Anti-IS-Milizen brauchen aber Verstärkung
Die irakische Anti-IS-Koalition hat die vollständige Rückeroberung der wichtigen Stadt Tikrit von der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bis spätestens Dienstag angekündigt. Es werde „nicht mehr als 72 Stunden“ dauern, um die IS-Kämpfer aus Tikrit zu vertreiben, sagte ein Kommandant der Badr-Miliz und Sprecher der Volksmobilisierungseinheiten am Samstag der Nachrichtenagentur AFP.
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Bis zum Freitag war es Bagdads Truppen mit Unterstützung schiitischer Milizen und sunnitischer Stämme gelungen, die IS-Extremisten ins Zentrum Tikrits zurückzudrängen. Dort gebe es nunmehr noch 60 bis 70 IS-Kämpfer, sagte der Sprecher. Die Einheiten der Volksmobilisierung bestehen vorwiegend aus Freiwilligen, sie stellen das Gros der Anti-IS-Kämpfer.
20.000 Kämpfer an Offensive beteiligt
Die zahlenmäßig unterlegenen Islamisten versuchen, die Angreifer mit Sprengfallen, Scharfschützen und Selbstmordattentaten zu schwächen. Nach Angaben von Polizei und Armee wurden bei der Explosion einer Autobombe am Freitag sechs Soldaten getötet und elf weitere verletzt. Die Streitkräfte hatten ihre Offensive auf die nördlich von Bagdad gelegene Stadt vor knapp zwei Wochen gestartet, 20.000 Mann sind daran beteiligt.

AP/Khalid Mohammed
Die irakische Offensive in Tikrit ist bis dato der größte Einsatz gegen den IS
„Brauchen professionelle Kräfte und Soldaten“
Erst am Freitag hatte es auf Basis von Aussagen eines ranghohen irakischen Polizisten geheißen, dass die irakische Armee die Hälfte der Stadt unter ihrer Kontrolle habe: „Wir umzingeln die Angreifer im Stadtzentrum, aber wir rücken wegen der großen Zahl an Sprengfallen nur langsam voran.“ Zehntausend solcher Sprengvorrichtungen seien von den IS-Kämpfern in der Stadt verteilt worden. Die Armee griff die Stellungen der Dschihadisten unterdessen aus der Luft an.

APA/ORF.at
Trikrit liegt auf der Verbindung von Bagdad und Mossul
Aus Sicherheitskreisen verlautete jedoch zugleich, dass die irakische Offensive ins Stocken geraten sei. Die Soldaten und die Milizionäre warteten auf Verstärkung, verlautete am Samstag aus einem Kommandozentrum. „Wir brauchen professionelle Kräfte und Soldaten“, hieß es. Man benötige aber nur 1.000 oder 2.000 Mann. Bereits am Freitag war die Offensive in der Heimatstadt des früheren Machthabers Saddam Hussein unterbrochen worden.
Armee richtet sich auf Straßenkämpfe ein
IS-Kämpfer haben in vielen verlassenen Gebäuden Sprengfallen versteckt, Scharfschützen feuern auf die Soldaten. Die Armee richtet sich deswegen auf Straßenkämpfe ein. Der Chef der paramilitärischen Badr-Organisation, Hadi al-Amiri, betonte jedoch, dass es an einem Sieg in Tikrit keine Zweifel gebe. Die Kämpfer benötigten aber Zeit. „Wir haben es nicht eilig“, sagte Amiri dem Staatsfernsehen. Man gehe bei der Offensive nach Plan vor.

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Die IS-Kämpfer haben Tausende Sprengfallen im Stadtgebiet installiert
Am Freitag hatten die sunnitischen IS-Kämpfer in Tikrit noch immer einen Palast des früheren irakischen Machthabers Hussein sowie mindestens drei Stadtviertel unter ihrer Kontrolle. Einen Angriff irakischer Spezialeinheiten auf eine medizinische Hochschule im Süden der Stadt konnten die Aufständischen am Freitag abwehren. Dabei töteten sie drei Soldaten. Weitere sechs Menschen kamen ums Leben, als ein mit Sprengstoff beladener Geländewagen in einem Lager der Armee westlich von Tikrit explodierte.
„Test“ für Rückeroberung Mossuls
Die von schiitischen Milizen unterstützte Armee war am Mittwoch erstmals seit Beginn ihrer Offensive vor zwölf Tagen in Tikrit einmarschiert. Die Rückeroberung Tikrits ist der bisher größte Militäreinsatz gegen den IS, der im vergangenen Sommer weite Gebiete im Irak und im benachbarten Syrien unter seine Kontrolle bringen konnte und dort ein radikalislamisches „Kalifat“ ausgerufen hat. Die Tikrit-Offensive ist auch ein Test für die Rückeroberung Mossuls weiter im Norden. Das ist die größte Stadt, die der IS erobert hat.
Einsatz von Chemiewaffen durch IS?
Die Autonomieregierung der Kurden im Nordirak warf dem IS indes den Einsatz von Chemiewaffen vor. Der regionale Sicherheitsrat der halbautonomen Region in Erbil erklärte am Samstag, ihm lägen Beweise vor, dass die sunnitischen Extremisten im Jänner bei einem Selbstmordanschlag mit einem Auto gegen kurdische Peschmerga-Einheiten Chlorgas verwendet hätten.
In Proben aus dem Boden und von Kleidungsstücken sei Chlorgas nachgewiesen worden, erklärte der Sicherheitsrat am Samstag. Es war zunächst unmöglich, die Behauptung unabhängig zu überprüfen. Chlorgas wurde erstmals im Ersten Weltkrieg als Waffe eingesetzt. Inzwischen ist es durch die Chemiewaffenkonvention von 1997 verboten.
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