Angeklagter zeigt sich einsichtig
Mit einem persönlichen Schuldeingeständnis des Angeklagten hat am Dienstag im deutschen Lüneburg der Prozess gegen den mutmaßlichen NS-Täter Oskar Gröning wegen seiner früheren Tätigkeit als SS-Buchhalter im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau begonnen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Durch seine Arbeit dort habe er sich „moralisch mitschuldig gemacht“ an der Ermordung von Millionen Menschen, sagte der 93-Jährige in einer langen persönlichen Erklärung. „Diese moralische Schuld bekenne ich auch hier, mit Reue und Demut vor den Opfern.“
„Richter soll über Schuld entscheiden“
Juristisch schuldig bekannte sich der Angeklagte nicht. „Über die Frage der strafrechtlichen Schuld müssen Sie entscheiden“, sagte er an die Richter gewandt. Gröning muss sich wegen Beihilfe zum Mord an mindestens 300.000 Menschen verantworten, weil er während der „Ungarn-Aktion“ im Frühsommer 1944 Dienst in Auschwitz-Birkenau hatte. Damals waren binnen weniger Wochen weit mehr als 400.000 Juden aus Ungarn in das Todeslager verschleppt und die meisten von ihnen sofort getötet worden.
Geld der Opfer sortiert
Die Staatsanwaltschaft wirft Gröning vor, als Buchhalter in der Lagerverwaltung das den Opfern abgenommene Bargeld sortiert und später nach Berlin weitergeleitet zu haben, obwohl er wusste, dass Auschwitz-Birkenau der massenhaften Ermordung von Menschen während des Holocaust diente. Außerdem soll er bei mehreren Gelegenheiten das von den Opfern auf der berüchtigten „Rampe“ zurückgelassene Gepäck bewacht haben. Gröning räumte diese Tätigkeit ein. Er schilderte auch grausame Vorgänge, die sich vor seinen Augen abspielten.
Durch seine Tätigkeit habe Gröning das fortlaufende Tatgeschehen unterstützt und einen „zumindest untergeordneten Beitrag“ dazu geleistet, sagte Staatsanwalt Jens Lehmann bei der Verlesung der Anklage. Der „reibungslose Ablauf“ der Menschenvernichtung sei nur möglich gewesen durch die „zuverlässige Arbeit“ der Bediensteten in den Vernichtungslagern. Das hätten die Organisatoren des Holocaust gewusst und sich daher darauf verlassen.
Verfahren 1985 eingestellt
Weil er eine Banklehre absolviert hatte, wurde er 1942 in dem Konzentrationslager dafür eingeteilt, zurückgelassenes Geld und Wertgegenstände der neu angekommenen Häftlinge zu zählen und an die SS in Berlin weiterzuleiten. Im September 1944 wechselte er auf eigenen Wunsch in eine Einheit, die an der Front kämpfte.
Nach dem Krieg kam Gröning zunächst in britische Gefangenschaft, dann lebte er mit Frau und Kindern ein bürgerliches Leben in der Lüneburger Heide. Erst Mitte der 80er Jahre öffnete er sich. In einer Dokumentation der britischen BBC berichtete er über das, was er in Auschwitz sah und tat. Er selbst beschrieb sich dabei als „Rädchen im Getriebe“. Gegen den heute 93-Jährigen wurde bereits 1977 ermittelt. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt stellte das Verfahren im März 1985 aber mangels Beweisen ein. Sollte Gröning nun verurteilt und für haftfähig erklärt werden, erwartet ihn eine Strafe von mindestens drei Jahren.
Links: