Mehr Transparenz nötig
Vor mittlerweile zwei Jahren hat undeklariertes Pferdefleisch in Tiefkühllasagne und anderen Produkten in Europa für Empörung gesorgt. Die nötige Transparenz bei der Lebensmittelkennzeichnung gibt es aber noch immer nicht. Nach wie vor haben Käufer von Fertiggerichten keine Möglichkeit, sich darüber zu informieren, wo ein Tier geboren, gemästet und geschlachtet wurde. Das soll sich nun ändern.
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Konkret geht es um die Angabe des Herkunftslandes für alle Fleischsorten, die in verarbeiteten Lebensmitteln enthalten sind. Das Europaparlament hat Mitte Februar mit 460 zu 204 Stimmen (33 Enthaltungen) für die Ausarbeitung eines entsprechenden Gesetzesentwurfs gestimmt. Konsumentenschützer verlangen das seit Jahren.
Künftig soll der Ort der Geburt, der Mast und der Schlachtung der Tiere angegeben werden. Die neuen Informationen auf der Verpackung sollen das Vertrauen der Konsumenten in ihre Lebensmittel stärken und die Branche zu mehr Transparenz zwingen. Doch Kritiker halten die Idee für kostspieligen Unsinn.
Fleischmix oft aus mehreren Ländern
Die aktuelle Initiative soll in Zukunft vor allem mehr Transparenz bei verarbeiteten Produkten schaffen. Kritiker argumentieren jedoch mit den mit der neuen Kennzeichnung verbundenen Kosten. Sie sind überzeugt, dass der Kunde nicht bereit ist, für die Mehrkosten durch solche Angaben zu zahlen.
Die deutsche Europaabgeordnete Renate Sommer (CDU) sprach etwa von einer „unsinnigen, wirklich blödsinnigen Herkunftskennzeichnung. Der Verbraucher will es nicht wirklich.“ Zudem sei der Aufwand für die Industrie viel zu hoch: Für eine Scheibe Wurst, in der Fleisch aus vier, fünf Ländern enthalten sei, müssten dann 400 bis 500 Etiketten oder Verpackungen erstellt werden.
Mehrkosten im Cent-Bereich?
Zu den Mehrkosten gibt es derzeit verschiedene Einschätzungen. Während eine EU-Studie von Mehrkosten zwischen 15 und 50 Prozent für die Industrie spricht, die an den Kunden weitergegeben werden müssten, kommt die französische Verbraucherschutzbehörde (UFC Que Choisir) zu einem ganz anderen Ergebnis. Demnach würden Produkte für den Kunden um weniger als ein Prozent teurer. Am Beispiel einer Lasagne, die 2,26 Euro kostet, würde diese Verteuerung 1,51 Cent ausmachen.
Auch Birgit Beck vom Verein für Konsumenteninformation (VKI) hält die Zahlen der EU-Studie für übertrieben. „Die Rückverfolgbarkeit muss ja schon jetzt gegeben sein. D. h., die entsprechenden Daten sind vorhanden und müssen nur an den Konsumenten weitergegeben werden“, so Beck gegenüber ORF.at.
„Kennzeichnung mit Maß und Ziel“
Der europäische Verbraucherverband BEUC ist angesichts der Rechenbeispiele unbeeindruckt. „Kolossale 90 Prozent der europäischen Verbraucher wollen wissen, woher das Fleisch in ihren Hühnernuggets oder in ihrer Fertiglasagne kommt“, so die Konsumentenschützer.
„Qualität braucht sich nicht zu verstecken,“ so auch die Lebensmittelsprecherin der ÖVP im EU-Parlament, Elisabeth Köstinger, in einer Aussendung. „Wenn man den Konsumenten alle Informationen gibt, können sie selbst entscheiden, was sie kaufen wollen.“ Es gehe um eine „Kennzeichnung mit Maß und Ziel, mit einem ausgewogenen Verhältnis zwischen freiwilligen und verpflichtenden Elementen“.
Tierhaltung und Transportweg interessant
Für den sozialdemokratischen britischen Europaabgeordneten Glenis Willmott geht es dabei nicht nur um die Qualität. „Viele Leute wollen aus einer ganzen Reihe von Gründen wissen, woher ihr Fleisch kommt“, so Willmott. Dabei gehe es um Standards beim Umweltschutz und in der Tierhaltung und auch um die Länge des Transportweges. „Alles, was wir wollen, ist eine klare, ehrliche Lebensmittelkennzeichnung.“
Auch die SPÖ-Europaabgeordnete Karin Kadenbach sieht das so. Die Konsumenten hätten „ein Recht auf Transparenz und Rückverfolgbarkeit“, so Kadenbach. „Was die Konsumenten dann mit der Information anfangen, ist ihre Entscheidung. Ob sie sich ihre persönliche Diät zusammenstellen oder ob sie aus Umwelt- oder Tierschutzgedanken die Entscheidung treffen, Fleisch aus bestimmten Regionen oder Mitgliedsstaaten zu bevorzugen, muss das Recht des Einzelnen sein.“
AK fordert Infos auch zu anderen Zutaten
Für AK-Konsumentenschützer Heinz Schöffl ist im Gespräch mit ORF.at der Schritt zwar erfreulich, geht aber noch nicht weit genug. „Wir fordern schon lange genaue Informationen zu Inhaltsstoffen in verarbeiteten Produkten, nicht nur bei Fleisch. Auch bei Zutaten wie Obst, Gemüse oder Milchprodukten in Lebensmitteln sind genaue Angaben zur Herkunft wünschenswert.“
Europäer essen 41 Mio. Tonnen Fleisch pro Jahr
Die jetzige Abstimmung ist allerdings nur der erste Schritt in Richtung eines entsprechenden Gesetzes, beschlossen ist damit noch nichts. Nach dem Ja der Parlamentarier ist nun die EU-Kommission am Zug, einen entsprechenden Gesetzesvorschlag auszuarbeiten und vorzulegen.
Allein 2014 wurden in der EU 41 Millionen Tonnen Fleisch verbraucht. Davon entfällt knapp die Hälfte auf Schweinefleisch (49 Prozent), 30 Prozent auf Geflügel, 18,4 Prozent auf Rind- und Kalbfleisch und 2,6 Prozent auf Schaf- und Ziegenfleisch. Die europäische Fleischindustrie setzte 2013 (aktuellere Daten gibt es nicht) 85 Milliarden Euro um. Insgesamt arbeiten 350.000 Angestellte in 13.000 fleischproduzierenden und -verarbeitenden Betrieben in Europa.
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