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10.000 Ankünfte in fünf Tagen

Italien ist mit einem humanitären Notstand ohnegleichen konfrontiert. Die Regierung sucht nach Lösungen, um die Tausenden Migranten unterzubringen, die täglich an Italiens Küsten eintreffen. Allein in fünf Tagen kamen 10.000 Flüchtlinge an. Dabei muss sie sich mit dem zunehmenden Unmut von Regionen und Gemeinden in Nord- und Süditalien auseinandersetzen, die keine Flüchtlinge mehr aufnehmen wollen.

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Innenminister Angelino Alfano arbeitet an einem Plan, um die Flüchtlinge auf mehrere Regionen Italiens zu verteilen, da die Auffanglager auf Sizilien längst heillos überfüllt sind. Jede italienische Region müsse einen Beitrag im Umgang mit dem Flüchtlingsnotstand leisten, denn man könne Sizilien nicht allein die Last der Migrantenproblematik aufhalsen, lautete der Slogan Alfanos. Doch die Lokalverwaltungen, die Bürgerproteste befürchten, wollen keine Flüchtlinge mehr aufnehmen.

„Nicht mehr bereit, Invasion länger auszuhalten“

„Wir sind nicht mehr bereit, diese Invasion länger auszuhalten. Solange die Regierung keine konkreten Schritte gegen die Flüchtlingswelle übernimmt, nehmen wir keine Migranten mehr auf“, warnte der Präsident der Lombardei, Roberto Maroni, Spitzenpolitiker der Lega Nord. Die rechtspopulistische Oppositionspartei ist zum Sprachrohr einer heterogenen Front von Bürgermeistern und Regionspräsidenten aufgerückt, die sich gegen die Aufnahme weiterer Flüchtlinge stemmen.

„Italiens Wirtschaft steht vor dem Kollaps, die Arbeitslosigkeit ist auf ein Rekordhoch geklettert, und der Innenminister will die Gemeinden zwingen, weitere Tausende Migranten zu versorgen“, protestierte der Vizepräsident und Lega-Spitzenpolitiker Roberto Calderoli.

Die Oppositionspartei Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi macht Druck auf die EU für konkrete Unterstützung der Flüchtlinge. „Italien ist nicht mehr in der Lage, diese Migranten aufzunehmen. Die EU muss uns helfen. Aus Brüssel kommen jedoch nur leere Solidaritätserklärungen“, kommentierte die Forza-Italia-Parlamentarierin Deborah Bergamini.

„Weder finanzielle noch logistische Mittel“

Bürgermeister von anderen politischen Lagern teilen diese Sorgen. Das Oberhaupt der apulischen Stadt Taranto, Ezio Stefano, urgierte ein Treffen mit dem Innenminister. 2014 habe die Hafenstadt zirka 13.000 Flüchtlinge aufgenommen. Stefano befürchtet weitere Massenankünfte in den nächsten Wochen.

Ähnlich sieht die Lage der Bürgermeister von Reggio Calabria, Giuseppe Falcomata. Die kalabrische Stadt hat 2014 17.000 Menschen untergebracht, in diesem Jahr befürchtet man eine doppelt so hohe Zahl. „Wir haben weder die finanziellen noch die logistischen Mittel, um eine neue Flüchtlingswelle zu meistern. Allein in den letzten zwei Tagen sind 1.550 Menschen eingetroffen“, betonte Falcomata.

Kardinal: „Nicht wegschauen“

Kardinal Francesco Montenegro, zu dessen sizilianischer Erzdiözese Agrigento die Flüchtlingsinsel Lampedusa zählt, appellierte an die Italiener, sich vor dem Flüchtlingsnotstand nicht zu verschließen. Ganze Bevölkerungen setzten sich derzeit in Bewegung, man könne nicht wegschauen. Er drängte zu Notfallhilfe für Asylsuchende, zur Einrichtung humanitärer Kanäle, mit denen Bürokratie und Haftzentren reduziert werden könnten, und zum Schutz vor allein reisenden Kinderflüchtlingen. Wichtig sei auch die Zusammenführung von Familien.

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