachte er es auf 342 Auftritte - war auch darin begründet, dass er unbändige Freude daran vermittelte, seinem Publikum Freude machen zu können.

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: