„Weitermachen ist die beste Antwort“
Die US-Sektion des Schriftstellerverbandes PEN zeichnet die französische Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ mit einem Preis für Meinungsfreiheit aus. Der Essayist und Filmkritiker Jean-Baptiste Thoret werde die Auszeichnung bei einer Gala am 5. Mai in New York stellvertretend für die Redaktion annehmen, teilte das PEN American Center am Mittwoch mit.
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PEN-Direktorin Suzanne Nossel erklärte, die Redaktion der Satirezeitschrift habe „den ultimativen Preis“ für die Ausübung ihrer Meinungsfreiheit bezahlt. Die Brüder Cherif und Said Kouachi waren am 7. Jänner in die Räume von „Charlie Hebdo“ in Paris gestürmt und hatten zwölf Menschen erschossen. Offenbar wollten sie sich für Karikaturen des muslimischen Propheten Mohammed in der Satirezeitschrift rächen.
Die Brüder wurden zwei Tage später bei einem Polizeieinsatz erschossen - ebenso wie der Attentäter Amedy Coulibaly, der in einem jüdischen Supermarkt zahlreiche Geiseln genommen hatte. Die drei Islamisten töteten bei ihren Anschlägen im Großraum Paris insgesamt 17 Menschen.
Große Welle der Solidarität
Die Terroristen haben das ihnen verhasste Blatt vom finanziellen Sorgenkind zum Krösus werden lassen: Die Solidaritätswelle nach der Anschlagsserie mit insgesamt 17 Toten hat „Charlie Hebdo“ über Verkäufe, Abos und Spenden rund 30 Millionen Euro in die Kasse gespült. Die Zahl der Abonnenten stieg auf mehr als 200.000. Zeitweilig konnten Aboanfragen nicht mehr bearbeitet werden. Von der früheren Auflage von 60.000 wurden nur rund 30.000 Exemplare verkauft.
Dass es weitergehen soll, daran haben die Verantwortlichen der Zeitung nie einen Zweifel gelassen, auch wenn viele der Überlebenden sich zunächst nicht vorstellen konnten, nach dem Blutbad jemals wieder einen Zeichenstift in die Hand zu nehmen. Doch schon eine Woche nach dem Attentat erschien - getragen von einer weltweiten Welle der Solidarität - eine neue „Charlie Hebdo“-Ausgabe, die millionenfach verkauft wurde.
Karikaturen aus dem Krankenhaus
Der Zeichner Riss, dem die Attentäter in die Schulter geschossen hatte, hatte noch im Krankenhaus Karikaturen für die Ausgabe der Überlebenden angefertigt. „Weitermachen ist die beste Antwort“, sagte der 48-Jährige, der nach dem Mord an seinem Kollegen Charb die Leitung der Satirezeitung übernahm. „Wir werden das machen, was wir können. Wir werden nicht etwas anderes erfinden. Wir sind eine satirische und humoristische Zeitung, wir machen weiter.“
Wann die nächste „Charlie Hebdo“-Ausgabe erscheinen wird, steht noch nicht fest - „in den kommenden Wochen“ heißt es immer wieder. Die Mitarbeiter der Satirezeitung brauchen Zeit, um sich vom Schock der Anschläge zu erholen, die meisten stehen zudem unter Personenschutz.
„Neue Generation von Zeichnern“
Für „Charlie Hebdo“ geht es vor allem darum, den Verlust berühmter, ja legendärer Karikaturisten wie Charb, Cabu, Tignous und Wolinski zu ersetzen, die im Kugelhagel der Islamisten starben. „Es sind Schwergewichte gestorben, und wir werden nicht von heute auf morgen wieder so außergewöhnliche Leute finden“, sagte Riss. Es müsse quasi „eine neue Generation von Zeichnern“ rekrutiert werden.
Mit den ersten Ausgaben nach dem Attentat haben die Zeichner bereits bewiesen: Es wird bei „Charlie Hebdo“ weiter bissige Karikaturen, derben Humor und bitterbösen Spott geben, auch gegen Religionen. Für Kontinuität sorgt schon der neue Chef Riss, mit richtigem Namen Laurent Sourisseau, der das Blatt bereits in den vergangenen Jahren zusammen mit Charb geleitet hatte. „‚Charlie Hebdo‘ war immer dem Kampf für die Laizität verbunden“, betont Riss. „Daran wird sich nichts ändern.“
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