Schwierige Regierungsbildung zu erwarten
Zum Auftakt der Parlamentswahl in Israel haben am Dienstag landesweit mehr als 10.300 Wahllokale geöffnet. Knapp 5,9 Millionen Wahlberechtigte sind aufgerufen, die aus 120 Mitgliedern bestehende Knesset in Jerusalem neu zusammenzusetzen. Erste Prognosen werden unmittelbar nach der Schließung der Wahllokale erwartet.
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Als sicher galt bereits vor der Wahl ein Kopf-an-Kopf-Rennen des amtierenden Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und seiner Likud-Partei mit seinem Herausforderer Jizchak Herzog. In letzten Umfragen konnte das Mitte-links-Bündnis von Herzog seinen Vorsprung als stärkste Fraktion leicht ausbauen. Es käme auf 24 bis 26 der insgesamt 120 Sitze in der Knesset. Der konservative Likud Netanjahus wäre mit 20 bis 22 Sitzen auf dem zweiten Platz. Dennoch rechnen Beobachter damit, dass eine Regierungsbildung für Herzogs Zionistische Union weitaus schwieriger werden könnte als für Netanjahu.

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Herzog oder Netanjahu - auf diese Frage spitzte sich die Wahl am Ende zu
Selbst wenn sich die jüngsten Umfragen bewahrheiten, ist eine Regierung unter Herzog nicht gesichert. Zwar würde Staatspräsident Reuven Rivlin in diesem Fall üblicherweise Herzog als Chef der stärksten Fraktion mit der Regierungsbildung beauftragen. Ob Herzog es jedoch schaffen kann, eine Koalition zu bilden, ist noch fraglich. Den letzten Zahlen zufolge war das rechte Lager, aus dem Netanjahu seine Koalitionspartner schöpfen könnte, noch immer in der Übermacht.
Netanjahu: „Keine Einheitsregierung“
Netanjahu gab seine Stimme bereits kurz nach Öffnung der Wahllokale in einer Schule in Jerusalem ab. Er bekräftigte, dass er nicht zur Bildung einer Großen Koalition bereit sei. „Es wird keine Einheitsregierung mit der Arbeitspartei geben“, sagte er. „Ich werde eine nationalistische Regierung bilden.“ Staatspräsident Rivlin hatte im Vorfeld der Wahl angedeutet, dass er eine Regierung aus Zionistischer Union und Likud anregen werde, sollte es keinen klaren Wahlsieger geben.

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Netanjahu gab seine Stimme gleich in der Früh ab
Offenbar als Anreiz für rechte Wähler sprach sich Netanjahu am Montag in einem Interview gegen die Gründung eines Palästinenserstaates aus. Es werde keinen Palästinenserstaat geben, solange er Regierungschef sei, sagte Netanjahu der Nachrichtenseite NRG. In der Vergangenheit hatte Netanjahu grundsätzlich seine Zustimmung zur Gründung eines entmilitarisierten Palästinenserstaates bekundet.
Livni will auf Amt der Ministerpräsidentin verzichten
Um Herzogs Koalitionschancen zu verbessern, erklärte sich Zipi Livni am Montagabend bereit, im Falle eines Wahlsieges auf das Amt der Ministerpräsidentin zu verzichten. Ursprünglich hatte Livni mit Herzog eine Rotation nach der Hälfte der Amtszeit abgesprochen.
Ausschlaggebend für die Koalition könnten Mosche Kachlon und seine neuen Partei Kulanu sein. Sie ist etwas rechts der politischen Mitte angesiedelt. Netanjahu ging in seinem Werben um Kachlon so weit, dem zentristischen Politiker schon vor der Wahl öffentlich das von diesem angestrebte Amt des Finanzministers zu versprechen. Kachlon, der sich vom Likud abgespalten hat, ging auf Netanjahus Angebot nicht ein.
Wahl parallel zu Iran-Verhandlungen
Die Wahl gilt vielen als Referendum über die Regierungszeit Netanjahus, der seit 2009 im Amt ist. Er baute in seiner Kampagne ausschließlich auf das Thema Sicherheit, insbesondere die Bedrohung durch das iranische Atomprogramm. Dass quasi während der Wahl die USA mit dem Iran die Atomverhandlungen weiterführen, macht den Urnengang noch spannender.
Das Verhältnis Netanjahus zur Regierung von US-Präsident Barack Obama war zuletzt auf einen neuen Tiefpunkt gesunken. Am Montag gab es bei den Atomverhandlungen weitere Fortschritte. „In einigen Punkten sind wir einer Einigung näher gekommen“, sagte der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif nach fünfstündigen Gesprächen mit seinem US-Kollegen John Kerry in Lausanne in der Schweiz. Details wollte er nicht nennen. „Wir haben noch bis Freitag Zeit und dann wissen wir alle mehr“, sagte Sarif iranischen Medien.
25 Parteien und Listen auf Wahlzettel
Die Zionistische Union sprach sich vor der Wahl vor allem für eine Friedensregelung mit den Palästinensern aus und forderte mehr soziale Gerechtigkeit in Israel. Die Neuwahlen waren notwendig geworden, nachdem Netanjahus Mitte-rechts-Koalition Ende vergangenen Jahres nach weniger als zwei Jahren im Amt auseinandergebrochen war. Insgesamt treten 25 Parteien und Listen an, mehr als die Hälfte davon werden aber voraussichtlich an der Sperrklausel von 3,25 Prozent scheitern. Das neue Parlament soll am 31. März vereidigt werden.
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