Hälfte der Inder hat keine Toilette
Seit Monaten versucht Indiens Regierungschef Narendra Modi, Indiens Image als eines der schmutzigsten Länder der Welt loszuwerden. Nach seinem Wahlsieg im Mai 2014 kündigte er eine große „Clean India“-Kampagne an. Vor allem die Säuberung des stark verschmutzten Ganges war bei Modis Amtsantritt vor einem Jahr eines seiner erklärten Ziele.
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Viele Betriebe und Städte leiten ihre Abwässer ungeklärt in den Ganges. Verstorbene werden darin bestattet. Die Notdurft wird ebenso in dem 2.600 Kilometer langen Fluss verrichtet wie die Wäsche gewaschen.
Fäkalbakterien 3.000-fach über Grenzwert
„Nennen Sie mir irgendein Bakterium, und Sie können darauf wetten: Ganga hat es in sich“, zitierte die „Süddeutsche Zeitung“ unlängst einen Arzt aus der am Ganges gelegenen Stadt Varanasi im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh. Jeden Tag landeten bei ihm Patienten, die „sich krümmen und winden und kaum mehr stehen können“. Magen-Darm-Infektionen stünden an der Tagesordnung. Wegen der steigenden Resistenzen werde es aber immer schwieriger, Medikamente für Keime aus dem Ganges zu finden. Die Verschmutzung des Ganges sei bedrohlich.

APA/AP/Rajesh Kumar Singh
Der Ganges bei Allahabad im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh
Auch die Zahl der fäkalen Coli-Bakterien sei im Ganges extrem hoch, so die „SZ“: 500 pro 100 Milliliter Wasser gelten in Indien als gerade noch unbedenklich für das Baden, dieser Wert werde etwa in Varanasi um das bis zu 3.000-Fache überschritten. Durch das Gift aus Fabriksabwässern steigt außerdem das Krebsrisiko.
Gesundheitsgefahr durch Bestattungen im Fluss
Für die Hindus ist der Ganges ein heiliger Fluss. Sie baden in seinem stark verschmutzten Wasser, um sich von ihren Sünden zu reinigen. Viele Hindus verstreuen die Asche ihrer Verstorbenen in seinen Fluten. Arme Familien haben aber oft kein Geld für Brennholz und werfen die Leichen ohne Einäscherung oder halb verbrannt in den Ganges. Auch die Leichen von als heilig verehrten Männern werden traditionell unverbrannt im Wasser bestattet.
Umweltschützer warnen immer wieder vor den Umwelt- und Gesundheitsrisiken durch die Verschmutzung des Ganges. Die Umweltschützerin Mallika Bhanot von der Organisation Ganga Ahvaan zum Schutz des heiligen Flusses sagte dem Sender CNN-IBN, das größte Problem sei, dass der Ganges nicht mehr genug Wasser führe. Früher seien im Fluss bestattete Leichen abgetrieben worden. Heute gehe von den verwesenden Leichen aber eine massive Gesundheitsgefahr aus.
Putzen ist „Aufgabe aller 1,25 Mrd. Inder“
Offiziellen Schätzungen zufolge hat etwa die Hälfte der Menschen in Indien keinen Zugang zu Toiletten. Mehr Toiletten zu bauen ist nur ein Aspekt von Modis „Clean India“-Kampagne („Sauberes Indien“), von der „Clean Ganga“ („Sauberer Ganges“) ein Teil ist. Zum Start der Kampagne vergangenen Herbst nahm Modi selbst einen Besen in die Hand und kehrte in einer Wohnanlage für Müllmänner in der Hauptstadt Neu-Delhi. Bis zum 150. Geburtstag des für seine Reinlichkeit bekannten Freiheitshelden Mahatma Gandhi im Jahr 2019 soll Indien sauber werden.
Geht es nach Modi, sollen Staatsangestellte und Schüler jeweils hundert Stunden im Jahr damit verbringen, ihre Arbeitsplätze zu putzen. Es sei nicht allein die Aufgabe von Reinigungskräften, Indien sauber zu machen, so der Premier: „Es ist auch die Aufgabe aller 1,25 Milliarden Inder.“ Modi will außerdem den Sonntag zum Fahrradtag machen, um die Luftverschmutzung zu senken, und die Straßenbeleuchtung bei Vollmond nicht einschalten, um Strom zu sparen.
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