Bruderkrieg im Hause Volkswagen
Der VW-Konzern rutscht ins Chaos ab: Aufsichtsratschef Ferdinand Piech dürfte sich mit seiner überraschenden Abkehr von VW-Chef Martin Winterkorn, die am Freitag die Branche erschütterte, verspekuliert haben. Bisher galt Piechs Wort bei VW als Gesetz, diesmal könnte Winterkorn aber die besseren Karten haben. Auch der Zusammenhalt zwischen den Familien Porsche und Piech ist seit Sonntag Geschichte.
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Piech selbst hatte am Freitag mit einem Interview gegenüber dem deutschen „Spiegel“ die Auftrittszene in dem Drama absolviert. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, erklärte er knapp. Gemäß den Regeln des berüchtigten Piech-Sprechs hätte das bedeuten müssen: Winterkorn ist Geschichte und wird nicht wie erwartet Stück für Stück bis zum Jahr 2018 die Rolle Piechs im Konzern übernehmen. Doch Winterkorn dürfte vorgesorgt haben - und Piech sich obendrein nicht mit den Porsches abgesprochen haben.
Kühl als „Privatmeinung“ abqualifiziert
Am Sonntagnachmittag ließ Wolfgang Porsche in einer offiziellen Erklärung wissen: „Die Aussage von Herrn Dr. Piech stellt seine Privatmeinung dar, welche mit der Familie inhaltlich und sachlich nicht abgestimmt ist.“ Die knappe Mitteilung bedeutet in der sonst meist diskreten internen Abstimmung der beiden Autobauer-Clans ein Erdbeben. Noch am Sonntag war sich die deutsche „Bild“-Zeitung sicher: „Am Ende ziehen die Familien bei wichtigen Entscheidungen an einem Strang.“
Die nun aufgebrochene Fehde ruft die anachronistischen Strukturen bei VW in Erinnerung. Der globale Konzern ist trotz aller Aktionäre und fest verankerter Politiker und Arbeitnehmer im Kern ein Familienunternehmen, das den Porsches und Piechs gehört. Die beiden Familien haben zusammen eine Stimmenmehrheit im 20-köpfigen Aufsichtsrat und damit am Volkswagen-Konzern. Gegen den Willen der Piechs und Porsches kann bei VW de facto nichts unternommen werden.
Piech zunehmend isoliert
Die komplizierten Stimmregeln im Aufsichtsrat bedeuten aber, dass die Piechs und Porsches für eine Absetzung von Winterkorn zumindest die Zustimmung entweder des Betriebsrates oder des deutschen Bundeslandes Niedersachsens brauchten. Beide hatten sich allerdings noch am Freitag und Samstag klar auf die Seite Winterkorns gestellt. Damit steht Piech mit seinen Äußerungen zunehmend isoliert da. Bisher gab es aus dem VW-Aufsichtsrat keine einzige öffentliche Unterstützung für ihn.
Am Sonntag meinte auch der ebenfalls im VW-Aufsichtsrat sitzende niedersächsische Wirtschaftsminister Olaf Lies (SPD) gegenüber „Bild“, er sehe Piechs „öffentlicher Einlassung“ in Sachen Winterkorn „auch aufgrund der Mehrheitsverhältnisse im Aufsichtsrat sehr gelassen entgegen“. Diese sei aber „eine ärgerliche Überraschung“ gewesen, man solle den VW-Konzern nicht durch derlei Ansagen in den Medien „in eine schwierige Situation bringen“. In einer schwierigen Situation ist der Konzern nach Meinung vieler Branchenkenner allerdings schon längst.
Streit über Firmentaktik im Hintergrund
Auch wenn es aus den aktuellen Bilanzen nur zum Teil hervorgeht: Im VW-Konzern gibt es zahlreiche Baustellen. Gerade das breite Mittelklasse-Sortiment schwächelt zusehends. Vor diesem Hintergrund ist auch das derzeitige Königsdrama zu sehen. Sowohl Winterkorn als auch Piech sind sich der heraufziehenden Probleme, die sich etwa symbolhaft in der Absatzschwäche des VW Golf zeigen, bewusst - nur sind ihre Rezepte offenbar unterschiedlich, trotz Einigkeit darüber, dass der Konzern einen Sparkurs braucht.
Vage öffentliche Andeutungen Winterkorns und Piechs lassen den Rückschluss zu, dass der VW-Chef eher am Portfolio des Konzerns etwas ändern will, während Piech tendenziell die jetzige Produktpolitik mit noch härteren Einsparungen profitabel machen möchte. Die schnellen Solidaritätsbekundungen durch den VW-Betriebsrat und das Land Niedersachsen könnten wiederum ein Indiz dafür sein, dass Winterkorn ihnen als Garant für Standortgarantien und einen Stopp der Sparprogramme gilt, mit unabsehbaren Folgen für die Profitabilität des Konzerns.
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