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„Brauchen wieder finanzkräftige Partner“

Seit sich die Antwerp Diamond Bank (ADB) aus dem Diamantengeschäft zurückgezogen hat, ist die Stimmung in der Branche gedrückt. Die Sightholders, also Händler und Schleifer, leiden unter der Zurückhaltung anderer Banken bei der Kreditvergabe. Durch neue Regeln des weltweit größten Diamantenproduzenten De Beers soll ihre Kreditwürdigkeit nun wieder steigen.

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Das südafrikanische Unternehmen mit Sitz in Luxemburg hatte kürzlich angekündigt, seine derzeit 84 unter Vertrag stehenden Sightholders stärker kontrollieren zu wollen. Das berichtete die „Financial Times“. Demnach müssen Händler und Schleifer nun jährlich ihre Geschäftsbilanzen offenlegen, die ihre Finanzstabilität unter Beweis stellen sollen. Zudem muss ihre Kreditwürdigkeit durch Banken bestätigt werden.

Die neuen Vorschriften gelten seit 1. April, seitdem laufen auch die neuen Dreijahreskontrakte zwischen der Diamond Trading Company (DTC), einer Tochterfirma des De-Beers-Konzerns, und den Sightholders. Wer sich künftig nicht an die neuen Vorgaben hält, verliert laut De Beers den Status als Sightholder und wird gekündigt.

Diamanthändler beim Verkauf seiner Ware

Reuters/Olivia Harris

Die neuen Regeln sollen für mehr Finanzstabilität der Diamantenhändler sorgen

De Beers: „Größte Reform in Diamantenbranche“

Bruce Cleaver, Geschäftsführer von De Beers, sprach in der „Financial Times“ von „der größten Reform in der Diamantenbranche seit Jahrzehnten“. Man wolle Händler und Schleifer durch eine offenere und transparentere Budgetpolitik „ins 21. Jahrhundert bringen“.

Für Branchenexperten ist die Lage der Händler und Schleifer derzeit jedoch prekär. Vor allem in Israel und Japan mussten in den vergangenen Monaten laut der Nachrichtenagentur Reuters einige Konkurs anmelden. „Die meisten sind auf Kredite angewiesen, da zwischen dem An- und Verkauf oft mehrere Monate liegen. Banken lassen sich aber immer weniger auf Spekulationsgeschäfte in der Diamantenbranche ein. Ich rechne deshalb damit, dass in den nächsten Monaten deshalb noch mehrere aufgeben müssen“, sagte Ulrich Freiesleben, Geschäftsführer der Händlerfirma Diamondstoxx, kürzlich im „Handelsblatt“.

Vizepräsident Nigel Simson sagte gegenüber dem Fachmagazin „Rapaport“ hingegen, dass mit den neuen Regeln die Kreditwürdigkeit der Händler und Schleifer wieder steigen werde. „Wir brauchen finanzkräftige Partner, die finanziell gesund und in der Lage sind, zu investieren. Davon profitiert die gesamte Branche.“

ADB finanzierte zehn Prozent des Gesamtmarktes

Hauptgrund für die aktuellen Finanzprobleme war der Rückzug der 80 Jahre alten Antwerp Diamond Bank (ADB) Ende des vergangenen Jahres aus dem Diamantengeschäft. Das Institut aus der belgischen Stadt hatte sich auf die Finanzierung der Branche spezialisiert. Bis zum Rückzug entfielen mehr als zehn Prozent des Finanzierungsmarktes im Diamantengeschäft im Gesamtvolumen von 15 Milliarden Euro auf die ADB. Hintergrund des Rückzugs soll ein gescheiterter Verkaufsversuch durch die belgische KBC Groep an die chinesische Yinren Group gewesen sein.

Mit der finanztechnischen Transparenz will De Beers nun der Flaute auf dem Diamantenmarkt entgegensteuern. „Nicht ohne Eigennutz“, wie „Rapaport“ feststellte. Denn im ersten Quartal 2015 sei der Verkauf von Rohdiamanten im Unternehmen gegenüber dem Zeitraum des Vorjahres um satte 30 Prozent zurückgegangen. Wobei De Beers laut „Rapaport“ mit 1,45 Milliarden verkauften Rohdiamanten im ersten Quartal 2015 noch immer gut dasteht.

Hoffen auf neue Investoren

Generell aber sanken in der Branche - vor allem durch fehlende Kreditvergaben - die Diamantenpreise, beispielsweise um neun Prozent für Einkaräter. Der tiefere Einblick in die Sparte durch die neuen Regeln könnte laut Cleaver in Zukunft wieder mehr potenzielle Investoren vom Kauf von Unternehmensaktien überzeugen. Im vergangenen November ging De Beers laut eigener Aussage mit „gutem Beispiel voran“ und öffnete bisher stets geheime Informationen aus der Branche. Zum Beispiel wird nun öffentlich bekanntgegeben, woher die besten Diamanten kommen und wie viel sie je Karat einbringen.

De Beers steuert den Markt

Die meisten Sightholders von De Beers sind Familienunternehmen, die auf die Zusammenarbeit angewiesen sind, denn De Beers, das zu 85 Prozent dem US-Bergbaukonzern Anglo American und zu 15 Prozent dem Staat Botsuana gehört, ist trotz derzeitiger Flaute der Krösus in der Diamantenbranche. Jährlich verkauft das Unternehmen sechs Milliarden Rohdiamanten und erzielte 2013 einen Gewinn von 546 Millionen Dollar (507 Milliarden Euro).

90 Prozent des Abbaus aus den Minen verkauft De Beers an die Sightholders, die dann die Diamanten auf den Markt bringen. De Beers gilt aber auch als harter Geschäftspartner. Wer als Sightholder zugelassen wird, muss grundsätzlich bar zahlen und darf maximal fünf Prozent der angebotenen Rohdiamanten zurückweisen.

Lob und „stille“ Kritik für De Beers

Doch es gibt Sightholders, die sich zuversichtlich zeigen und die neuen Regeln von De Beers begrüßen. Wie zum Beispiel Maurice Zajfen, Finanzchef des belgischen Diamantenunternehmens Tache. „Bisher wurden viele Transaktionen nur mit einem Handschlag besiegelt, Transparenz gab es praktisch keine. Mit den neuen Regeln haben alle Unternehmen die gleichen Chancen“, wurde Zajfen in der „Financial Times“ zitiert.

Es gebe aber auch Kritik zahlreicher anderer Sightholders. Allerdings im Stillen, da laut „Financial Times“ niemand eine Vertragskündigung riskieren wolle. Doch die Befürchtungen seien groß, dass es vor allem für kleinere Unternehmen, die nicht so finanzstark sind, nun noch schwerer werde, Kredite zu bekommen.

Für Cleaver geht es bei den neuen Regeln auch um eine Verbesserung des Rufs der Diamantenbranche. Denn immer noch sei zum Beispiel der illegale Handel groß. Erst im vergangenen Jahr wurden einige Sightholders vom Unternehmen suspendiert, da sie hinter dem Rücken von De Beers Rohdiamanten aus Sibirien gekauft hätten. „Deshalb wollen wir mit dem neuen und fairen Kodex auch Missbräuche so gut es geht verhindern“, sagte Cleaver.

„Blutdiamanten“ kratzen am Image von De Beers

Doch De Beers stand und steht selbst noch immer bei Menschenrechtsgruppen in der Kritik. Angeprangert wird zum einen, dass sich immer noch „Blutdiamanten“ im Angebot finden. Die Namensgebung rührt daher, dass sie seit Jahrzehnten in Krisengebieten zur Finanzierung von Bürgerkriegen - hauptsächlich in Afrika - dienen, die unzählige Todesopfer und Gewaltverbrechen mit sich bringen.

Den mit dem Verkauf dieser „Blutdiamanten“ generierten Erlös verwenden Rebellentruppen oder auch die korrupten Regierungen für den Kauf von neuen Waffen. Seit 2000 deklariert De Beers seine Diamanten durch staatliche Herkunftszertifikate als „konfliktfrei“, Menschenrechtler und Hilfsorganisationen schenken dieser Angabe jedoch nur beschränkt Glauben.

Altes Ritual bei Diamantenkauf

Das Prozedere des legalen und handelsüblichen Rohdiamantenkaufs orientiert sich an einem alten Ritual. Mehrfach im Jahr lädt die DTC zu den „Sights“ (Sichtnahmen) nach London. Jeder Sightholder wird einzeln in einen Raum geführt und erhält eine Box mit von der DTC ausgewählten Rohdiamanten zur Sichtnahme. Über die Preise wird nicht verhandelt, es sei denn, es sind ganz besondere Steine.

Der Inhalt einer solchen Box entspricht im Schnitt etwa 500.000 US-Dollar. Pro Sicht erwerben die Sightholders Rohdiamanten im Wert von mehreren Millionen US-Dollar. Innerhalb von zwei Wochen muss bar bezahlt werden, Kredite vergibt De Beers keine. Simson glaubt an einen positiven Wandel durch die neuen Vorschriften. „Die Basis der Schleifer und Händler wird künftig finanziell robuster aufgestellt sein, weil alle auf demselben Level sind.“

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