Gleiche Ziele, ähnliche Brutalität
Die Terrormilizen Boko Haram und Islamischer Staat (IS) werden zur zunehmenden Bedrohung für die gesamte Region zwischen Westafrika und dem Irak - und das möglicherweise in einer neuen Allianz. Ob die tatsächlich halten könnte, ist fraglich. Sicher ist, sie würde gefährliche „Synergien“ mit sich bringen.
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Vor zwei Wochen hatte der Anführer der nigerianischen Boko Haram, Abubakar Shekau, dem selbst ernannten „Kalifen“ des IS, Abu Bakr al-Baghdadi, die Gefolgschaft versprochen. „Wir verkünden unsere Treue zum Kalifen der Muslime, Ibrahim bin Awad bin Ibrahim al-Husseini al-Kraschi (ein zweiter Name Baghdadis, Anm.)“, hieß es in einer Audiobotschaft, die als authentisch eingeschätzt wurde.
Baghdadi hatte sich Ende Juni vergangenen Jahres in der irakischen Großstadt Mossul zum „Kalifen“ aller Muslime erklärt - ein Anspruch, der von fast allen islamischen Geistlichen zurückgewiesen wird. Zugleich rief der Dschihadistenführer ein „Kalifat“ aus, das vorerst die Gebiete in Syrien und dem Irak unter der Kontrolle seiner Miliz umfasst. Unter seiner Führung hat sich die IS-Miliz zur wohl mächtigsten, reichsten und brutalsten Dschihadistengruppe der Welt entwickelt. Bereits mehrere Islamistengruppen in Afghanistan, Pakistan und Nordafrika haben sich mit dem selbst ernannten IS-„Kalifen“ verbündet. Unterschiedliche Ableger sind auch in Nordafrika, etwa Libyen, aktiv.
Vom „Paria“ zum wichtigsten Verbündeten?
Erste Einschätzungen über die neue Allianz des Terrors fielen am Wochenende unterschiedlich aus. Die US-Geheimdienste äußerten Zweifel daran, dass diese tatsächlich halten würde. Andere Experten halten das für sehr gut möglich - und äußerst gefährlich. Jacob Zenn, vom Forschungsinstitut Jamestown Foundation in Washington etwa sagte gegenüber dem US-TV-Sender CNN, ein Zusammenschluss wäre aus Sicht beider Seiten „sinnvoll“. Boko Haram würde Legitimität gewinnen, das wiederum würde der mittlerweile auch in den Nachbarländern Nigerias aktiven Gruppe bei Finanzierung, Rekrutierung und Logistik, und schließlich ihrer weiteren Expansion in Westafrika helfen.

EBU/Boku Haram
Boko-Haram-Anführer Shekau
Außerdem könne sich die radikalislamische Gruppe in Sachen „Medienkriegsführung und Propaganda“ den IS zum Vorbild nehmen. Früher sei Boko Haram so etwas wie ein „Paria in der globalen Dschihadistengemeinschaft“ gewesen. „Jetzt ist sie vielleicht der wesentlichste Verbündete des IS“, so Zenn, der sich wissenschaftlich mit Extremismus in Afrika befasst.
IS als „globales Kalifat“
Der IS würde auf der anderen Seite „mehr internationale Legitimation als globales Kalifat“ erhalten. Offiziell werde die Allianz tatsächlich aber erst, wenn sich auch ein Sprecher des IS - Zenn nannte gegenüber CNN den Namen des Syrers Abu Mohammed al-Adnani (tatsächlich Taha Subhi Falaha, Anm.) - dazu äußert. Shekau hatte schon im vergangenen Jahr dem IS seine „Unterstützung“ zugesichert.

APA/EPA/Furqan Media
Der selbst ernannte „Kalif“ Baghdadi
Tatsächlich genieße der Boko-Haram-Anführer aber bei den IS-Führern wenig bis kein Ansehen, lautet die Einschätzung von US-Geheimdienstexperten. Er werde als „niedrig“, auch aus rassistischen Gründen, gesehen, heißt es im CNN-Bericht vom Samstag. Außerdem habe er sich bisher eher gegenüber dem Terrornetzwerk Al-Kaida loyal gezeigt. Vom US-Auslandsgeheimdienst CIA heiße es dazu, Boko Haram sei möglicherweise „zu afrikanisch“ - beide Gruppen verfolgen zwar das gemeinsame extremistische Ziel und stehen einander hinsichtlich ihrer Brutalität in nichts nach, aber der Islam in (West-)Afrika unterscheidet sich allerdings sehr stark von der Auslegung des IS.
13.000 Tote auf dem Weg zum „Gottesstaat“
Boko Haram, was sich sinngemäß etwa mit „westliche Bildung ist Sünde“ übersetzen lässt, kämpft seit Jahren mit äußerst brutalen Mitteln für einen islamischen Gottesstaat im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Immer wieder greift die Gruppe säkulare Schulen an und brennt sie nieder. Seit 2009 töteten die Extremisten bei Anschlägen und Angriffen auf Polizei, Armee, Kirchen und Schulen etwa 13.000 Menschen.
In den vergangenen Monaten hatte Boko Haram ihre Aktivitäten auch auf andere Staaten ausgeweitet. Es wurden mehrfach Angriffe im Südosten des Niger und in Kamerun gestartet. Die Extremisten haben entlang der Grenze zu Kamerun und dem Tschad mittlerweile ein Gebiet von der Größe Belgiens erobert. Niger, Kamerun und der Tschad entsandten daraufhin Truppen in den Nachbarstaat, um den Vormarsch des Islamisten zu stoppen. Weltweit für Aufsehen hatten die Extremisten gesorgt, als sie im April vergangenen Jahres eine Schule überfallen und 276 Schülerinnen entführt hatten. Die meisten von ihnen werden noch immer vermisst.
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