Trend holt auch Brauer ein
Kennzeichnungspflichten bei Lebens- und Genussmitteln machen Herstellern und Handel im Normalfall keine rechte Freude - wenig verwunderlich, sagen die Angaben doch zumeist aus, dass ein Zuviel der Inhaltsstoffe nicht gesund ist. Trotzdem wollen die weltweit größten Bierbrauer nun offenbar ihre Produkte mit Nährwertangaben versehen.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Eine entsprechende Etikettierung könnte „zur Norm werden“, berichtete kürzlich das „Wall Street Journal“, da die weltweit größten Brauer hinter einer derartigen Initiative stünden. Laut dem Blatt plant Brewers of Europe, der größte europäische Branchenverband, die Idee schon bald in die Tat umzusetzen. Brauereiriesen wie Anheuser-Busch InBev (AB InBev), SABMiller Plc, Carlsberg A/S und Heineken (der Mehrheitsaktionär der österreichischen Brau Union, Anm.) stünden hinter den Plänen.
Auch der weltweit größte Spirituosenhersteller Diageo Plc (Guinness, Smirnoff, Johnnie Walker u. a.) mit Hauptsitz in London werde schon in Kürze damit beginnen, Kalorienangaben auf seine Etiketten zu drucken, hieß es im „Wall Street Journal“. Bisher führte etwa SABMiller solche Angaben auf seiner Website auf, nicht aber auf Etiketten oder Dosen.
Vielleicht doch nicht freiwillig
Auch die Hersteller alkoholischer Getränke kämen langsam unter Druck, es der Lebensmittelindustrie gleichzutun und die Konsumenten mit mehr Informationen über ihr Angebot zu versorgen, schrieb die Zeitung. Insbesondere gelte das für die westlichen Industriestaaten, wo das Thema gesunde Ernährung eine immer größere Rolle spielt. Selbst in den USA, dem Land von Fast Food und Softdrinks, achteten bereits nahezu zwei Drittel der Konsumenten beim Einkauf auf das Attribut „gesund“.
Angesichts dieser Vorgabe argumentierten die Brauer, auch sie wollten ihre Kunde besser informieren. Schließlich wissen nur rund sechs Prozent der Europäer laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts GfK, wie viele Kalorien 100 Milliliter Bier im Durchschnitt enthalten.
Kennzeichnungspflicht soll kommen
Branchenkenner vermuteten, dass das Vorgehen der Brauriesen eher eine Flucht nach vorne ist. Man wolle damit den EU-Regulierungsbehörden - deren Kampagne gegen stark zucker- und fetthaltige Lebensmittel im Hinterkopf - zuvorkommen. „Wenn du dafür nicht offen bist, könnte es dich einholen“, zitierte das „Wall Street Journal“ Francois Sonneville, einen Experten für den Getränkemarkt bei der niederländischen Rabobank. „Die Bierkonzerne denken, sie müssen gemeinsam handeln.“ In den USA sei eine Kennzeichnung nur noch „eine Frage der Zeit“.
Wie die Kennzeichnung aussehen wird, sei noch offen, so das „Wall Street Journal“. Das „Minimum“ könne ein aufgedruckter Link zu einer Website auf Flaschen bzw. Dosen sein, manche Brauer würden aber, so der Generalsekretär von Brewers of Europe, Pierre-Olivier Bergeron, die vollen Nährwertangaben auf Etiketten drucken. Der Konsument müsse klare Angaben bekommen. Der dänische Brauriese Carlsberg plane eine derartige Kennzeichnung in Westeuropa bis Ende des Jahres.
Nicht alle gleich begeistert
Man bemüht sich jedenfalls, Transparenz zu demonstrieren und das auch gleich zu vermarkten: „Bier ist ein gesundes Produkt mit natürlichen Zutaten“, so Graham Fewkes, Geschäftsbereichsleiter bei Carlsberg. „Wir sind stolz auf die Biere, die wir brauen, und die Zutaten, die wir dafür verwenden, und das (die Etikettierung, Anm.) wird den Konsumenten helfen, Bier besser zu verstehen.“
Laut „Wall Street Journal“ sind aber nicht alle Getränkehersteller von der Idee begeistert. Eine Sprecherin von Pernod Ricard SA, der Nummer zwei hinter Diageo im globalen Spirituosengeschäft, erklärte, man habe nichts gegen Kalorienangaben auf Websites oder über Apps, Etiketten allerdings wären „nicht die beste Plattform“ dafür.
Bei der Brau Union Österreich hieß es auf Anfrage von ORF.at, es sei derzeit keine gesonderte Initiative in diese Richtung geplant – auch der Verband der Brauereien plant keine diesbezüglichen Aktivitäten. Bei alkoholreduzierten und alkoholfreien Bieren sei die Kennzeichnung gemäß einer EU-Verordnung bereits gängige Praxis. Natürlich stehe es aber jeder Brauerei frei, mehr Daten als vorgeschrieben auf ihre Etiketten zu drucken.
Verpflichtende Informationen bei Lebensmitteln
Die Nährwertkennzeichnung gemäß Lebensmittel-Informationsverordnung (LMV) gilt ab Ende 2016 in der EU verpflichtend für alle Lebensmittel, egal ob verpackt oder lose. Ausgenommen sind vorerst Getränke mit einem Alkoholgehalt von über 1,2 Volumenprozent, auch Mineralwasser und bestimmte Produkte von Direktvermarktern. Ansonsten sind Angaben über Brennwert, Fett, Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker und Eiweiß pro 100 Gramm oder 100 Milliliter Pflicht.
Wie viele Kalorien in alkoholischen Getränken stecken
Stichwort Kalorien: Bier enthält pro 100 Milliliter etwa 40 bis 50 Kilokalorien (kcal), Sekt 50 bis 80, Rotwein rund 70, Weißwein rund 75 und Glühwein (je nach Zuckergehalt auch deutlich mehr) 80 kcal. Wodka und Whiskey schlagen mit durchschnittlich zwischen 230 und 250 kcal pro 100 Milliliter zu Buche. Limonaden enthalten bis 50 kcal, süße Fruchtsäfte auch deutlich mehr. Spitzenreiter sind süße Liköre mit bis zu 350 kcal pro 100 Milliliter. Auf jeden Fall gilt bei alkoholischen Getränken: Die Menge macht’s. Jemand wird eher ein Krügel Bier (bis zu 250 kcal) als fünf Gläser Spirituosen (zu je zwei Zentiliter) mit dem gleichen Kaloriengehalt trinken. Der „Bierbauch“ ist jedenfalls wissenschaftlich nicht belegt.
Links: