Vom KGB direkt in den SBU
Der ukrainische Geheimdienst SBU kämpft im anhaltenden Konflikt mit Russland mit interner Korruption, Spionage und Sabotage. Schuld daran ist laut internationalen Geheimdienstexperten die viel zu lange Loyalität gegenüber Russland. So gingen viele ehemalige SBU-Mitglieder aus dem ehemaligen russischen Geheimdienst KGB hervor.
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Nicht nur deshalb sehen viele internationale Geheimdienstexperten Russland im anhaltenden Ukraine-Konflikt deutlich im Vorteil. „Der ukrainische Geheimdienst hat sich nie klar genug von Russland distanziert. Vielmehr hat man auf mehreren Ebenen kooperiert“, sagte ein britischer Geheimdienstmitarbeiter gegenüber „Foreign Affairs“ im Oktober letzten Jahres.
„Ukrainische Regierung kann niemandem mehr trauen“
Anfang 2014 sollen noch rund 30 Prozent der Mitarbeiter ehemalige Mitglieder des alten russischen Geheimdienstes KGB (heute FSB) gewesen sein. „Und nicht selten wurden russische FSB-Mitarbeiter in den letzten Jahren zu Übungen des SBU eingeladen“, behauptete der Geheimdienstmitarbeiter. Dieses Naheverhältnis - vor allem unter dem ukrainischen Ex-Präsidenten Viktor Janukowitsch - falle der Ukraine jetzt auf den Kopf. „Die ukrainische Regierung kann niemandem im eigenen Land mehr trauen“, so der Geheimdienstmitarbeiter. Die Probleme innerhalb des ukrainischen Geheimdienstes reichen zurück bis ins Jahr 1991, als die Ukraine ihre Unabhängigkeit erklärte.
Fehlende Geheimdienstreform nach Unabhängigkeit
Anders als in anderen früheren Staaten der ehemaligen Sowjetunion wurde damals in der Ukraine keine Reform des Geheimdienstes vollzogen. Viele Agenten des neu gegründeten SBU kamen direkt aus dem früheren russischen Geheimdienst KGB.
„In den ersten Tagen der Unabhängigkeit luden ukrainische Beamte in Kiew Geheimakte auf einen Lastwagen auf und fuhren diese an einen geheimen Ort, um sie vor dem Zugriff vor dem früheren KGB-Leiter zu schützen, der sie zurück nach Moskau gebracht hätte“, erinnerte sich Nicolai Malomuzh, der später den ukrainischen Auslandsgeheimdienst leiten sollte, kürzlich im „Wall Street Journal“.
Zusammenarbeit mit russischem Geheimdienst
Nichtsdestoweniger blieb die Zusammenarbeit zwischen dem russischen und dem ukrainischen Geheimdienst eng. „Wir waren uns näher als den Amerikanern oder den Engländern. Die Russen konnten den Telefonhörer in die Hand nehmen und alle Stellen anrufen. Es gab eine direkte Leitung“, erinnerte sich Vitali Naida, der dem SBU 1997 als Spionageabwehroffizier beitrat, unlängst im ukrainischen Fernsehen.
Korruption innerhalb des SBU verbreitete sich laut seinen Aussagen ab der Jahrtausendwende. In einem Fall wurde damals einem früheren SBU-Agenten nachgewiesen, über russische Vermittler Raketen an den Iran und China verkauft zu haben. Auch das Telefon des damaligen ukrainischen Präsidenten Leonid Kutschma soll jahrelang von einem Sicherheitsbeauftragten aus den eigenen Reihen abgehört worden sein.
Mysteriöse Vergiftung Juschtschenkos
Ein weiteres Kapitel von Sabotage und Korruption beinhaltete die Vergiftung des Ex-Präsidenten Viktor Juschtschenko im Jahr 2004, dessen Machtübernahme die Orange Revolution auslöste. Während des Wahlkampfes wurde Juschtschenko Dioxin verabreicht. Kurz vor seiner Erkrankung nahm er an einem Abendessen mit Ihor Smeschko, dem damaligen SBU-Chef, teil. Ukrainische Untersuchungsbeamte fanden in einem der Essen einen möglichen Bestandteil des Giftes. Smeschko, der von Juschtschenko nach seiner Ernennung zum Präsidenten gefeuert worden war, wurde dazu von Vertretern der Anklage befragt, verneinte aber, irgendetwas mit der Vergiftung, die bis heute ungelöst ist, zu tun gehabt zu haben.
Gescheiterte Loslösungen
Als Präsident versuchte Juschtschenko den SBU aus dem Einfluss der früheren Sowjetunion zu befreien und das Land Richtung Westen zu öffnen. Sein Ziel war, Geheimakte aus den Zeiten, als die Ukraine noch Teil der Sowjetunion war, zu öffnen und zu veröffentlichen.
Der Sonderbeauftragte von Juschtschenko Plänen war SBU-Chef Valentin Naliwajtschenko, der seit Anfang des Vorjahres das zweite Mal diesen Job innehat. Er sagte zum „Wall Street Journal“, dass das Bestreben, den SBU vom „sowjetischen Ballast“ zu befreien, „eine ganz wichtige Sache für die Gesellschaft und für den Geheimdienst selbst war“. Doch das Unternehmen scheiterte, als Juschtschenko selbst in Korruptionsfälle verstrickt war und 2010 die Wahl gegen Janukowitsch verlor.
Dieser trachtete danach, die Ukraine wieder Richtung Kreml auszurichten. Im Hauptquartier des SBU in Kiew gehörten russische Offiziere zum täglichen Erscheinungsbild. „Sie spazierten ganz einfach mit ihrer Ausrüstung, ihren Leuten und ihrer Mentalität herein. Es waren die goldenen Jahre des russischen Geheimdienstes in der Ukraine“, sagte Naliwajtschenko, der den SBU nach dem Machtwechsel verlassen hatte und der Opposition beigetreten war, gegenüber dem „Wall Street Journal“.
Moskautreue Linie unter Janukowitsch
Ein ehemaliger SBU-Offizier aus Odessa, der namentlich nicht genannt werden wollte, sagte Anfang Februar in einem Interview mit Reuters, dass Spionagemaßnahmen gegen Russland unter Janukowitsch absichtlich hintertrieben wurden. Der SBU fand damals zu seiner ursprünglichen Rolle zurück, nämlich oppositionelle Aktivisten auszuspionieren. „Sie hörten ihre Telefongespräche ab und beschatteten sie rund um die Uhr“, sagte der SBU-Offizier.
Janukowitschs Entscheidung, die Integration mit Europa fallenzulassen und stattdessen die euroasiatische Wirtschaftsunion mit dem Kreml voranzutreiben, führte Anfang 2014 zu Straßenprotesten, die schließlich seine Flucht aus dem Land zur Folge hatten. Viele SBU-Mitglieder folgten ihm nach.
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