Genaue Regelung notwendig
Telearbeit ist in Österreich im Steigen begriffen. Wer die Anreise ins Büro scheut oder hofft, so die Kinderbetreuung besser organisieren zu können, ist leicht dazu verleitet, seine Arbeit zu Hause erledigen zu wollen. Die flexiblere Arbeitszeitgestaltung hat aber auch Schattenseiten und gehört laut Experten genau geregelt.
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Es gibt keine aktuellen Zahlen, wie viele Österreicher tatsächlich regelmäßig von zu Hause aus arbeiten, doch die Nachfrage steige ständig, hieß es von Firmen und Experten auf Nachfrage gegenüber ORF.at. Vor der Jahrtausendwende wurde Telearbeit als die beste Möglichkeit, Familie und Beruf zu vereinen, breit propagiert, doch die Nachfrage war gering. Gerade Anfang der 2000-er Jahre habe es mehr Studien zum Thema Telearbeit gegeben als Telearbeit selbst, sagen viele Firmen, doch dann sei das Thema eingeschlafen - bis vor wenigen Jahren.
Vertrauensverhältnis wichtig
Der Wunsch nach Telearbeit komme meist von den Arbeitnehmern, heißt es aus der Wirtschaftskammer (WKÖ), oft mit dem Ziel, so die Kinderbetreuung besser organisieren zu können. Bedingung für Telearbeit sei allerdings, dass diese überhaupt möglich ist, also die eigentliche Arbeit auch tatsächlich papierlos organisierbar ist und die Arbeitnehmer von außen auch ausreichend Zugang etwa zum Mail-System und zu Daten haben. Sollten wichtige oder besonders schützenswerte Dokumente für die tägliche Arbeit notwendig sein, untersagen viele Firmen zumindest für diese Bereiche Telearbeit aber auch komplett, zum Beispiel Banken.
Wichtig sei weiters ein entsprechendes Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitergeber und Arbeitnehmer, so Christa Schweng von der Sozialpolitischen Abteilung der WKÖ. Manche Arbeitnehmer würden Kontrolle brauchen, manche Chefs könnten Kontrolle wiederum nur schwer aufgeben. Es sei auch nicht jeder Arbeitnehmer für Telearbeit geeignet, es brauche dafür eine gute Selbstorganisation, Kenntnis der eigenen Grenzen und das Wissen darum, was machbar ist - und was nicht. Telearbeiter hätten zwar sehr wohl mehr Freiheiten, aber damit müsse man auch umgehen können.
Hürden bei der Kommunikation
Eine Gefahr ist zudem, dass Telearbeiter den Anschluss in der Firma verlieren und zu Hause in die Isolation geraten, weil etwa der schnelle Austausch in der Kaffeeküche fehlt. Dem könne man am besten mit alternierendem Arbeiten zu Hause und in der Firma begegnen, sagen die Experten. Hewlett Packard (HP), Vorreiter in Sachen Telearbeit in Österreich, habe mittlerweile das Problem, dass die Mitarbeiter zu viel außer Haus seien, sagt HP-Personalchefin Birgit Aichholzer. „Es hat überhandgenommen, wir hätten unsere Leute gerne mehr im Büro.“
Die Mitarbeiter würden ihre Freiräume sehr schätzen, aber der Austausch und die Mitarbeit an der Firmenkultur seien ebenfalls wichtig. Derzeit werde versucht, die Mitarbeiter wieder in die Firma zu „locken“. „Wir neigen dazu zu fragen, ob Flexibilität alles ist“, so Aichholzer. Grundsätzlich stehe HP hinter Telearbeit, Voraussetzung dafür seien aber mündige Mitarbeiter, mündige Chefs und vor allem eine offene Kommunikation.
Zufriedenheit statt Kostenersparnis
Eine echte Kostenersparnis durch Telearbeit, indem zum Beispiel weniger Bürofläche für die Mitarbeiter bereitgestellt werden muss, gibt es offenbar nur in wenigen Fällen. Mitunter gibt es sogar Zusatzkosten, weil etwa Büros nicht eingespart wurden und Kosten für Notebooks und Smartphones zusätzlich übernommen werden. Kostenersparnis sei auch nicht die Hauptantriebfeder der Arbeitgeber, sondern die Zufriedenheit der Mitarbeiter, sagt Aichholzer. „Die Frage ist, was passt zum Unternehmen und wie positioniert man sich am Arbeitsmarkt“, um Mitarbeiter für sich zu gewinnen.
Fragen der Haftung und Kosten genau regeln
Es spreche nichts gegen Telearbeit, sagt Claudia Kral-Bast von der Gewerkschaft GPA-djp, man dürfe aber nicht der Illusion erliegen, dass damit die Kinderbetreuung erledigt sei, weil Arbeit und Kinderbetreuung meist nicht gleichzeitig möglich seien. Wichtig bei Telearbeit sei, dass entscheidende Punkte wie Haftungsfragen und die Übernahme der Kosten für Geräte und Internetanschluss ordentlich geregelt seien. Viele Mitarbeiter würden ihre eigenen Geräte zur Verfügung stellen, weil diese oft auch aktueller und schneller seien - bei etwaigen Problemen, etwa wenn das Gerät im Arbeitseinsatz kaputtgeht oder das Internet ausfällt, gebe es dann aber oft keine Lösung.
Warnung vor „entgrenzter Arbeit“
Auch die Arbeitszeit und die Erreichbarkeit der Mitarbeiter gehöre bei aller Flexibilität in einer Betriebsvereinbarung und im jeweiligen Arbeitsvertrag ganz genau geregelt. Gefährlich bei der Telearbeit sei die Tendenz zur „entgrenzten Arbeit“, so Kral-Bast. Gerade durch Smartphones, die mittlerweile rund die Hälfte aller Angestellten hätten, seien viele Mitarbeiter jederzeit und überall erreichbar, würden jüngste Studien belegen. Pausen gehörten ebenfalls genau geregelt, schließlich gelte die Obsorgepflicht des Arbeitgebers auch für Mitarbeiter außerhalb des Büros.
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