Neuer Vorschlag für Schiedsgerichte
Die Verhandlungen zwischen den USA und der EU über das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) ziehen sich. Innerhalb der EU sind vor allem die vorgesehenen Schlichtungsstellen für Streitigkeiten zwischen Investoren und Staaten umstritten. Geht es nach EU-Außenhandelskommissarin Cecilia Malmström, dann sollen EU und USA aber im Herbst wieder an den Verhandlungstisch zurückkehren.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Wenn es im Sommer einen guten europäischen Vorschlag gebe, könnten die Verhandlungen über das Thema mit den USA „im Herbst wieder eröffnet werden“, sagte Malmström am Donnerstag zum Auftakt des Treffens der EU-Außenhandelsminister in Brüssel. Dort präsentierte sie ihren nachgebesserten Vorschlag zu den Schiedsstellen, nachdem die Verhandlungen darüber wegen massiver Proteste in Europa vorerst auf Eis gelegt worden waren.
Gerichte für Streitfälle
Die privaten Schiedsgerichte zählen zu den größten Streitpunkten in den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen. Die TTIP-Gegner befürchten, dass Konzerne über die Schiedsstellen Schadenersatz für unliebsame Gesetze verlangen und letztlich Umwelt- und Verbraucherstandards aushebeln können. Laut ihrem Anfang Mai veröffentlichten Konzeptpapier plant Malmström nun, die Schiedsstellen stärker in Richtung traditioneller Gerichte zu entwickeln.
So sieht Malmströms Konzept auch einen Berufungsmechanismus vor, zudem soll vorab eine Vorauswahl der privaten Schlichter getroffen werden, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Außerdem soll es schärfere Kriterien für die Qualifikation der Schiedsleute geben. Gleichzeitig regt Malmström als mittelfristiges Ziel den Aufbau eines internationalen Investitionsgerichtshofs an. Eine solche Institution hatte zuletzt der deutsche Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vorgeschlagen.
Konkretisierung gefordert
So manchen EU-Politikern ist das Konzept der EU-Kommissarin allerdings noch nicht präzise genug. „Die bisherigen Vorschläge, die auf dem Tisch liegen, sind (...) noch nicht einigungsfähig“, sagte der deutsche Staatssekretär Matthias Machnig am Donnerstag in Brüssel. Positiv sei allerdings, dass es Bewegung gebe. Machnig und sein französischer Amtskollege Matthias Fekl forderten am Rande des Ministertreffens in Brüssels klare Auswahlkriterien für Schiedsrichter. Es soll nicht mehr möglich sein, dass Juristen in einem Fall als Anwälte eines Unternehmens arbeiten und in einem anderen als Richter.
Positiver gab sich Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP). Bereits bei seiner Ankunft in Brüssel hatte er Malmströms Vorschläge als „ganz klare Verbesserung“, bezeichnet. Es sei jedoch „geäußert worden, dass noch weiterer Diskussions- und Entwicklungsbedarf besteht“, bemerkte der Wirtschaftsminister dann nach dem Treffen am Donnerstag. Allerdings sei die Kommission nicht „unter Druck gekommen“. „Sondern es waren konstruktive Schritte im Bemühen, das Thema möglichst bald positiv zu erledigen“, so der Vizekanzler.
Schwierige und lange Verhandlungen
Seit Juli 2013 verhandelt die EU mit den USA über eine Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft, so die volle Bezeichnung von TTIP. Mit rund 800 Millionen Verbrauchern würde so der weltgrößte Wirtschaftsraum entstehen. Durch den Wegfall von Zöllen und nicht tarifären Handelshemmnissen - etwa technischen Standards und Zulassungsvorschriften - soll TTIP mehr Wachstum und neue Jobs schaffen. Doch auf beiden Seiten gibt es - auch abseits der Schiedsgerichte - Ressentiments.
So haben die USA den gesamten Rüstungsbereich vorerst aus den Gesprächen ausgeklammert. Den Europäern bleibt damit der Zugang zum weltgrößten Waffenmarkt mit wenigen Ausnahmen verschlossen, während die USA Kampfflugzeuge und Raketen nach Europa verkaufen. Bisher liefern die USA fünfmal so viele Waffen nach Europa wie umgekehrt.
„Buy American“ schützt US-Markt
Auf der anderen Seite wollen die USA Zugang zur öffentlichen (oft kommunalen) Wasser-, Energie- und Verkehrswirtschaft in Europa. Umgekehrt wollen die Europäer auch bei Ausschreibungen einzelner US-Staaten öfter mitbieten können. Allerdings können sich die US-Behörden beim „patriotischen Einkauf“ auf das „Buy American“-Gesetz (Präferenz für US-Waren) berufen - und auf das „Berry Amendment“, das mit dem Argument der nationalen Sicherheit auch den Kauf ziviler Produkte im Ausland verbieten kann.
Ein Problem für die TTIP-Verhandlungen: Washington sind in einigen Kernfragen die Hände gebunden. So können die US-Staaten selbst entscheiden, ob sie Zusagen der USA für öffentliche Käufe im Rahmen von Freihandelsabkommen übernehmen. Und die Bereitschaft dazu sinkt seit Jahren. In den USA gibt es auch Befürchtungen, ein freier Zugang der Europäer zu Infrastrukturprojekten gefährde die US-Bauwirtschaft.
Sorge um Abbau von Sicherheitstests
In Europa befürchten hingegen Verbraucherschützer einen Wettlauf zum Abbau der Anforderungen an Sicherheitstests und Lebensmittel. Brüssel versichert dagegen, die EU-Schutznormen würden bei den TTIP-Verhandlungen nicht angetastet. Bisher verbotene Gentechnikprodukte sollen also nicht allein deshalb legal werden, weil sie aus den USA kommen und die Hersteller sich auf das Freihandelsabkommen berufen.
Links: