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Ansprüche auf einen Meeresrücken

Gleich mehrere Eisbrecherexpeditionen hat Dänemark in den vergangenen acht Jahren Richtung Nordpol geschickt. Ihr Ziel: die dänischen Territorialansprüche auf den Nordpol mit wissenschaftlichen Erkenntnissen zu beweisen. Seine Forderungen legte das Land mittlerweile bei den Vereinten Nationen vor.

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Knapp 900.000 Quadratkilometer misst das Gebiet, über dem künftig die rote Flagge mit dem weißen Kreuz wehen soll. Die dänischen Forderungen stützen sich auf die Ergebnisse der dänischen Arktis-Expeditionen der vergangenen Jahre. An die 45 Millionen Euro soll sich das Land die wissenschaftliche Forschung kosten haben lassen.

„Grenzen des Königreichs festlegen“

Möglicherweise gut angelegtes Geld: Laut dem dänischen Außenminister Martin Lidegaard konnten die Wissenschaftler nachweisen, dass Grönlands Kontinentalsockel mit einem unterirdischen Gebirgsrücken verbunden ist. Die Lomonossow-Rücken benannte Erhebung erstreckt sich weit unter den Nordpol.

So symbolträchtig der Anspruch auf den Nordpol klingen mag, bei den dänischen Ansprüchen geht es um mehr. „Der Lomonossow-Rücken ist die natürliche Erweiterung des grönländischen Kontinentalsockels. Der Nordpol ist ein kleiner, kleiner Punkt, der zufällig auch in diesem Gebiet liegt“, so Christian Marcussen, ein führender dänischer Geophysiker. „Das Ziel dieses großen Projekts ist es, die äußeren Grenzen unseres Kontinentalsockels - und damit letztlich des Königreichs - festzulegen“, schrieb Außenminister Lidegaard in der Begründung.

200 Meilen mit weitreichenden Folgen

Hinter der vollmundigen Ankündigung steht die völkerrechtliche Regelung, wonach Staaten innerhalb einer 200-Seemeilen-Zone (rund 370 Kilometer) vor ihrem Land die natürlichen Ressourcen im und unterhalb des Meeres ausbeuten dürfen. Dieses Gebiet ist allerdings nicht zwingend durch den Verlauf der Küstenlinie bestimmt. Vielmehr werden die 200 Meilen vom Kontinentalsockel weg gemessen. Und der kann eben noch deutlich weiter ins Meer reichen als das sichtbare Land.

1980 richtete die UNO ein eigenes Gremium für die Überprüfung der Seegebietsansprüche der Nationen ein - die Kommission zur Begrenzung des Festlandsockels (CLCS). In den kommenden Jahren wird sie auch über die nationalen Ansprüche auf die Arktis entscheiden müssen.

Auch Kanada reichte Antrag ein

Denn Dänemark ist mit seinen Forderungen nicht allein. Bereits 2013 reichte Kanada seinen Antrag bei den Vereinten Nationen ein. Deutlich mehr als eine Million arktische Quadratkilometer möchte das Land unter seiner Kontrolle wissen - darunter auch hier der Nordpol selbst. Von Russlands Ansprüchen weiß die Welt spätestens seit 2007 - damals hisste eine Nordpol-Expedition auf dem Meeresgrund eine russische Flagge. Alle drei Länder sind der Meinung, dass der Lomonossow-Rücken beim jeweils eigenen Festlandsockel seinen Ausgang nimmt.

Militärisches Muskelspiel

In der jüngsten Vergangenheit scheute Moskau auch nicht davor zurück, die militärischen Muskeln spielen zu lassen. Erstmals seit mehr als 20 Jahren kreuzten im vergangenen Jahr wieder russische Kriegsschiffe in der Arktis. Russland nahm mehrere - seit dem Ende des Kalten Krieges verwaiste - Militärstützpunkte auf den Neusibirischen Inseln wieder in Betrieb. „Es geht um die Kontrolle der gesamten Arktisregion“, sagte der russische Präsident Wladimir Putin im Oktober 2013.

Auf der anderen Seite der Arktis dürften sich die Vereinigten Staaten auf ein mögliches militärisches Kräftemessen einstellen - auch wenn dem Land durch seine vergleichsweise kurze Küstenlinie nur eine geringe Fläche zufallen würde. Durch das Schmelzen der Polkappen werde die Arktis zu einem neuen Brennpunkt, sagte im Herbst des Vorjahres Chuck Hagel, damals noch US-Verteidigungsminister.

„Wir sehen eine Arktis, die schmilzt, was bedeutet, dass wahrscheinlich ein neuer Seeweg entsteht. Wir wissen, dass dort bedeutende Mineralvorkommen und natürliche Öl- und Gasvorkommen sind. Das bedeutet, dass Nationen um diese natürlichen Ressourcen wetteifern werden. Das war bisher kein Thema. Man hat dort nicht hinaufgehen und etwas herausholen können“, so Hagel. Nun müsse man sich der Frage stellen, „was diese Bedingungen und neuen Gegebenheiten im Hinblick auf mögliche Bedrohungen bringen werden“.

Rohstoffreicher Norden

Die Versuchungen der Arktis sind groß. 13 Prozent der bisher unentdeckten Ölvorkommen sollen unterhalb des Meeresbodens lagern. Bei den Gasvorkommen gehen Schätzungen sogar von 30 Prozent aus. Auch über weitere Rohstoffe, die das schmelzende Eis freigeben könnte, wird spekuliert. Von Gold, Diamanten, Zink, Kupfer, Kohle, Uran und Nickel ist die Rede. Welche Rohstoffe genau und vor allem welche Mengen unter dem arktischen Meeresgrund liegen, ist allerdings noch weitgehend unbekannt - wie auch die Risiken des Rohstoffabbaus rund um den Nordpol kontrovers diskutiert werden.

So erwartungsvoll die Förderfirmen in den Norden schauen, so laut warnen Umweltschutzorganisationen etwa vor den ökologischen Folgen eines möglichen Bohrunfalls rund um den Nordpol. Die Antarktis ist bereits seit Jahrzehnten durch einen eigenen Vertrag geschützt: Sowohl militärische Aktivitäten als auch der Abbau von Rohstoffen sind im Gebiet um den Südpol verboten. Für die Arktis gibt es noch keine vergleichbaren Schutzbestimmungen.

Entscheidung „in ein paar Jahrzehnten“

Bis tatsächlich das erste Öl oder Gas aus dem arktischen Boden geholt wird, dürften aber noch Jahre wenn nicht gar Jahrzehnte vergehen. Das liegt nicht nur daran, dass die Polregion zumindest in den nächsten Jahren noch von einer Eisschicht bedeckt sein wird. Dies hat zwar in den vergangenen 50 Jahren deutlich an Masse verloren, ist aber im Schnitt immer noch drei Meter dick.

Länger als das Abschmelzen des Eises dürfte allerdings eine Einigung der Anrainerstaaten dauern. Er erwarte sich keine schnellen Entscheidungen, sagte auch Lidegaard. „Nachdem die UNO aufgrund wissenschaftlicher Daten eine Entscheidung getroffen hat, folgt der politische Prozess. Ich erwarte mit, dass das eine Weile dauert. Eine Antwort wird es in ein paar Jahrzehnten geben“, so der dänische Außenminister.

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