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Fast jeder Zweite leidet unter Hunger

Sierra Leone ist neben Guinea und Liberia das am schwersten von Ebola betroffene Land. Fast 11.000 Menschen sind dort mit dem Virus infiziert, mehr als 3.300 Erkrankte in der westafrikanischen Nation starben bereits. Die Wirtschaft im Land ist deutlich geschwächt, Lebensmittellieferungen lindern die Probleme nur vorübergehend.

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Ein Grund für die Ausbreitung der Seuche Ebola in Sierra Leone ist der Hunger der Menschen, die immer wieder auf eigene Faust versuchen müssen, Nahrung zu beschaffen. „Ich bin mehrere Male aus der Quarantäne geflohen, weil ich etwas zu Essen brauchte“, berichtete laut Nachrichtenagentur Reuters ein junger Mann den Helfern der Hilfsorganisation Plan International Deutschland. „Ich wusste, dass das riskant ist. Aber seit es diese Lebensmittellieferungen gibt, kann ich endlich zu Hause bleiben.“

Kinder sind die Hauptleidenden

Fast jeder zweite Mensch in Sierra Leone leidet an Hunger, seitdem Ebola die Wirtschaft geschwächt hat. „Es bricht einem das Herz, Kinder, die ihre Eltern verloren haben, in Quarantäne zu sehen“, sagte Patrick Mahoi, der für die Hilfsorganisation Plan International arbeitet, diese Woche gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Allein das Äußere der Kinder verrate, wie schwach und bedürftig diese seien, hatte er festgestellt.

Meldet ein Haushalt einen Ebola-Fall, werden die Bewohner für mindestens 21 Tage - so lange dauert die offizielle Inkubationszeit - unter Quarantäne gestellt. Viele Häuser traf dieses Schicksal schon mehrfach. Mitunter sind die betroffenen Menschen dann über Wochen oder gar Monate von der Außenwelt abgeschnitten. Denn wer unter Quarantäne steht, kann weder zur Arbeit noch einkaufen gehen.

700 Haushalte unter Quarantäne

Erst kürzlich stellte das gerade einmal sechs Millionen Einwohner zählende Sierra Leone noch 700 Haushalte in der Hauptstadt unter Quarantäne. Zuvor hatte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) von einer Zunahme der Infektionen in der früheren britischen Kolonie berichtet.

Obwohl Sierra Leone eigentlich reich gesegnet ist mit Rohstoffen, hat ein jahrelanger Bürgerkrieg Wirtschaft und Infrastruktur schwer in Mitleidenschaft gezogen. Auf dem Human Development Index der Vereinten Nationen rangiert die kleine Nation gerade einmal an 183. Stelle von 195 Ländern. In kaum einem Land der Welt herrscht eine solch ausgeprägte Unterernährung, wie das Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ermittelte. Ebola hat das ohnehin schon arme Land nach Feststellung der Weltbank noch ärmer gemacht.

Große Probleme in der Landwirtschaft

Besonders betroffen ist dabei die Landwirtschaft. Die UNO-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) warnte bereits, die Produktion von Hauptnahrungsmitteln wie Reis könne in diesem Jahr um bis zu acht Prozent abnehmen. „Der Ausbruch hat die Anfälligkeit der gegenwärtigen Nahrungsmittelproduktion deutlich gemacht“, sagte der für Afrika zuständige FAO-Repräsentant Bukar Tijani.

Seit Mai vergangenen Jahres hat das Welternährungsprogramm mehr als 1,4 Millionen Sierraleoner mit Lebensmitteln versorgt, darunter in Behandlung befindliche Patienten oder auch ganze in Quarantäne sitzende Familien und entlassene Ebola-Patienten. Viele Organisationen haben sich an der Verteilung von Nahrung beteiligt.

Ziel: Ebola-Fälle bis Ende April auf null stellen

Die Regierung ist sich jedoch bewusst, dass das nur eine vorübergehende Lösung darstellt, denn Lebensmittellieferungen verringern die tiefgreifenden wirtschaftlichen Probleme nicht. „Wir müssen Maßnahmen ergreifen, um wirtschaftlichen und sozialen Aufschwung zu ermöglichen“, kündigte Präsident Ernest Bai Koroma bereits Ende Jänner im Staatsfernsehen an. Der erste Schritt sei daher eine Reduzierung der Ebola-Fälle bis Mitte April auf null, sagte Koroma. Doch welche Maßnahmen er zur Wiederankurbelung der Wirtschaft plant, das ließ der Präsident offen.

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