Äthiopiens Aufstieg zur Stromsupermacht
Der jahrelange Streit über den Bau des Grand-Renaissance-Damm am Blauen Nil in Nordäthiopien ist beigelegt. Die Nachbarstaaten Ägypten, Äthiopien und der Sudan haben dazu am Montag ein gemeinsames Grundsatzabkommen unterzeichnet. Damit steht der Fertigstellung des künftig größten Wasserstaudamms Afrikas 2017 nichts mehr im Wege.
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Wegen des riesigen Staudammprojekts am Oberlauf des Blauen Nils war das Verhältnis zwischen Äthiopien auf der einen und Ägypten und dem Sudan auf der anderen Seite über Jahre angespannt - und zwar seit Äthiopiens Regierung in Addis Abeba 2011 mit dem Bau des 4,2 Milliarden US-Dollar (3,8 Mrd. Euro) teuren Staudamms begonnen hatte.
„Historisches Abkommen“
Doch nun haben die drei Nil-Anrainerstaaten überraschend zu einer Einigung gefunden. Der Staudamm werde „zum Nutzen Äthiopiens sein, ohne den Interessen Ägyptens und des Sudan zu schaden“, betonte Ägyptens Präsident Abdel Fatah al-Sisi nach der Unterzeichnung des Grundsatzabkommens. Der Staudamm werde den drei Staaten „nicht schaden, insbesondere nicht dem ägyptischen Volk“, so Äthiopiens Regierungschef Hailemariam Desalegn. Alle Seiten vertrauten einander „im Interesse der Entwicklung"“, sprach Sudans Präsident Omar al-Baschir gar von einem „historischen Abkommen“.

Reuters/Tiksa Negeri
Seit 2011 läuft in Äthiopien der Bau des größten Wasserstaudamms Afrikas
Vor allem Ägyptens Kehrtwende kam recht überraschend, befürchtete das Land doch bisher, dass das Projekt die Wassermenge am Unterlauf des Nils verringern werde. Für das Kraftwerk soll der Nil laut Plan immerhin um einige hundert Meter verlegt werden. Ägypten sorgte sich deshalb um die Wasserversorgung seiner rund 90 Millionen Einwohner. „Das Land ist zu 98 Prozent vom Nil-Wasser abhängig“, sagte Ex-Präsident Mohammed Mursi vor knapp zwei Jahren.
Ägypten drohte sogar mit Krieg
Damals forderten mehrere ägyptische Parlamentarier sogar die Entsendung von Militäreinheiten beziehungsweise die Bewaffnung äthiopischer Rebellen, um das Dammprojekt so lange zu sabotieren, bis es eingestellt wird. Mursis Nachfolger, Sisi, sagte dazu: „Niemand in Ägypten will Krieg. Der Staudamm stellt ein wichtiges Entwicklungsprojekt für die Bürger Äthiopiens durch die Produktion von grüner und erneuerbarer Energie dar. Wir haben uns beim Abkommen darauf verständigt, dass die Wasserversorgung Ägyptens nicht gefährdet ist“, sagte Sisi.

APA/ORF.at
Äthiopien will Sorgen ernst nehmen
Laut den Verträgen, die aus der Kolonialzeit stammen, stehen Ägypten und dem Sudan rund 80 Prozent des Wassers aus dem Nil zu, der durch insgesamt elf Länder fließt. Desalegn hatte signalisiert, die bestehenden Rechte und Anteile am Nil-Wasser nicht verletzen zu wollen. „Wir nehmen die Sorgen und Ängste unserer Nachbarländer sehr ernst“, sagte Desalegn. Der Fluss soll für das Projekt nur geringfügig abgeleitet werden und ein paar Jahre nach der Fertigstellung wieder seinen natürlichen Lauf einnehmen, sagte Desalegn.
Zudem verständigten sich die drei Staaten bei der Unterzeichnung des Abkommens darauf, gemeinsam immer wieder Untersuchungen über die Auswirkungen des Damms auf den Wasserfluss durchführen zu lassen. Zudem bleibt das Vetorecht Ägyptens und des Sudan, wenn es um Projekte geht, die den Lauf des Flusses beeinträchtigen oder verändern könnten, aufrecht. Äthiopien hatte vor einem Jahr angedacht, dieses Vetorecht zu ändern.
„Keine negativen Auswirkungen auf Wasseranteile“
Laut Desalegn wird Ägypten nicht Gefahr laufen, durch das Projekt 20 bis 30 Prozent seines Anteils am Nil-Wasser zu verlieren. Weiters soll auch der ägyptische Assuan-Staudamm durch das Projekt nicht weniger Strom produzieren als bisher. „Der Grand-Renaissance-Damm wird sich keineswegs negativ auf den Wasseranteil Ägyptens auswirken“, sagte Desalegn.
Kraftwerk soll 6.000 Megawatt Strom produzieren
Das Kraftwerk entsteht in Benishangul-Gumuz, einer Region an der Grenze zum Sudan. Mit der milliardenschweren Investition will Äthiopien die eigene Wirtschaft ankurbeln und bis 2025 zum größten Stromexporteur Afrikas aufsteigen. Das Kraftwerk soll laut der ägyptischen Regierung 6.000 Megawatt Strom produzieren - so viel wie sechs Atomkraftwerke zusammen. Die Stromproduktion des Landes würde sich auf einen Schlag verdreifachen.
Das bei der Fertigstellung 2017 größte Wasserkraftwerk Afrikas soll ausschließlich von Äthiopien finanziert werden, auf finanzielle Hilfe aus dem Ausland will man gänzlich verzichten. Ein äußerst ambitioniertes Projekt für ein Land, dessen jährliches Bruttoinlandsprodukt (BIP) sich auf magere 280 Euro pro Kopf beläuft. Doch Äthiopien hofft, dank der Investitionen in grüne Energie den Sprung zu einem Mittelstandstaat zu schaffen.
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