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Von der Grippe bis zur Palastrevolte

Seit Tagen ist der Sprecher von Russlands Staatschef Wladimir Putin, Dimitri Peskow, im Dauereinsatz. Er wird nicht müde zu betonen, dass es Putin gut gehe, er viele nicht öffentliche Termine habe und dass er eine Belohnung für die beste Medienente ausloben werde. Alle Bemühungen, die Spekulationen über Putins Verschwinden aus der Öffentlichkeit im Keim zu ersticken, scheiterten aber bisher.

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Am 5. März wurde Putin das letzte Mal in der Öffentlichkeit gesehen - bei einem Treffen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi. Vereinbarte Termine danach wurden abgesagt, etwa ein Besuch in Kasachstan, und ein Treffen mit Vertretern der abtrünnigen georgischen Provinz Südossetien zur Unterzeichnung eines Abkommens wurde verschoben, auch an einem Treffen des Inlandsgeheimdienstes FSB nahm Putin nicht teil.

Auch demonstrativ gezeigtes Bildmaterial gibt wenig Aufschluss über Putins Verbleib. Auf der Kreml-Homepage etwa wurde ein Bild von einem Treffen mit einem Gouverneur gezeigt, das am 11. März stattgefunden haben soll. Laut der russischen Zeitung „RBC“ fand dieses Treffen mit Putin aber bereits am 4. März statt. Ein am Freitag im russischen Staatsfernsehen ausgestrahltes Video zeigt Putin in seiner Residenz mit dem Vorsitzenden des obersten Gerichts, Wjatscheslaw Lebedew. Allerdings wurden auch diese Bilder nicht live aufgenommen, wie die „New York Times“ („NYT“) berichtete.

„Das ist nicht mehr lustig“

Putins Sprecher Peskow betont aber immer wieder, dass Putin „absolut“ gesund sei, es gebe „keinen Grund zur Sorge". Auf die Frage, ob Putin denn noch einen festen Händedruck habe, sagte Peskow lachend: „Er bricht dir die Hand.“ Dennoch kursieren vor allem im Internet die wildesten Theorien über Putins Verbleib: Er ist an Grippe erkrankt. Er erlitt einen Schlaganfall. Er ist tot und wurde im Geheimen begraben. Er ist auf Urlaub. Er wurde erneut Vater und reiste zu seiner angeblichen Geliebten, der Sportlerin Alina Kabayewa, in die Schweiz. Er ist im Kreml eingesperrt. „Diese Informationen entsprechen nicht der Wirklichkeit“, ließ Peskow jedes Mal wissen.

Dimitri Peskow, Sprecher des russischen Präsidenten Putin

Reuters/Maxim Shemetov

Dimitri Peskow muss Spekulationen über Putins Verbleib aus der Welt räumen

Einige Stimmen sprechen auch von einer Palastrevolte. Der ehemalige Putin-Berater Andrej Illarionow schrieb etwa in seinem Blog, dass Putin von Hardlinern gestürzt worden sei, unterstützt von der russisch-orthodoxen Kirche. Auch die Ermordung des Oppositionellen Boris Nemzow in der Nähe des Kreml vor wenigen Tagen könnte mit Putins Verschwinden zu tun haben, so einige Beobachter. Denn Nemzows Tod legte sonst selten sichtbare Spannungen unterschiedlicher Lager innerhalb von Putins Machtsystem offen. Reuters zitierte Nemzow-Vertraute, wonach dessen Ermordung von einer dieser Fraktionen verwendet werde, um Putin eine deutliche Botschaft zu senden, dass sie unzufrieden seien.

Peskow wies auch diese Umsturz- und Machtkampftheorien zurück. Zuletzt zeigte er sich in seiner Reaktion aber deutlich, dass seine Geduld überstrapaziert ist: „Wir haben das alles schon hundertmal gesagt. Das ist nicht mehr lustig.“ Trotz aller Dementis herrscht Unruhe in Moskau. „Wenn ein russischer Führer stirbt, kann sich alles ändern - wir wissen nur nicht, ob es besser oder schlechter wird, üblicherweise wird es aber schlechter“, sagt ein russischer Journalist gegenüber der „NYT“.

„Prestige des Machtsystems“ zerstört

Im Jahr 2012 war in Russland schon einmal über Putins Gesundheit gerätselt worden, als er mehrere Auslandsreisen absagte und offensichtlich humpelte. Der Kreml erklärte damals, Putin habe Rückenprobleme wegen einer „älteren Verletzung“ an der Wirbelsäule. Diese hätten sich verschlimmert, als Putin versucht habe, in einem Leichtflugzeug eine Gruppe Kraniche zu begleiten. Das von Putin hochgehaltene Image als kräftiger, gesunder Führer Russlands könnte durch häufig öffentlich gemachte Zeichen körperlicher Schwäche leiden.

Das zerstöre das „Prestige des Machtsystems und das heilige Bild vom ‚Vater der Nation‘“, schrieb auch die russische Zeitung „Wedomosti“ und zeigte sich ebenfalls besorgt: „In Ländern mit stark auf eine Persönlichkeit ausgerichteten Systemen ist die Gesundheit des Staatsoberhaupts sogar noch wichtiger als der Preis des Öls oder anderer wichtiger Exportgüter.“ Wie es um Putin bestellt ist, könnte die Welt möglicherweise am Montag wissen. Dann wäre der nächste öffentliche Termin mit seinem kirgisischen Amtskollegen Almasbek Atambajew in St. Petersburg geplant.

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