Für „faire und balancierte Beteiligung“
Die über das Mittelmeer nach Europa kommenden Flüchtlinge sollen nach dem Willen der EU-Kommission auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Dafür schlage die EU-Behörde einen Quotenschlüssel vor, berichtete die deutsche „Welt am Sonntag“ vorab. Am Mittwoch soll der Plan offiziell vorgestellt werden. Eine solche Quotenregelung hatte etwa Österreich gefordert.
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Die Kriterien für die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge sollen sich am Bruttoinlandsprodukt, der Bevölkerungszahl, der Arbeitslosenrate und der bisherigen Zahl der Asylsuchenden orientieren. Ziel sei laut EU-Kommission eine „faire und balancierte Beteiligung aller Mitgliedsstaaten“. Bisher ist laut der Dublin-Verordnung für einen Asylwerber in der EU stets das Mitgliedsland zuständig, das er zuerst betreten hat. Nach den Vorstellungen der EU-Kommission soll es künftig das Land sein, dem der Flüchtling nach einer bestimmten Quote zugewiesen wird.
Faymann: „Quote Frage der Fairness“
Die jüngsten Flüchtlingsdramen im Mittelmeer mit Hunderten Toten haben das Thema Flüchtlingshilfe und Asyl in der EU wieder akut gemacht. Auf einem Sondergipfel wurde eine Verdreifachung der Mittel für die Seenotrettung beschlossen. Vor allem Italien ist von der Zahl ankommender Flüchtlinge betroffen und fordert Solidarität der EU-Partner. Auf einer Sondersitzung des Nationalrats vergangene Woche sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ): „Die Quote ist eine Frage der Fairness.“ Um die Quote anhand bestimmter Faktoren werde man nicht umhinkommen.
Eine Quotenregelung ist in der EU allerdings umstritten. Zu den Befürwortern gehört auch Deutschland. Dessen Innenminister Thomas de Maiziere räumte nach einem deutschen „Flüchtlingsgipfel“ zuletzt ein, es werde aber „ein ganz hartes Stück“ sein, alle EU-Partner zu einer solchen Regelung zu bewegen. Kanzlerin Angela Merkel meinte, es gebe Länder wie Deutschland, Italien, Griechenland, Frankreich, Malta und Schweden, die an einer Quotenregelung Interesse hätten. „Wir werden an einer solidarischen Lösung in Europa nicht vorbeikommen“, sagte Merkel.
Slowakei und Großbritannien dagegen
Andere setzten dagegen auf eine freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen. Die Slowakei etwa lehnt verbindliche Flüchtlingsquoten dezidiert ab. Die Regierung hält nach Aussagen eines Sprechers des Innenministeriums Flüchtlinge für ein „Sicherheits- und Wirtschaftsrisiko“. Die sozialdemokratische Alleinregierung plane derzeit nicht, die strengen Asylverfahren in der Slowakei zu lockern.
Auch Großbritanniens Regierung hält nichts davon, Flüchtlinge nach festen Quoten auf die EU-Länder zu verteilen. „Wir halten ein verpflichtendes System für die Umsiedlung nicht für die richtige Antwort“, sagte ein Sprecher des Innenministeriums am Montag in London. „Wir werden jegliche Vorschläge der EU-Kommission, nicht freiwillige Quoten einzuführen, ablehnen.“ Stattdessen müsse man sich darauf konzentrieren, Schleuserbanden zu bekämpfen, sagte der Sprecher.
EU-Parlament will bindende Quoten
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte jüngst: „Wir müssen die Aufteilung der Flüchtlinge auf ganz Europa bewerkstelligen. Das muss geschehen. Wir können es nicht nur den direkt betroffenen EU-Staaten überlassen, die Flüchtlinge neu anzusiedeln.“ Das Europaparlament forderte im Streit über die EU-Flüchtlingspolitik ebenfalls bindende Quoten zur Verteilung von Asylwerbern unter den EU-Staaten.
Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban dagegen hält nichts von europaweiter Solidarität im Umgang mit der Flüchtlingskrise im Mittelmeer. Es sei eine „verrückte, ungerechte Idee“, wenn „jemand die Flüchtlinge in sein eigenes Land lässt und sie dann unter den anderen Mitgliedsländern verteilt“, sagte Orban dem Radiosender Kossuth. Aus dem slowakischen Innenministerium hieß es: „Wir lehnen verbindliche Flüchtlingsquoten ab.“
Österreich würde weniger Flüchtlinge aufnehmen
Nach bisherigen Berechnungen des Innenministeriums in Wien würde eine EU-Flüchtlingsquote dazu führen, dass Österreich, Schweden, Malta, Luxemburg und Belgien deutlich weniger Asylwerber aufnehmen müssten. Dagegen hätten Portugal, Tschechien, Rumänien, Estland, die Slowakei, Spanien und Lettland den größten „Nachholbedarf“ bei der Flüchtlingsaufnahme.
Apropos Lettland: Das baltische Land ist gegen eine Verteilung von Flüchtlingen nach festen Quoten auf die EU-Länder. Die Regierungskoalition befürworte Solidarität bei der Lösung des Migrationsproblems, unterstütze aber keine Flüchtlingsquoten, sagte Ministerpräsidentin Laimdota Straujuma am Montag nach einer Sitzung der drei Bündnisparteien der Mitte-rechts-Regierung in Riga. Solidarität könne durch andere Maßnahmen wie etwa eine intensivere Grenzüberwachung und die Bereitstellung medizinischer Hilfe zum Ausdruck gebracht werden.
Die Schweiz hingehen erklärte sich zur Beteiligung an einem Quotensystem für die Aufteilung von Flüchtlingen in Europa bereit. „Es ist höchste Zeit für einen solidarischen Verteilungsschlüssel in Europa, daran wird sich die Schweiz beteiligen“, sagte die Schweizer Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga vergangene Woche nach einem Gespräch mit ihrem österreichischen Kollegen Heinz Fischer in Wien.
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