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Gegen Felswand geprallt?

Seit dem Nachmittag ist klar: Alle Insassen des über den französischen Alpen abgestürzten Airbus 320 sind ums Leben gekommen. Laut Angaben des Betreibers Germanwings waren 67 Deutsche unter den Opfern. Insgesamt waren 144 Passagiere an Bord, darunter zwei Babys, und die Crew. Der Grund für den Absturz eines Germanwings-Airbus war am Dienstagnachmittag weiterhin rätselhaft - doch einen neuen Hinweis gibt es.

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Wie Germanwings-Geschäftsführer Thomas Winkelmann bei einer Pressekonferenz sagte, begann die Maschine lediglich eine Minute, nachdem sie ihre planmäßige Flughöhe erreicht hatte, offenbar ohne Absprache mit den Fluglotsen mit einem Sinkflug. Auf einer Höhe von rund 1.800 Metern ist der Kontakt zu den Fluglotsen in Frankreich abgebrochen.

Kein Notruf abgesetzt

Dann verunglückte das Flugzeug. Der Grund dafür ist unklar. „Wir wollen nicht spekulieren“, betonte Winkelmann. Der Airbus 320 wurde routinemäßig erst am Montag von Technikern der Lufthansa überprüft. Der letzte gründliche Check fand dem Sprecher zufolge „planmäßig im Sommer 2013“ statt. Die französische Flugaufsicht erklärte, dass von dem Flugzeug kein Notruf abgesetzt worden sei. Stattdessen hätten dann die Fluglotsen eine Notsituation erklärt.

Karte zeigt Unglücksort in Frankreich

APA/ORF.at

„Flugzeug ist total zerstört“

Einem Augenzeugen zufolge habe die Unglücksmaschine möglicherweise eine Felswand getroffen. Ein Bewohner aus der Region Alpes-de-Haute-Provence habe die Trümmer von einem Gebirgspass aus gesehen, berichtete die Zeitung „La Provence“. „Von da oben konnte ich die Trümmer sehen. Ich habe keinen Zweifel, dass das Flugzeug gegen die Felswand geprallt ist“, zitiert die Zeitung den Einwohner.

Das abgestürzte Flugzeug liegt nach Angaben eines französischen Abgeordneten komplett in Trümmern. „Das Flugzeug ist total zerstört“, teilte Christophe Castaner, Abgeordneter der Region Alpes-de-Haute-Provence, am Dienstag über den Kurznachrichtendienst Twitter mit. Er habe die Unfallstelle gemeinsam mit Innenminister Bernard Cazeneuve überflogen. „Entsetzliche Bilder in dieser Berglandschaft. Es bleibt nichts außer Trümmern und Körpern.“

Flugschreiber gefunden

Die Absturzstelle des A320 liegt bei dem kleinen Ort Prads-Haute-Bleone in den französischen Alpen - nach offiziellen Angaben wurde am späten Nachmittag ein Flugschreiber der abgestürzten Maschine gefunden. Prads-Haute-Bleone liegt etwa zehn Kilometer nordöstlich von Digne-les-Bains. In der Nähe ist auch der Ort Le Vernet im Blanche-Tal gelegen, der als Erstes als nicht weit vom Absturzort entfernt genannt worden war.

Rettungseinsatzkräfte und Hubschrauber

Reuters/Jean-Paul Pelissier

Militär, Gendarmerie und Feuerwehr sind im Einsatz

Die Wucht des Aufpralls der Germanwings-Maschine macht nach Ansicht des französischen Innenministers Cazeneuve wenig Hoffnung auf Überlebende unter den 150 Insassen. Germanwings hatte zuvor bereits erklärt, dass kein Insasse überlebt habe. Nach den Angaben des Innenministers sind Hunderte von Soldaten der Gendarmerie sowie etwa ebenso viele Feuerwehrleute, zehn Helikopter und ein Militärflugzeug rund um den Absturzort in den südostfranzösischen Alpen im Einsatz.

Derzeit wird nach den Worten des französischen Premierministers Manuel Valls keine Unglücksursache ausgeschlossen. „Zum jetzigen Zeitpunkt kann keine Hypothese ausgeschlossen werden“, sagte Valls am Dienstagnachmittag im französischen Parlament.

Ursache laut Experten wohl bald geklärt

Die Ursache des Absturzes könnte womöglich rasch geklärt sein. Die Unglücksstelle sei bekannt, und die Aufzeichnungen der Blackbox sowie des Cockpit Voice Recorders von Bord dürften „in dem Fall wahrscheinlich relativ bald“ Aufschlüsse geben, sagte Peter Beer, Präsident der Austrian Cockpit Association (ACA), zur APA. Die französischen Behörden haben in der Aufklärung von Luftfahrtunglücken hohe Kompetenz, fügte Beer hinzu.

Derzeit sei es aber noch viel zu früh, um anhand des zugänglichen Materials über eine mögliche Ursache des Unglücks zu spekulieren. Für den plötzlichen Sinkflug kurz nach dem Erreichen der Reiseflughöhe hatte er keine Erklärung. Die Sinkrate lasse jedenfalls keine weiteren Rückschlüsse zu, erläuterte Beer, der selbst Flugzeuge vom betroffenen Typ Airbus A320 fliegt. „3.700 Fuß pro Minute sind auch mit einem intakten Flugzeug möglich“, sagte der Experte.

Blick auf das Absturzgebiet in den französischen Alpen

APA/EPA/Le Dauphine Libere/Emilie Chauvot

In diesem Gebiet stürzte der Airbus 320 ab

Beer hatte kurz nach den Unglück Radarplots und Wetterkarten analysiert. Zum Zeitpunkt des Absturzes habe es zwar starke Bewölkung in der Gegend gegeben. Doch es gab keine extremen Wetterbedingungen, die einen Crash rechtfertigen würden, sagte der ACA-Präsident.

Österreichische Behörden überprüfen Passagierliste

Ob sich auch Österreicher an Bord des Unglücksflugs 4U-9525 befanden, war am Dienstagnachmittag noch unklar. Der Sprecher des Außenministeriums, Martin Weiss, sagte am Dienstag auf Anfrage der APA, es habe sich um einen Schengen-Flug gehandelt, die Passagiere seien daher nicht zur Ausweisleistung verpflichtet gewesen. Man sei daher dabei, die Passagierliste des Airbus durchzuarbeiten.

Das Außenministerium sei mit den Krisenstäben in Frankreich und Deutschland sowie mit Germanwings in Kontakt. Der Sprecher bat Angehörige von möglichen Opfern, sich bei der Hotline des Bürgerservice unter der Telefonnummer 0501150-4411 zu melden. Bisher habe es noch keine Anrufe gegeben.

Keine Hinweise auf terroristischen Hintergrund

Zur Frage, ob es sich um einen Terroranschlag handelt, gab es von französischer Seite keine offiziellen Aussagen. Das Weiße Haus in Washington geht nicht von einem terroristischen Hintergrund aus. „Es gibt derzeit keine Anzeichen für einen Zusammenhang mit Terrorismus“, sagte die Sprecherin des Nationalen Sicherheitsrates, Bernadette Meehan.

Auch deutschen Sicherheitsbehörden zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Anschlag. Zur Absturzursache hätten die französischen Kollegen zunächst nichts mitgeteilt, sagte ein Sprecher der deutschen Flugsicherung. Laut dem spanischen Flughafenbetreiber Aena war die Germanwings-Maschine um 9.55 Uhr in Barcelona gestartet.

TV-Hinweis

ORF eins berichtet in einer Sondersendung um 20.15 Uhr über den Germanwings-Absturz in Frankreich.

Lufthansa-Chef: „Schwarzer Tag“

Der Vorstandschef der Lufthansa, Carsten Spohr, reagierte im Kurznachrichtendienst Twitter entsetzt auf den Absturz der Maschine der Tochtergesellschaft Germanwings: „Wenn unsere Befürchtungen sich bewahrheiten, ist heute ein schwarzer Tag für die Lufthansa. Mein tiefstes Mitgefühl gilt den Familien und Freunden unserer Passagiere und Besatzungsmitglieder“. „Wir wissen noch nicht, was mit Flug 4U9525 passiert ist“, hieß es in Spohrs Stellungnahme weiter. Der Flughafen Düsseldorf wie auch die Fluglinie Germanwings haben Hotlines eingerichtet.

Trauer und Fassungslosigkeit

Frankreichs Innenminister Cazeneuve wollte sich an die Unglücksstelle begeben. Präsident Hollande versicherte der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel seine Anteilnahme. Sie selbst sicherte den Betroffenen „Hilfe und Beistand“ der Bundesregierung zu - mehr dazu in iptv.ORF.at

Das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia brach seinen gerade begonnenen Staatsbesuch in Paris ab. Der König sprach von einer „fürchterlichen Katastrophe“ und drückte allen betroffenen Familien sein aufrichtigstes Beileid aus. Der spanische Regierungschef Mariano Rajoy äußerste sich „schockiert“ über den Absturz. Es handle sich um eine „Tragödie“, so Rajoy auf Twitter. „Wir arbeiten eng mit den französischen und deutschen Behörden zusammen.“

EU-Spitze kondolierte Opferfamilien

Die EU-Spitzen kondolierten den Opferfamilien. Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker sagte am Dienstag in Brüssel, die Nachricht habe ihn tief bestürzt: „Mein Herz ist bei den Familien und Freunden der Opfer. Diese Tragödie trifft besonders die Hinterbliebenen, aber sie trifft auch uns alle.“ Er sprach den Menschen in Deutschland, Frankreich und Spanien sein Beileid aus.

EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach den Familien am Dienstag im Namen der Europäischen Union das tiefste Beileid aus. Tusk sprach auch den Regierungen der betroffenen Ländern sein Mitgefühl und die Solidarität der EU aus, namentlich Hollande, Merkel und Rajoy. Im Namen des Europäischen Parlaments übermittelte Parlamentspräsident Martin Schulz seine Anteilnahme: „Diese Tragödie und der Verlust an Menschenleben machen uns alle tief betroffen.“ Das EU-Parlament werde bei der Eröffnung der Plenarsitzung am Mittwoch der Opfer mit einer Schweigeminute gedenken.

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck reagierte bestürzt. Während seines Staatsbesuchs in Peru sagte Gauck: „Mit größter Bestürzung habe ich von dem schweren Flugzeugunglück erfahren.“ Seine Gedanken seien bei den Familienangehörigen und Freunden der vielen Opfer. „Ihnen gilt meine tief empfundene Anteilnahme. Mögen sie in dieser schweren Zeit Kraft und Trost finden.“ Gauck dankte allen, „die nun an verschiedensten Stellen Hilfe leisten und den Betroffenen zur Seite stehen“.

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