Blick auf Präsidentschaftswahl 2017
Kurz vor der ersten Runde der Kommunalwahlen am Sonntag in Frankreich liegen die Nerven blank. Umfragen zufolge könnte die rechtsextreme Front National (FN) wie schon bei der Europawahl 2014 stärkste politische Kraft werden. Die Partei von Marine Le Pen liefert laut den letzten Umfragen vor der Wahl der konservativen Union pour un Mouvement Populaire (UMP) ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
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Beide Parteien liegen bei rund 30 Prozent - mit einem leichten Vorsprung der FN. Für die regierende Parti Socialiste (PS) unter Präsident Francois Hollande werden nur etwa 20 Prozent prognostiziert. Eine hohe Wahlbeteiligung wird nicht erwartet, doch das Ergebnis kann große innenpolitische Wellen schlagen. Denn schneidet die FN bei den Kommunalwahlen gut ab, könnte das auch Le Pens Position vor den Präsidentschaftswahlen 2017 stärken. Entsprechend nervös ist auch die politische Elite.
Ablehnung der FN eint Linke
Die sozialistische Regierung malte bereits Angstszenarien für die Elysee-Wahl in zwei Jahren. Es könne durchaus sein, dass die Front National 2017 gewinne, warnte etwa Frankreichs Ministerpräsident Manuel Valls: „Ich habe Angst um mein Land. Ich habe Angst, dass es zerschellt gegen die Front National.“ Nach Umfragen dürfte es Marine Le Pen aus jetziger Sicht bei Präsidentschaftswahlen sicher in die Stichwahl schaffen.

AP/Lionel Cironneau
Marine Le Pen verursacht Nervosität bei Valls (li.) und Sarkozy
Innenminister Bernard Cazeneuve warf der FN vor, Frankreich spalten zu wollen: „Wir haben Gegner vor uns, die die Republik nicht lieben (...).“ Die FN säe „Spaltung, Hass“. Den Sozialisten helfe die vereinte Ablehnung der FN, um die Linke zusammenzuhalten, analysiert „Le Monde“. Zudem würde dadurch eine Debatte über die wirtschaftliche und soziale Regierungsbilanz vermieden.
Dilemma für Sarkozy
Während die Sozialisten der FN einen harten Kampf ankündigten, ist die konservative Opposition unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy in ihrem Zugang zu den Rechten gespalten. Die UMP bezeichnete Valls nach seiner Panikmache als einen „Feuerwehrmann als Brandstifter“, der den Zulauf zur FN nur noch mehr stärke. Aber auch für Sarkozy gilt die FN als Hauptfeind.
Doch viele ehemalige UMP-Wähler wechselten in das Lager der Rechtsextremen. Sarkozy drohte jedem UMP-Kandidaten, der ein Bündnis mit der FN eingeht, mit einem sofortigen Parteiausschluss. Doch mehr als 40 Prozent der UMP-Anhänger wünschen sich laut einer Umfrage solche Vereinbarungen. Auch für Sarkozy steht bei diesen Kommunalwahlen viel auf dem Spiel, ist sie doch ein wichtiger Test für eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2017.
Abgeschwächt in zweiter Runde?
Beobachter gehen davon aus, dass sich für die zweite Runde am 29. März vor allem Kandidaten der FN und der UMP durchsetzen werden. Aufgrund des französischen Mehrheitswahlsystems könnten die Konservativen von der Schwäche der Sozialisten profitieren. Das wiederum würde wahrscheinlich das Ergebnis der FN verschlechtern, da linke Wähler der ersten Runde dann nicht für die Rechtsextremen stimmen werden.
In kaum einem der rund 100 Departements hat die FN eine realistische Chance auf eine Mehrheit. Doch einen Fortschritt hat die rechte Partei dennoch erreicht. Hatte sie in der Vergangenheit immer Schwierigkeiten in ganz Frankreich ausreichend Kandidaten aufzustellen, stellt sie nun in fast allen der 2.054 Kantone insgesamt mehr als 7.500 rechtsextreme Kandidaten. „Mehr als je zuvor sind wir Frankreichs stärkste Partei“, freute sich Le Pen schon im Vorfeld.
Jahrelang falsche Diagnose gestellt
Dabei gehe es immer weniger um eine reine Protestwahl gegen die etablierten Parteien, sondern um eine Zustimmung zur Politik der FN wie etwa den Anti-Europa-Kurs und die Ausländerfeindlichkeit, so Experten. Über Jahre sei die falsche Diagnose gestellt, seien Rechtsextreme kleingeredet worden, kritisierte die Politologin Virginie Marin vom französischen Think Tank Different (TTD) im AFP-Interview. Weder die Entzauberung der Rechten durch Übernahme politischer Verantwortung noch Ignoranz wirkten, so Experten. Denn wie Umfragen zeigen, sind Gemeinden mit Bürgermeistern der FN mit ihren Ortschefs großteils zufrieden.
Auch durch den weniger radikalen Anstrich, den Marine Le Pen ihrer Partei verpasste, „konnte sich die FN festsetzen“, analysiert der Rechtsextremismusforscher Michael Minkenberg. Le Pen und damit die Rechten sind für viele bürgerliche Wähler wählbar geworden. Umso gefährlicher sind die rassistischen und antisemitischen Sprüche einiger FN-Kandidaten, die auch in diesem Wahlkampf wieder gefallen sind, für das von Le Pen angestrebte Image.
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