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„Sprung über die Elbe“

Die Skepsis ist groß, wenn sich Hamburg für die Olympischen Spiele 2024 bewirbt. Die hohen Kosten dafür rechtfertigt die Stadt mit einer nachhaltigen Veränderung in der Elbmetropole. Als Zentrum des Großereignisses ist die Elbinsel Kleiner Grasbrook vorgesehen. Sie soll nicht nur den südlichen und östlichen Stadtteil verbinden, sondern selbst zu einem neuen Baustein der Hansestadt werden.

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Nach der gescheiterten Bewerbung für die Olympischen Spiele 2012 sind einige Projekte des damaligen Konzepts für das neue Modell übernommen worden. So auch die Elbinsel Kleiner Grasbrook. Als Zentrum der Spiele soll auf der Insel in der Elbe neben einem neuen Olympiastadion, in welchem 70.000 Zuseher Platz finden könnten, auch das Olympische Dorf, die Schwimmhalle und der Olympiapark entstehen.

Dabei könnte die Insel als „Sprung über die Elbe“ die Stadtteile Wilhelmsburg, Veddel und Hammerbrook verknüpfen. Das geplante Prestigeprojekt würde dabei nach den Olympischen Spielen auf unterschiedliche Weise genutzt werden.

Blick Hafencity Hamburg Richtung Süden

Gerald Heidegger/ORF.at

„Brown Field“-Entwicklung dank Olympia: Blick von der neuen Hafencity Richtung Kleiner Grasbrook

Heikle Frage der Nachnutzung

Das Olympische Dorf stünde nach den Spielen der Bevölkerung als Wohnraum zur Verfügung. Die gut 3.000 Wohnungen würden hierbei in Sozialbau, Eigentum und Mietwohnungen aufgeteilt werden. Eine geplante Olympiaschwimmhalle möchte man laut Konzept in ein Sport- und Erlebnisbad mit Wellnessbereich umfunktionieren. Aus der Olympiahalle sollte zusätzlich ein Kreuzfahrtterminal werden. Allein das Stadion würde zwar auf 20.000 Plätze reduziert, aber auch in seiner Nutzung bestehen bleiben. Hamburg besitzt bisher nur eine große Fußballarena, jedoch kein Leichtathletik-Stadion.

Mindestens 2,09 bis 2,17 Milliarden Euro müsste die Stadt Hamburg laut eigenen Angaben bei der Austragung von Olympischen Spielen investieren. Zu den Ausgaben würde noch Investitionen für die Infrastruktur in Form von Straße und Bahn kommen. Insgesamt sollen in Hamburg zu den 20 bestehenden Bauobjekten, die für die Veranstaltung oder permanent umgebaut werden, zehn Neubauten entstehen, von denen wiederum fünf nur für den Zeitraum der Spiele gebaut werden. Dazu zählen neben einem Beachvolleyballplatz auch Einrichtungen für das Sport- und Bogenschießen, den BMX-Rennsport und den Modernen Fünfkampf.

Stadtregierung in Erklärungsnöten

Die Stadtregierung beteuert, sämtliche Kosten transparent analysieren und berechnen zu wollen. Ziel ist es, die Wettbewerbe möglichst kompakt zu gestalten. So fände ein Großteil der Wettkämpfe innerhalb von zehn Quadratkilometern statt. Das soll die Wege für die Zuschauer und Athleten zwischen den einzelnen Veranstaltungsorten bzw. dem Olympischen Dorf verkürzen.

Als Hauptaufenthaltsort für die Besucher ist der Olympiapark vorgesehen. In diesem soll eine Begegnungszone für Athleten, Zuseher und Pressemitarbeiter eingerichtet werden. Auf einer Gesamtfläche von 390.000  Quadratmetern wird er laut den Organisatoren auch in seiner Nachnutzung als Erholungsraum im Grünen dienen. Als Vorbild diene dabei München, so die Organisatoren, wo man nach den Spielen 1972 den Olympiapark gut ins Stadtleben integrieren habe können.

Elbphilharmonie und Wohnbau

Gerald Heidegger/ORF.at

Für die neue Hafencity sollte die Elbphilharmonie Magnet für Investoren und Stadtentwicklung sein. Die dort entstandenen Wohnungen zielen freilich nur ins oberste Gesellschaftssegment

Suche nach ökologischen Argumenten

Neben dem Plan, die Olympischen Spiele in der Innenstadt zu verankern, versuchen die Organisatoren in ihrem Konzept auch mit ihrer ökologischen Bauweise zu punkten. Neben dem Lärmschutz soll die wassersparende und ressourcenschonende Bauweise die Popularität steigern. Zusätzlich möchte man ein nachhaltiges Entsorgungskonzept installieren. Maßnahmen wie ein „gläsernes Kraftwerk“ und ein Schiffshuttle über Alster und Elbe sollen dazu dienen, die Bevölkerung einzubinden.

Viele Hürden bis zum Olympischen Feuer

Bei einer Umfrage des Instituts Forsa hatten sich zuletzt 64 Prozent der Hamburger für Olympische Spiele ausgesprochen. Im September wird die Hamburger Bevölkerung über die Bewerbung abstimmen. Der Widerstand gegen das Großevent beginnt sich nun jedoch zu formieren. Die Initiative „(N)Olympia“ stößt sich an den hohen Kosten. Gelder, die ihrer Meinung nach besser investiert werden könnten.

Aber auch die Linke und die Piratenpartei sind gegen die Austragung von Olympischen Spielen. Mehmet Yildiz, Sportpolitik-Experte der Linken, betont: „Wir werden weiter daran arbeiten, dass dieses irrwitzige Großprojekt nicht zustande kommt.“

Außerdem befürchtet der Naturschutzbund Deutschland (NABU) durch die Bauten Schäden für die Natur in Hamburg. Vor allem kritisieren Experten, wie der deutsche Sportwissenschaftler Gunter Gebauer, dass das Konzept vage ist und neben dem Plan für die Elbinsel und Straßeninfrastruktur keine weiteren konkreten Maßnahmen nennt.

Konkurrenz durch andere Großbewerbungen

Sollte sich aber die Bevölkerung der Hansestadt trotzdem für eine Kandidatur entscheiden, müssten weitere Hürden genommen werden. So bewirbt sich Deutschland auch für die Austragung einer Fußballeuropameisterschaft 2024. Würde die Wahl dabei tatsächlich auf Deutschland fallen, wäre eine Bewerbung im Vorhinein gescheitert.

Aber auch die Konkurrenz scheint übermächtig. Mit Boston und Rom sind zwei weitere große Namen heiße Kandidaten für die Austragung der Spiele. Würde die Bewerbung von Hamburg für 2024 scheitern, möchte die Stadtregierung für eine Austragung 2028 ins Rennen gehen.

Entscheidet sich die Hamburger Bevölkerung gegen eine Kandidatur für die Olympischen Spiele, wäre das ein schwerer Schlag für die deutsche Sportpolitik. Nachdem 2013 die Bewerbung von München für die Winterspiele an einer Bürgerbefragung gescheitert ist, wäre das endgültig ein Zeichen dafür, dass die Olympischen Spiele in Deutschland nicht mehr mehrheitsfähig sind.

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