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„Er kennt nur Arbeit, Arbeit, Arbeit“

Direkt nach seinem überwältigenden Wahlsieg in Indien im vergangenen Mai ist Narendra Modi zum Ganges gereist, in die für Hindus so heilige Stadt Varanasi. Er zelebrierte ein Ritual mit Mönchen, Hymnen, Muschelhörnern und Kerzen. Nur als spirituelle Macht, sagte der 63-Jährige, werde Indien auch eine wirtschaftliche Macht werden.

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Modi, der sich gern mit Laptop abbilden lässt und ständig twittert, will den Fortschritt fördern. Doch soll Indien dabei seine Identität nicht verlieren: „Was Indien braucht, ist Modernisierung, nicht Verwestlichung.“ Wie das gehen soll, zeigte Modi im Bundesstaat Gujarat, den er fast 13 Jahre lang regierte. Die rasche und digitalisierte Verwaltung machte in ganz Indien von sich reden.

Mit 17 Eltern und Ehefrau verlassen

Ausgebildet wurde Modi, der aus einfachen Verhältnissen stammt, unter anderem in der radikalhinduistischen Kaderschmiede RSS, einer Art Turnverein mit ideologischem Drill. Als Modi 17 Jahre alt war, verließ er seine Eltern und seine Frau, mit der er - wie damals nicht unüblich - als Kind verheiratet wurde. Nach Jahren der Wanderschaft kreuz und quer durch Indien arbeitete er Vollzeit für den RSS. Erst putzte er den Boden, dann durfte er Tee zubereiten und die Post bearbeiten.

Schließlich schickte ihn der RSS zu einer seiner Schwesterorganisationen, der hindu-nationalistischen Partei BJP. Auch dort arbeitete sich Modi stetig nach oben, gewann einflussreiche Gönner und schob Konkurrenten zur Seite. Sein alter Parteifreund Yamal Vyas sagte einmal über Modi: „Er hat nie Urlaub gemacht, hat keine Familie. Er kennt nur Arbeit, Arbeit, Arbeit.“ Kritiker sagen, vieles am Modi-Bild sei guter Imagepflege und PR-Arbeit zu verdanken. So seien etwa weniger beeindruckende Wahrheiten über Gujarat - wie die hohe Schulabbrecherquote - gezielt heruntergespielt worden, sagt Ajay Dandekar, Geschichtsprofessor an der Shiv-Nadar-Universität.

Staatlich gelenkte Unruhen gegen Muslime?

Gewählt wurde Modi unter anderem von zahlreichen jungen Indern - das Durchschnittsalter im Land liegt bei nur 27 Jahren. Sie hofften, dass Modi die dringend benötigten Jobs in der Industrie schafft. Außerdem bietet Modi viel Raum für Identifikation: Er stammt aus einer niedrigen Kaste, wuchs in einfachen Verhältnissen in der Tempelstadt Vadnagar auf und half seinem Vater, auf dem Bahnhof Tee zu verkaufen.

Viele Muslime fühlen sich von Modis BJP, die gezielt die fast 80 Prozent Hindus in Indien anspricht, allerdings benachteiligt oder bedroht. Unter Modis Regierung metzelten Mobs mehr als 1.000 Muslime nieder. Politische Studien bewerten die Unruhen als „Pogrome“, weil sie staatlich gelenkt worden seien. Modi selbst beschrieb sich in zahlreichen Interviews als Freund aller. „Selbst Muslime wollen Jobs und eine gute Regierung“, sagte er. Wenn er Straßen baue, könnten alle darauf fahren.

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