Wahlkampf als Bremsschuh
Das Transatlantische Freihandelsabkommen (TTIP) hat in Europa keinen leichten Stand. Eine Vielzahl von Interessengruppen und sogar manch führender Politiker stellten sich bereits offen gegen das Abkommen. Deutlich weniger Widerstand droht den Freihandelsplänen hingegen in den USA. Eine weitere - deutliche - Verzögerung des Abkommens könnte dennoch auf die Kappe Washingtons gehen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Im Gegensatz zu den Europäern haben die US-Amerikaner kaum Bedenken gegen das Abkommen, an dem EU und USA bereits seit fast zwei Jahren verhandeln. „Die Zustimmung ist hier jedenfalls höher als in Europa, das belegen Umfragen“, so ORF-Korrespondentin Hannelore Veit gegenüber ORF.at. TTIP ist in den USA auch gewissermaßen Chefsache. US-Präsident Barack Obama und sein Außenminister John Kerry machen keinen Hehl daraus, dass sie in dem Abkommen eine einmalige Chance sehen.
Doch es ist gerade dieser Enthusiasmus, der auf den US-Präsidenten zurückfallen könnte. Denn parallel zu TTIP schmiedet Obamas Regierung noch an einem weiteren Abkommen. Die Transpazifische Partnerschaft (TTP) soll zwischen den USA und elf weiteren pazifischen Anrainerstaaten einen möglichst freien Handelsraum eröffnen. Neben weniger Handelsschranken soll das Abkommen darüber hinaus übergreifende Standards für Umweltschutz und Arbeitsrecht festschreiben.
Widerstand aus den eigenen Reihen
Laut Veit lässt der US-Präsident keine Gelegenheit aus, darauf hinzuweisen, wie wichtig ihm die beiden Abkommen seien. „Es war gerade ein großes Thema beim Besuch des japanischen Premiers in den USA und ist immer ein Thema, wenn europäische Politiker nach Washington kommen. Obama ist es ein persönliches Anliegen", so die ORF-Korrespondentin. Doch so sehr der US-Präsident hinter dem Abkommen steht, so sehr ist er für einen erfolgreichen Abschluss auf die Zustimmung des Kongresses angewiesen.
Dort halten seit den Wahlen im Herbst vergangenen Jahres die Republikaner in beiden Kammern die Mehrheit und machen dem US-Präsidenten das Leben schwer. Doch der größte Widerstand tritt dem Präsidenten diesmal aus den eigenen Reihen entgegen. Neben der republikanischen äußersten Rechten schießen vor allem demokratische Abgeordnete und Gewerkschafter, gegen Obamas Pläne. Die TPP-Gegner befürchteten, dass Jobs in Billiglohnländer in Asien ausgelagert werden, so Veit.
Kongress mit Sonderrechten
Für Obama kommt erschwerend hinzu, dass der Kongress bei solchen internationalen Verträgen ganz besondere Rechte hat. Die Abgeordneten könnten theoretisch jede einzelne Vorschrift eines Abkommens extra prüfen und letzten Endes auch verwerfen. In der Realität ist ein solches Vorgehen allerdings nicht haltbar. Könnte ein Vertragspartner aus einem Abkommen einfach Punkte wieder herausstreichen, würde das die vorangegangenen Verhandlungen ad absurdum führen. Deshalb verzichtet der Kongress bei Verhandlungen über bilaterale und multilaterale Abkommen regelmäßig auf sein Recht.
60 Tage Zeit für Einsicht
Die Abgeordneten erteilen dem Präsidenten in diesem Fall die Trade Promotion Authority (TPA) - besser bekannt als „Fast Track“ (Überholspur): Der Präsident darf eigenständig verhandeln und der Kongress im Anschluss nur noch über das gesamte Abkommen entscheiden. Einzelne Punkte dürfen die Abgeordneten nicht mehr verändern. Und sie verzichten ebenso auf die Möglichkeit des Filibusters, also die Taktik, eine Beschlussfassung durch Dauerreden zu verhindern.
Im April brachten Abgeordnete beider Parteien nun einen Gesetzesentwurf ein, der sowohl bei TPP als auch TTIP eine entsprechende Vollmacht für Obama vorsieht. Für den US-Präsidenten und sein Verhandlungsteam ist das per se eine gute Nachricht. Doch die Abgeordneten knüpften ihre Zustimmung an weitere Bedingungen: Nach den Verhandlungen muss der Text der Handelsabkommen 60 Tage lang öffentlich einsehbar sein. Erst dann darf der Präsident seine Unterschrift darunter setzen.
Kein Abschluss in diesem Jahr
Eine zweimonatige Frist mag in Anbetracht der langen Verhandlungszeiten vernachlässigbar scheinen. Sie lässt den Abschluss der beiden Abkommen allerdings erneut ein Stück näher an den US-Wahlkampf rücken. Das gilt für TTIP noch mehr als für TPP. Bei dem EU-USA-Abkommen sind noch weit mehr Punkte offen, als bei seinem pazifischen Pendant. An einen Abschluss bis Ende des Jahres, wie er lange Zeit genannt wurde, glauben mittlerweile nur noch die wenigsten.
Auch US-Korrespondentin Veit hält Ende kommenden Jahres für realistischer. Zu diesem Zeitpunkt wird in den USA der Wahlkampf allerdings bereits in vollem Gange sein. Die Verhandlungen würden dann sicher an Schwung verlieren, so Veit. Laut einem Bericht der „New York Times“ („NYT“) könnte es sogar bedeuten, dass die Abkommen überhaupt erst nach der Wahl zu einem Abschluss kommen. Dann würde sich neben der Verzögerung freilich noch eine weitere Frage auftun: ob Obamas Nachfolger oder Nachfolgerin den Freihandelsenthusiasmus des aktuellen US-Präsidenten teilt.
Links: