Parteiführung kündigt Konsequenzen an
Bei der rechtsextremen Partei Front National (FN) in Frankreich ist es zum offenen Bruch zwischen Parteigründer Jean-Marie Le Pen und dessen Tochter und Parteichefin Marine Le Pen gekommen. Der 86-Jährige betreibe eine Politik „zwischen Strategie der verbrannten Erde und politischem Selbstmord“, so das Urteil der FN-Chefin am Mittwoch.
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Der schon lange schwelende Konflikt innerhalb der Familie Le Pen hatte sich in den letzten Tagen zugespitzt, nachdem Jean-Marie Le Pen die Gaskammern in den NS-Konzentrationslagern zum wiederholten Mal als „Detail“ der Geschichte bezeichnet hatte. Zudem gab er der rechtsextremen Zeitschrift „Rivarol“ ein Interview, in dem er insbesondere Marschall Philippe Petain verteidigte, der im Zweiten Weltkrieg Staatschef des mit Nazi-Deutschland kollaborierenden Vichy-Regimes war.
Schwierige Neuausrichtung
Seine Tochter, die 46-jährige Marine Le Pen, versucht seit ihrer Wahl zur FN-Vorsitzenden Anfang 2011, der Partei ein bürgerlicheres Image zu verschaffen. Sie vermeidet verbale Entgleisungen, die ihrem Vater wiederholt Verurteilungen wegen Leugnens des Holocaust oder Aufrufs zu Rassenhass einbrachten. Außerdem ließ sie mehrere Mitglieder nach rassistischen Äußerungen aus der Partei ausschließen.
Front National
Jean-Marie Le Pen gründete die Partei 1972. Die Partei gilt als rechtsextrem, selbst bezeichnet sie sich als „patriotisch“. Bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2002 schaffte Le Pen es mit fast 17 Prozent in der ersten Runde in die Stichwahl.
Mit ihrer Strategie schaffte sie es, die FN im vergangenen Jahr bei den Europawahlen mit rund 25 Prozent zur stärksten Kraft in Frankreich zu machen. Auch bei der ersten Runde der Departementswahlen im März kamen die Rechtsextremen auf rund 25 Prozent. Bei der Präsidentschaftswahl 2017 hat die FN-Chefin gute Chancen, in die Stichwahl zu kommen.
Gegensätze „von nun an unversöhnlich“
Ihre Linie wird von den führenden FN-Politikern unterstützt. FN-Vize Louis Aliot, der zugleich der Lebensgefährte von Marine Le Pen ist, erklärte am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter, die politischen Gegensätze mit Jean-Marie Le Pen seien „von nun an unversöhnlich“. FN-Vize Florian Philippot gab über Twitter einen „völligen und endgültigen Bruch“ mit dem Parteigründer bekannt.

Reuters/Robert Pratta
Bild aus besseren Tagen: Le Pen küsst seine Tochter nach ihrer Bestätigung als Parteichefin
Der Bruch hatte sich schon länger angekündigt, auch wenn Beobachter lange vermuteten, Vater und Tochter hätten ihre Rollen gezielt aufgeteilt: Jean-Marie Le Pen stehe fürs Grobe, Marine Le Pen für die gemäßigten Wählerschichten. Wenn es eine solche Strategie jemals gegeben hat - ist es damit endgültig vorbei. Für die Politologin Virginie Martin ist der jetzt vollzogene Bruch ein weiterer Schritt der „Normalisierung“ der Partei, wie sie gegenüber der AFP sagte.
Parteiausschluss steht im Raum
Die FN-Führung könnte nun erstmals Konsequenzen ziehen und den bisher als unantastbar geltenden Jean-Marie Le Pen in der Partei vom Sockel stürzen. Marine Le Pen kündigte an, dass „rasch“ eine Sitzung der neunköpfigen FN-Führung einberufen werde, der auch ihr Vater angehört. Nach Angaben aus ihrem Umfeld könnte das bereits am Donnerstag sein. Demnach steht ein Entzug der Ehrenpräsidentschaft eher nicht an, möglicherweise werden aber disziplinarische Maßnahmen beschlossen. Während in den Parteistatuten ein Entzug der Ehrenpräsidentschaft nicht vorgesehen ist, ist ein Parteiausschluss rechtlich möglich.
Auf jeden Fall will die FN-Spitze verhindern, dass Jean-Marie Le Pen bei den Regionalwahlen die FN-Liste in der südfranzösischen Region Provence-Alpes-Cote d’Azur anführt, wie es der 86-jährige Europaabgeordnete selbst wünscht. Sie werde sich dieser Kandidatur bei einer FN-Sitzung am 17. April „widersetzen“, kündigte Marine Le Pen an. Sein Status als Ehrenpräsident gebe ihrem Vater nicht das Recht, die Partei als „Geisel“ zu nehmen und „solch unflätige Provokationen“ von sich zu geben, „die anscheinend das Ziel haben, mir zu schaden, aber die leider der ganzen Bewegung einen sehr harten Schlag versetzen“.
„Sie jagen in einer Meute“
Der Rechtsextremismus-Experte Nicolas Lebourg erinnert aber daran, dass sich Jean-Marie Le Pen als FN-Chef immer wieder über die Parteistatuten hinwegsetzte - und dass ihm das nun selbst widerfahren könnte. Die Parteioberen seien wild entschlossen, den 86-Jährigen kaltzustellen. „Sie jagen in einer Meute“, formuliert es Lebourg gegenüber der AFP. „Denn Jean-Marie Le Pen kann nur von einer Meute getötet werden.“
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