Dutzende Verletzte, brennende Barrikaden
In der Innenstadt der deutschen Metropole Frankfurt haben einander Polizei und Demonstranten anlässlich der Eröffnung der neuen EZB-Zentrale am Mittwoch Straßenschlachten geliefert. Die Polizei nahm rund 550 „Randalierer“ und „Straftäter“ fest. Die Sicherheitskräfte setzten Wasserwerfer ein und räumten brennende Barrikaden. Polizei und Feuerwehr berichteten über Steinwürfe auf Beamte und Einsatzfahrzeuge.
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Acht Polizisten seien dadurch verletzt worden, etwa 80 weitere durch Reizgas oder ätzende Flüssigkeiten. Sieben Polizeiautos seien in Brand gesetzt, weitere sieben Wagen und ein Feuerwehrauto durch Steinwürfe oder Stiche in die Reifen beschädigt worden. Über dem Arbeiterviertel Ostend, wo die neue, 185 Meter hohe Zentrale der Europäischen Zentralbank (EZB) direkt am Main steht, kreisten Hubschrauber.

Reuters/Kai Pfaffenbach
Die Polizei hinderte Aktivisten daran, zum EZB-Gebäude (im Hintergrund) vorzudringen
Schulen geschlossen, Verkehr kam zum Erliegen
Permanent waren Sirenen zu hören. Kindergärten und Schulen in der Gegend blieben geschlossen, die Stadtautobahn war gesperrt, Straßenbahn- und Busverkehr eingeschränkt. Justizminister Heiko Maas (SPD) kritisierte die Randalierer und warf ihnen einen Missbrauch des Demonstrationsrechts vor. „Gewalt gegen Polizei oder Feuerwehr ist durch nichts gerechtfertigt“, sagte Maas. Jeder habe das Recht, Einrichtungen wie die EZB zu kritisieren. „Aber pure Randale überschreitet alle Grenzen im politischen Meinungskampf.“
„Haben uns den Tag anders vorgestellt“
Die Organisatoren des Protests von der Bewegung Blockupy distanzierten sich von der Gewalt. „Wir haben uns den Tag anders vorgestellt“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Reuters. Die militanten Proteste stellten die friedlichen Demonstrationen in den Schatten. Sie seien „nicht Teil des Occupy-Konsenses“. Zugleich warf die Sprecherin der Polizei vor, gewaltsam mit Pfefferspray und Tränengas gegen friedliche Demonstranten vorzugehen.

APA/EPA/www.mainhattan-webcam.de
Rauchschwaden über Frankfurt
Vermummte ziehen durch Straßen zum EZB-Gebäude
Das Areal um das EZB-Hochhaus war ebenso wie die nächstgelegene Main-Brücke weiträumig abgesperrt. Ein großes Aufgebot von Polizisten, teils zu Pferd, hinderte Demonstranten daran, sich dem türkisblau schimmernden Gebäude zu nähern. Dennoch gelang es einigen Teilnehmern der Proteste nach Angaben der Polizei, die Absperrung zu überwinden. Einigen Aktivisten gelang es schließlich, an der Außenfront des Hochhauses nach oben zu klettern, um Transparente anzubringen.
Gruppen Vermummter zogen durch die angrenzenden Straßen und kippten Mistkübel und ein parkendes Auto um. Journalisten wurden in der Früh in Kleinbussen mit Polizeieskorte zu dem Hochhaus gefahren, das EZB-Chef Mario Draghi am Vormittag eröffnete.

APA/AP/Michael Probst
Auch Polizeiautos wurden in Brand gesteckt
Die Notenbank feierte in kleinem Rahmen mit gut 100 geladenen Gästen. In seiner vorab verbreiteten Eröffnungsrede ging Draghi auch auf die Demonstranten und die vielen unzufriedenen Menschen im Euro-Raum ein, die in den vergangenen Krisenjahren Einkommen und Wohlstand verloren hätten.
„Im Fokus der Frustrierten“
Als eine Institution der EU, die eine zentrale Rolle in der Krise gespielt hat, sei die EZB in den „Fokus der Frustrierten“ geraten, so Draghi laut Redetext. „Möglicherweise ist dieser Vorwurf nicht fair. Denn unser Handeln zielt genau darauf ab, die wirtschaftlichen Schocks abzufedern“, so Draghi. Das Gebäude sei „ein Symbol für das Beste, was Europa gemeinsam erreichen kann“, so Draghi weiter.
„Ich gehe davon aus, dass wir auch diejenigen mitnehmen können, die sich ausgeschlossen fühlen, einschließlich viele der Protestierenden, die in Frankfurt diese Woche zusammengekommen sind“, sagte der EZB-Präsident. Draghi setzt dabei auf die weitere Integration in Europa. Das habe den Europäern bereits über drei Generationen viele Vorzüge gebracht.

APA/dpa/Marius Becker
Kapitalismuskritik in Parolenform
Der Bau des Hochhauses, in dem zu normalen Zeiten 2.600 Menschen arbeiten, hatte 1,3 Milliarden Euro gekostet. Am Mittwoch wirkte der Turm jedoch leer, da am Eröffnungstag bis auf einige hundert Beschäftigte die meisten Angestellten von zu Hause aus arbeiteten.
„Es gibt nichts zu feiern“
Für die Demonstranten der Bewegung Blockupy ist die neue EZB-Zentrale das Symbol einer völlig verfehlten Krisenpolitik in den südlichen Euro-Ländern. Sie werfen der EZB vor, mit ihrer Politik die Armen immer ärmer und die Reichen immer reicher zu machen. „Es gibt nichts zu feiern an Sparpolitik und Verarmung!“, heißt es im Protestaufruf der Bewegung. Die Zahl der Demonstranten schätzte Blockupy auf mehrere tausend. Ihnen standen mehrere tausend Polizisten aus ganz Deutschland gegenüber. Die Stimmung der Demonstranten sei „wie erwartet aggressiv“, erklärte eine Polizeisprecherin. Die Zahl der Teilnehmer liege im oberen dreistelligen Bereich.
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