Noch kein Kontakt in entlegene Dörfer
Zerstörte Weltkulturdenkmäler, tiefe Risse in den Straßen, in sich zusammengestürzte Gebäude, Straßen und Plätze voller Menschen: Ein Video, das von einer Drohne beim Flug über der nepalesischen Hauptstadt Kathmandu aufgenommen wurde, zeigt eine Stadt im Ausnahmezustand. Mehr als 3.900 Menschen wurden bei dem Erdbeben am Samstag getötet, viele weitere Opfer werden unter den Trümmern befürchtet.
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Da es noch keine Kontakte zu einigen der am schlimmsten betroffenen Gebiete gebe, könnte die Zahl der Toten auf 5.000 steigen, hieß es im nepalesischen Innenministerium. Andere Befürchtungen gehen von noch weit mehr Todesopfern aus. Viele der Todesopfer wurden aus Angst vor Seuchen sofort verbrannt. Mehr als 7.000 Menschen wurden verletzt. Auch in den Nachbarbarländern Indien, Tibet und am Mount Everest wurden Dutzende Tote beklagt.
Schwierige Hilfe
Die nationale und internationale Hilfe lief indessen nur schleppend an. Die Arbeit für die Hilfskräfte gestaltet sich als äußerst schwierig, da Nachbeben das Gebiet erschüttern und die Infrastruktur in weiten Teilen des Landes kaputt ist. Noch immer sind viele Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Das Erdbeben der Stärke 7,8 zerstörte die meisten größeren Straßen. Die BBC berichtet, dass fast die gesamte Armee und das Polizeiaufgebot des Landes an den Bergungsarbeiten beteiligt sind.
Laut nepalesischen Behörden fehlt es an Zelten, Decken, Matratzen und Medikamenten. Auch das Personal sei viel zu knapp. Man brauche mehr Ärzte, sagte ein Minister gegenüber der BBC.
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Zerstörte Stadt aus der Vogelperspektive
Die Hauptstadt wurde von dem Beben schwer getroffen. Die Katastrophe war die schlimmste seit einem Beben im Jahr 1934, das damals 8.500 Menschenleben gefordert hatte.
In dem am Montag aufgetauchten Drohnenvideo sind Straßen mit tiefen Kluften zu sehen. Menschen haben sich aus Angst vor Nachbeben auf Plätzen versammelt. Zahlreiche Parks und öffentliche Plätze in Kathmandu glichen Zeltstädten - Hunderttausende schlafen im Freien. Viele Kulturstätten wurden zerstört - die Kamera zeigt bei ihrem Überflug auch Swayambhunath, einen Tempelkomplex im Westen der Stadt, der von dem Beben zum Teil verwüstet wurde.
UNESCO will Weltkulturerbe wieder aufbauen
Laut UNESCO hat es in der Hauptstadt den Durbar-Platz am schlimmsten getroffen. In dem Weltkulturerbe seien „die meisten Tempel vollständig zerstört“. Schwer zerstört seien außerhalb der Hauptstadt auch der Bhaktapur Durbar Square und auch der Patan Durbar Square, so der UNESCO-Repräsentant in Kathmandu, Christian Manhart. Dort seien etwa die Hälfte der Tempel eingestürzt. In den Palästen auf den drei Plätzen wohnten einst Königsfamilien.
Manhart kündigte an, dass die Welterbestätten wiedererrichtet werden sollten. „Wir sind relativ zuversichtlich, dass sich viele Anlagen wiederaufbauen lassen.“ Man habe „unzählige Fotos der Anlagen und für alles detaillierte Pläne und Messungen“. Das werde jedoch Jahrzehnte dauern.

Reuters/Danish Siddiqu
Tausende warten auf dem völlig überfüllten Flughafen auf eine Ausreisemöglichkeit
„Es gibt Menschen, die keine Unterkunft und keine Lebensmittel haben. Ich habe Berichte aus Dörfern erhalten, wonach dort 70 Prozent der Häuser zerstört wurden“, sagte der oberste Regierungsbeamte im Distrikt Gorkha, Udav Prashad Timalsina. Das Zentrum des Bebens lag in der Nähe dieses Bezirks. Fast das gesamte Militär des Landes sei mittlerweile für Hilfseinsätze mobilgemacht. „Wir konzentrieren uns darauf, Leben zu retten.“
Flucht aus Kathmandu
In der Hauptstadt Kathmandu setzte zu Wochenbeginn eine Fluchtwelle ein. Tausende drängten sich auf dem Flughafen, die Ausfahrtsstraßen aus der Hauptstadt seien blockiert. Grund für die Panik seien andauernde Nachbeben und die Angst vor einem drohenden Versorgungsnotstand.

APA/EPA/Hemanta Shrestha
Übervolle Busse auf dem Weg aus der Hauptstadt
Zahlreiche Menschen hätten berichtet, dass sie seit der Katastrophe am Samstag unter freiem Himmel übernachtet hätten, hieß es. Laut „Himalayan Times“ gab es Montagfrüh erneut zwei Nachbeben der Stärke 4,4 und 4,5 auf der Richterskala. Verletzte würden auf der Straße behandelt, da einige Krankenhäuser der Stadt mit rund einer Million Einwohnern zerstört worden seien. Chirurgen mussten in Zelten operieren.
Die Behörden kämpften mit einem drohenden Engpass an Trinkwasser und Lebensmitteln und dem drohenden Ausbruch von Krankheiten, hieß es. „Wir werden mit Rettungs- und Hilfsanfragen aus dem gesamten Land überschwemmt“, sagte Deepak Panda vom nationalen nepalesischen Katastrophenschutz. Der Wiederaufbau könnte Nepal bis zu fünf Mrd. Dollar (rund 4,6 Mrd. Euro) oder rund ein Fünftel seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) kosten, hieß es am Montag in ersten Schätzungen zur materiellen Schadensbilanz.

AP/Altaf Qadri
Verletzte werden im Freien versorgt - Krankenhäuser sind zerstört oder überfüllt
Hilfe aus dem Ausland angelaufen
Zahlreiche Staaten und Organisationen entsandten Helfer nach Nepal. Die Europäische Kommission versprach drei Millionen Euro Soforthilfe. Das Geld solle zusätzlich zu den Hilfen der einzelnen Mitgliedsstaaten und zur Entsendung von Zivilschutzexperten in die Erdbebenregion fließen, sagte der EU-Kommissar für humanitäre Hilfe, Christos Stylianides. Am dringendsten würden medizinische Helferteams und Nothilfelieferungen benötigt. Die USA sagten zehn Mio. Dollar zu.

APA/ORF.at
Notstand ausgerufen
Nepal rief den Notstand in den betroffenen Gebieten aus, in denen 6,6 Millionen Menschen leben. Schulen und Universitäten bleiben für eine Woche geschlossen. Die Stromversorgung könnte lange ausfallen, da das Erdbeben die Wasserkraftwerke beschädigte, von denen Nepal fast all seinen Strom bezieht.
Im Außenministerium in Wien meldeten sich unterdessen laufend besorgte Angehörige von Österreichern, die in der Region unterwegs sind. Insgesamt hielten sich mindestens 88 Österreicher am Wochenende in der Region auf. Zu einem Großteil gab es Kontakt, die Betroffenen waren alle unverletzt. Rund 20 Personen wurden allerdings noch nicht erreicht. Das sei jedoch nicht verwunderlich, da die meisten kontaktierten Österreicher, die in bergigen Regionen des Landes unterwegs waren, von dem Erdbeben eher wenig mitbekommen haben dürften, betonte Ministeriumssprecher Martin Weiss.
Gefährliche Nahtstelle
Nepal und die ganze Himalaya-Region sind ein stark durch Erdstöße gefährdetes Gebiet. Beben entstehen, wenn sich Gesteinsschollen im tieferen Bereich der Erdkruste ruckartig verschieben. Experten sprechen von „Subduktion“. Weltweit treiben bis zu 20 größere Platten auf zähflüssigem Material des Erdmantels. An ihren Grenzen entstehen starke Spannungen, die sich schlagartig in Beben entladen können. Dabei wird hohe Energie mit möglicherweise verheerenden Folgen frei. In der Himalaya-Region drückt die Indische Platte von Süden gegen Afghanistan und Tibet auf der Eurasischen Platte. An der Nahtstelle von Pakistan über Nepal bis Burma bebt häufig die Erde.
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