Unter falschem Namen im Hotel
„Was zur Hölle habe ich getan? Sie alle getötet, natürlich.“ Mit diesen Worten hat der US-Immobilienmillionär Robert Durst in einer TV-Doku nicht nur für großes Aufsehen gesorgt - der exzentrische 71-Jährige sitzt mittlerweile wegen Mordverdachts in Haft.
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Wie US-Medien mit Verweis auf Polizeiquellen berichten, wurde Durst bereits am Samstag und damit am Tag vor der Ausstrahlung seines wohl unbeabsichtigten Geständnisses in einem Hotel in New Orleans verhaftet. Durst steht allerdings nicht zum ersten Mal unter Mordverdacht - es handelt sich vielmehr um den letzten Höhepunkt eines schlagzeilenträchtigen Lebens.

APA/AP/Orleans Parish Sheriff's Office
Durst nach seiner Festnahme in New Orleans
Freundin vor Polizeibefragung ermordet
Durst wird den Berichten zufolge unter anderem des Mordes an seiner Freundin Susan Berman verdächtigt. Diese war im Jahr 2000 in Los Angeles erschossen worden, einen Tag bevor die Polizei sie zu dem mysteriösen Verschwinden von Dursts Ehefrau im Jahr 1982 befragen wollte. Die Polizei hatte den Multimillionär damals im Verdacht, für das Verschwinden seiner Frau verantwortlich zu sein, doch wies dieser stets jede Verwicklung in den Fall zurück.
Berman wurde Polizeiberichten zufolge regelrecht hingerichtet. Kolportiert wurde damals aber auch, dass Berman nicht nur über die Hintergründe des Verschwindens von Dursts Frau Bescheid wusste, sondern bei der geplanten Befragung durch die Polizei Durst schwer belasten hätte können.
Ein weiterer mysteriöser Todesfall brachte Durst schließlich im Jahr 2003 erneut in die Schlagzeilen. Durst wurde damals wegen des Mordes an einem 71-jährigen Nachbarn in Texas angeklagt, dessen Leiche zwei Jahre zuvor gefunden worden war. Durst gestand, den Mann getötet, zerstückelt und in Müllsäcken ins Meer geworfen zu haben - er berief sich aber auf Notwehr und wurde von den Geschworenen freigesprochen.
Verhängnisvoller Toilettengang
Der Sender HBO nahm die mysteriösen Todesfälle rund um den Spross einer Familie wohlhabender Immobilienbesitzer schließlich zum Anlass für eine sechsteilige Dokumentation mit dem Titel: „The Jinx: The Life and Deaths of Robert Durst“ („Der Unglücksbringer: Das Leben und die Toten des Robert Durst“). Bei den Dreharbeiten zur letzten Folge merkte Durst nach einem längerem Interview offensichtlich nicht, dass sein Mikrofon beim Gang zur Toilette weiter eingeschaltet war und somit auch sein offenbar im Selbstgespräch gemachtes Eingeständnis, „alle getötet“ zu haben, aufgenommen wurde.
Regisseur Andrew Jarecki war eigenen Angaben zufolge lange Zeit gar nicht bewusst, dass der „stärkste Moment“ seiner sechsteiligen Doku ausgerechnet zustande kam, als die Hauptfigur zur Toilette ging - auf das mögliche Geständnis sei man Jarecki zufolge erst drei Tage nach dem Dreh aufmerksam geworden. „Ich saß in dem Schnittraum mit einem Kollegen, und wir haben einfach nur unsere Köpfe geschüttelt. Es hat eine Weile gedauert, wirklich die Bedeutung zu verstehen“, so Jarecki, demzufolge unmittelbar danach auch die Behörden informiert wurden. Laut „Los Angeles Times“ soll Jareckis Doku bei Dursts Festnahme dann auch eine tragende Rolle gespielt haben.
In einem ersten Schritt soll ein Gericht in New Orleans entscheiden, ob Durst an die Justiz im Bundesstaat Kalifornien überstellt wird. Laut „Wall Street Journal“ („WJS“) wurde das abgelehnt, da zunächst geprüft werden müsse, ob gegen Durst auch Delikte in New Orleans vorliegen. Douglas Durst, Chef des Immobilienimperiums der Familie, zeigte sich dennoch „erleichtert“ über die Festnahme seines Bruders. „Wir hoffen, dass er endlich zur Rechenschaft gezogen wird für alles, was er getan hat.“
Seit zehn Jahren Unschuld beteuert
Dursts Anwalt Chip Lewis stellte unterdessen den Vorwurf in den Raum, dass die Festnahme seines Mandanten mit der Ausstrahlung des letzten Dokuteils „orchestriert“ worden sei. Die Festnahme sei das Resultat neuer Ermittlungserkenntnisse und stehe im direkten Zusammenhang mit dem Tod von Dursts Freundin Berman, verlautete unterdessen vom Los Angeles Police Departement. Ermittler des FBI gingen laut Informationen des Senders ABC zudem davon aus, dass Durst fliehen wollte.
In dem Hotel in New Orleans habe er unter falschem Namen eingecheckt und sei mit falschen Papieren gereist. Lewis wies auch diese Vorwürfe strikt zurück und kündigte gegenüber der „Washington Post“ eine harte Verteidigung an: Durst habe Lewis zufolge bereits zehn Jahren lang seine Unschuld beteuert, daran habe sich „nichts geändert“.
Einer der skurrilsten US-Justizfälle
Lewis spricht damit die mittlerweile seit Jahrzehnten andauernden Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden in einem der wohl skurrilsten Justizfälle der USA an. Nachdem er mit einer hohen zweistelligen Millionenabfindung Anfang der 90er Jahre aus dem Immobilienimperium seiner Familie gedrängt wurde, setzte sich Durst etwa nach Texas ab. Ungeachtet seines Millionenerbes lebte er unter der Identität einer stummen Frau in einer Billigabsteige - dem Ort, an dem er schließlich seinen Nachbarn zerstückelte.
Mysteriös muten zudem die Zusammenhänge an, welche Dursts Verhaftung rund um den Mord an seinem Nachbarn begleiteten. Obwohl sich mehrere zehntausend Dollar in bar in seinem Auto befanden, wurde Durst beim Diebstahl eines Sandwiches geschnappt. Für Verwunderung sorgt auch jener handschriftliche Hinweis, der zum Fundort von Bermans Leiche in Los Angeles führte. Die fehlerhafte Bezeichnung „Beverley Hills“ fand sich neben dem anonymen Schreiben in beinahe identer Schrift auch in einem persönlichen Brief Dursts - die Spur wurde von den Ermittlern offenbar dennoch nicht weiterverfolgt.
Aber die Zweifel an Dursts Unschuld wachsen - und mit seinen Aussagen in der Dokumentarserie könnte er sich wohl endgültig selbst hinter Gitter gebracht haben, auch wenn Justizexperten darüber uneins sind, ob sie vor Gericht als Beweis zugelassen werden. Geht es nach der Staatsanwältin Jeanine Pirro, haben die „Jinx“-Produzenten „das getan, was die Justizbehörden dreier Bundesstaaten in 30 Jahren nicht geschafft haben“.
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