Führte IS-Aufstieg zum Umdenken?
Trotz der scharfen Kritik an Baschar al-Assad werden die USA nach Ansicht von Außenminister John Kerry mit dem syrischen Präsidenten verhandeln müssen. Man suche nach Möglichkeiten, den Druck auf den Machthaber zu erhöhen, um ihn zu Gesprächen über einen politischen Übergang in Syrien zu zwingen, sagte Kerry am Sonntag in einem Interview des Fernsehsenders CBS.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
„Wir arbeiten zusammen mit anderen interessierten Parteien sehr hart daran zu sehen, ob wir (Bemühungen um, Anm.) ein diplomatisches Ergebnis wiederbeleben können“, sagte Kerry im ägyptischen Scharm al-Scheich weiter. Es herrsche breite Übereinstimmung darüber, dass „es keine militärische Lösung gibt. Es gibt nur eine politische Lösung“. Den üblichen US-Standpunkt, wonach Assad keine Legitimität mehr besitzt und zurücktreten muss, wiederholte Kerry nicht.
„Jeder zu politischem Ergebnis entschlossen“
„Letztlich müssen wir verhandeln.“ Um Assad dazu zu bringen, „werden wir ihm klarmachen müssen, dass jeder entschlossen ist, dieses politische Ergebnis zu erreichen“. Dieser Prozess sei im Gange, so Kerry, „und ich bin überzeugt, dass es gemeinsam mit den Bemühungen unserer Verbündeten und anderer einen erhöhten Druck auf Assad geben wird“.
Über die Art des von ihm erwähnten Drucks äußerte sich der Minister nicht. Er nannte auch keine Staaten beim Namen, die nach seinen Angaben an den Bemühungen um eine politische Lösung beteiligt sind. Die USA seien dazu im Rahmen der Genfer Friedensgespräche immer bereit gewesen. Offenbar hat der rasante Aufstieg der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak zu einem Umdenken geführt.
Brennan: „Wollen keinen Marsch auf Damaskus“
Zuletzt hatte bereits Geheimdienstchef John Brennan erklärt, dass die USA nicht den Sturz der Assad-Regierung beabsichtigen. „Niemand von uns - Russland, die Vereinigten Staaten, die Koalition gegen den IS, die Staaten in der Region - will einen Zusammenbruch der Regierung und der politischen Institutionen in Damaskus“, sagte er.
Brennan sprach am Freitag in New York beim renommierten Institut Council on Foreign Relations. Niemand wolle, dass die Dschihadistenmiliz IS oder Al-Kaida „auf Damaskus marschieren“. Deshalb sei es wichtig, die gemäßigte syrische Opposition zu unterstützen, sagte Brennan. Die internationale Gemeinschaft setze bei einer Lösung des syrischen Bürgerkriegs auf eine „repräsentative Regierung“, die auf die Herausforderungen im ganzen Land zu antworten versuche.
Großbritannien hält an dem Ziel fest, Assad von der Macht zu verdrängen. „Assad hat keinen Platz in Syriens Zukunft“, sagte eine Sprecherin des Außenministeriums am Sonntag in London. Sie verwies auf eine Äußerung des Außenministers Philip Hammond von vergangener Woche. Dieser habe gesagt, London werde an den Sanktionen gegen die Regierung Assad festhalten, bis diese „ihre Haltung ändert, die Gewalt beendet und echte Verhandlungen mit der Opposition beginnt“.
Vierter Jahrestag des Aufstands
Westliche Staaten fordern schon lange den Rücktritt Assads. Inzwischen gibt es aber mit dem IS einen gemeinsamen Gegner. So bombardieren die USA immer wieder IS-Ziele in dem Bürgerkriegsland und könnten damit indirekt auch den Regierungstruppen helfen. Die sunnitischen Extremisten haben weite Teile Syriens eingenommen, wollen die Regierung in Damaskus stürzen und haben über die Grenze zum Irak hinweg ein Kalifat ausgerufen.
Das Datum des Verhandlungsangebots der USA an Assad ist jedenfalls ein besonderes: Vier Jahre ist der Beginn des Aufstandes gegen die Assad-Regierung in Syrien jetzt her. Am 15. März 2011 hatten Demonstranten in der Hauptstadt Damaskus mehr Freiheiten gefordert, Sicherheitskräfte gingen damals mit Gewalt gegen die Proteste vor. Inzwischen hat sich daraus einer der blutigsten Konflikte der jüngeren Geschichte entwickelt - mindestens 220.000 Menschen kamen seither ums Leben.
„Eine der schlimmsten Tragödien“
„Das ist eine der schlimmsten Tragödien, die wir je auf dem Planeten gesehen haben“, sagte Kerry am Sonntag. Große Teile im Norden und Osten Syriens stehen heute unter der Kontrolle des IS. Er beherrscht auch weite Teile des Nachbarstaates Irak. Nach Schätzungen des US-Geheimdienstes CIA kämpfen inzwischen rund 20.000 Kämpfer aus 90 Ländern für den IS. Mehrere tausend seien aus westlichen Ländern angereist, sagte CIA-Direktor Brennan zuletzt.
Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen steht die Assad-Regierung der Terrormiliz in nichts nach. Seit dem Ausbruch des Aufstands seien fast 13.000 Menschen in Gefängnissen des Regimes zu Tode gefoltert worden, erklärte die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London in einem Bericht vom Freitag. Hinzu kämen mehr als 20.000 Menschen, die in den Gefängnissen der Sicherheitskräfte verschwunden seien.
Links: