Weitere Ermittlungen anhängig
Neun Stunden lang hat das oberste Gericht in Italien am Dienstag über das Urteil über Silvio Berlusconi beraten. Schließlich wurde der frühere italienische Regierungschef in letzter Instanz von den Vorwürfen in der Causa „Ruby“ freigesprochen.
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Das Kassationsgericht bestätigte damit am Dienstagabend das Urteil in letzter Instanz. Damit ist keine weitere Berufung mehr möglich. Der 78-Jährige war zuvor in zweiter Instanz freigesprochen worden, nachdem er in erster Instanz 2013 zu sieben Jahren Haft und einem lebenslangen Verbot, öffentliche Ämter zu bekleiden, verurteilt worden war.
Mit dem Urteil geht ein Prozess zu Ende, der 2012 begonnen und international für Aufsehen gesorgt hatte. Monatelang war der dreimalige Ministerpräsident wegen des „Bunga Bunga“-Skandals mit Callgirls in seiner Luxusresidenz im Rampenlicht gestanden. Im Prozess musste er sich den Vorwürfen des Amtsmissbrauchs und des Geschlechtsverkehrs mit einer Minderjährigen gegen Bezahlung verteidigen - Vorwürfe, die Berlusconi stets abgestritten hat.
Berlusconi will politisches Comeback
Der Ex-Premier zeigte sich nach dem Freispruch überglücklich. „Jetzt kann ich wieder voll in die Politik zurück“, wurde er in Medien zitiert. Berlusconi lobte das oberste Gericht, das ihn freigesprochen hatte. Die Mehrheit der Richter in Italien sei ausgewogen und ernsthaft, so der Medienunternehmer, der sich oft als Opfer von Verfolgungskampagnen seitens politisch beeinflusster Staatsanwälte erklärt hatte. Sein Freispruch werde sich positiv auf seine konservative Oppositionspartei Forza Italia auswirken. Von jetzt an könne er mit mehr Gelassenheit seinen politischen Weg fortsetzen.
Gericht: Berlusconi nahm nicht auf Polizei Einfluss
Nach neunstündigen Beratungen urteilte das Kassationsgericht, dass der Milliardär während seiner Amtszeit als Premier 2010 nicht seinen Einfluss auf die Polizei genutzt hatte, um die Freilassung der wegen Diebstahls festgenommenen minderjährigen Nachtklubtänzerin Karima El Marough alias „Ruby Herzensbrecherin“ aus dem Polizeigewahrsam zu erwirken. In Bezug auf den Vorwurf der Prostitution liege keine strafbare Handlung vor, urteilten die Richter. Berlusconi war vorgeworfen worden, für Sex mit „Ruby“ gezahlt zu haben, als diese noch unter 18 Jahre alt war.
Wusste er von Minderjährigkeit oder nicht?
Staatsanwalt Eduardo Scardaccione hatte erklärt, er halte es nicht für glaubwürdig, dass Berlusconi nichts von „Rubys“ Minderjährigkeit gewusst habe. Berlusconi selbst hatte die Vorwürfe stets bestritten. Sein Verteidiger Franco Coppi sagte, es gebe keinen Beweis dafür, dass Berlusconi von „Rubys“ Alter gewusst habe.
Die Anwälte Berlusconis feierten den Freispruch jedenfalls. Dieser sei unter anderem darauf zurückzuführen, dass Berlusconi das wahre Alter der minderjährigen Marokkanerin „Ruby“ nicht kannte, die in seiner Luxusresidenz in Arcore verkehrte, so Coppi. „Dieser Freispruch ist für uns ein großartiger Sieg, wir sind zufrieden. Es handelt sich um einen gut überlegten Beschluss, wie die neunstündige Richterberatung bezeugt“, sagte Coppi.
Ruf nach Entschädigung
Anhänger von Berlusconis Forza Italia fordern von der Justiz eine Entschädigung für den TV-Tycoon. „Wer entschädigt Berlusconi für die Leiden und die politischen Schäden in all diesen Jahren?“, fragte Forza-Italia-Senatorin Anna Maria Bernini.
„Berlusconis Freispruch bezeugt, dass der ganze ‚Ruby‘-Prozess eine Farce war, die von der Mailänder Staatsanwaltschaft inszeniert worden ist, um Berlusconi zu schaden“, sagte die Ex-Frauenministerin Stefania Prestigiacomo. „Berlusconis Freispruch ist eine tolle Nachricht. Sie entschädigt jedoch Berlusconi nicht für das, was er in all diesen Jahren gelitten hat. Dieser Prozess hätte nie beginnen sollen“, sagte der Sprecher der Forza Italia, Giovanni Toti.
Sozialdienst beendet
Erst am Freitag hatte Berlusconi seinen Sozialdienst in einem Mailänder Altersheim beendet. Diesen musste der Medienunternehmer seit Mai 2014 nach seiner Verurteilung wegen Steuerbetrugs ableisten. Dank einer Strafverkürzung von 45 Tagen wegen guter Führung konnte Berlusconi den Sozialdienst zehn Monate nach seinem Beginn beenden. Der 78-jährige Berlusconi rettete sich wegen seines Alters nach der rechtskräftigen Verurteilung im August 2013 vor dem Gefängnis.
Causa „Ruby“ noch nicht erledigt
Der Mitte-rechts-Politiker hat jedoch noch weiterhin Probleme mit der Justiz. Der „Ruby“-Skandal könnte ihm weiterhin Ärger machen. Der Fall ist für die Mailänder Staatsanwälte alles andere als geklärt. Derzeit laufen weitere Ermittlungen gegen ihn. Er wird von der Mailands Staatsanwaltschaft beschuldigt, mit hohen Beträgen das Schweigen von Gerichtszeugen im „Ruby“-Prozess erkauft zu haben. „Ruby“ soll in den vergangenen Monaten vom TV-Tycoon hohe Geldsummen kassiert haben. Laut den Ermittlern führt die 22-Jährige ein Leben, das mit ihren dem Steueramt gemeldeten Einkünften nicht finanzierbar ist, berichteten italienische Medien.
Die Berlusconi-Vertraute Nicole Minetti, die im vergangenen November zweitinstanzlich zu drei Jahren Haft verurteilt wurde, weil sie für den TV-Unternehmer Frauen „beschafft“ haben soll, streiche monatlich ein „Gehalt“ von 15.000 Euro vom Ex-Premier ein, stellten die Mailänder Ermittler fest. Minetti gilt als Schlüsselzeugin in der „Ruby“-Affäre. Nach Ansicht der Ermittler sollen Berlusconi und seine Anwälte systematisch die Zeugen im „Ruby“-Prozess bestochen haben. Die Ermittlungen stehen vor dem Abschluss, Berlusconi und den weiteren Verdächtigen könnte ein Prozess drohen.
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