Tagelanges Verhör
Nach tagelangen Verhören zu dem Mord am russischen Oppositionspolitiker Boris Nemzow ist seine Freundin Anna Durizka nach Kiew ausgereist. Das 23-jährige Model gilt als Hauptzeugin in dem Mord. Sie war dabei, als Nemzow am späten Freitagabend auf einer Brücke in Kreml-Nähe mit vier Schüssen in den Rücken getötet wurde.
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Die ukrainischen Behörden bestätigten, dass Durizka in ihr Heimatland geflogen sei. Man habe ihr alle „nötige Unterstützung“ zukommen lassen, so ein Sprecher des Außenministeriums. Durizka behauptete, gegen ihren Willen von russischen Ermittlern festgehalten worden zu sein.
„Ich habe niemanden gesehen“
„Ich habe ihnen alles Mögliche erzählt“, so Durizka am Montag in einem TV-Interview. Sie selbst stehe unter Schock nach den Ereignissen, berichtete der „Guardian“ aus dem Interview. „Ich möchte keine Fragen zu dem beantworten, was auf der Brücke passiert ist. Ich will nicht darüber sprechen“, so Durizka. Sie sei in einem schwierigen psychischen Zustand. „Ich fühle mich schlecht ... Ich habe niemanden gesehen. Ich weiß nicht, woher er (der Attentäter, Anm.) gekommen ist, er war hinter meinem Rücken.“

AP/Ivan Sekretarev
Trauergäste nehmen Abschied von Nemzow
Trauernde standen stundenlang Schlange
Der ermordete Kreml-Kritiker wurde am Nachmittag beigesetzt. An der Beerdigung auf dem Trojekurowo-Friedhof im Westen der russischen Hauptstadt nahmen rund 600 Menschen teil, wie die Agentur Interfax berichtete. Angehörige und enge Weggefährten legten Kränze nieder. Neben der Familie waren auch Vertraute wie der Oppositionelle Michail Kassjanow anwesend. Auf dem Friedhof ist auch die 2006 ermordete Journalistin Anna Politkowskaja begraben.
Zuvor hatten Tausende Menschen bei einer ergreifenden Trauerfeier Abschied von Nemzow genommen. Bei winterlichem Wetter standen die Trauernden am Dienstag stundenlang vor dem Moskauer Sacharow-Zentrum Schlange, um dem 55-Jährigen die letzte Ehre zu erweisen. Ein buntes Meer aus Blumen umgab den mit weißem Stoff ausgelegten Sarg, der in dem Menschenrechtszentrum aufgebahrt war. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz.
„Ob er Gouverneur war oder Vizeregierungschef oder Oppositioneller, das hat nichts geändert. Auf jedem Posten blieb er Mensch - hell und aufrichtig“, sagte Naina Jelzina, die Witwe des russischen Ex-Präsidenten Boris Jelzin, über Nemzow. Dieser war 1997/1998 unter Jelzin stellvertretender Ministerpräsident.
Weder Putin noch Medwedew bei Begräbnis
Präsident Wladimir Putin blieb den Trauerfeierlichkeiten ebenso wie Ministerpräsident Dimitri Medwedew fern. Medwedew schickte die Vizeregierungschefs Arkadi Dworkowitsch und Sergej Prichodko. Unter den Trauernden waren zudem der zur Opposition übergelaufene frühere Ministerpräsident Kassjanow, Großbritanniens Ex-Premierminister John Major, US-Botschafter John Teft sowie mehrere weitere Politiker aus dem europäischen Ausland. Einigen ausländischen Trauergästen wurde jedoch die Einreise verweigert.
Kein Visum für polnischen Senatspräsidenten
Der polnische Senatspräsident Bogdan Borusewicz erhielt kein Visum für das Begräbnis. Der ehemalige Bürgerrechtler kritisierte die Entscheidung und warf Putin vor, das Land in Richtung Diktatur zu führen. „Das ist zweifellos ein autoritäres System, das auf eine Diktatur zugeht“, sagte er dem polnischen Fernsehsender TVN24. Nach Angaben einer Sprecherin der russischen Botschaft in Warschau steht Borusewicz auf der Liste der EU-Politiker, die wegen der gegen Russland verhängten Sanktionen nicht in das Land einreisen dürfen.
Außer dem polnischen Senatspräsidenten konnte auch die lettische EU-Abgeordnete Sandra Kalniete nicht am Begräbnis teilnehmen. Bei der Ankunft auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo sei ihr Diplomatenpass eingezogen und ihr die Einreise nach Russland verweigert worden, teilte die frühere lettische Außenministerin am Montagabend auf Facebook mit. Lettland und die Fraktion der Europäischen Volkspartei, die Kalniete bei der Beisetzung repräsentieren sollte, kritisierten die Entscheidung der russischen Behörden.
EU verurteilt „willkürliche“ Einreiseverbote
Die EU kritisierte die Einreiseverbote für europäische Politiker scharf. Die Entscheidungen Moskaus seien „ein klarer Bruch“ grundlegender Prinzipien, sagte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel. Es sei auch „nicht das erste Mal, dass wir solche Weigerungen aus offenbar willkürlichen Gründen sehen“. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz sprach von einem „Affront gegen die Beziehungen zwischen der EU und Russland und die Arbeit demokratischer Institutionen“.
Internationales Entsetzen über Mord
Der Mord an Nemzow hatte international für Entsetzen gesorgt. Die Bundesregierung fordert eine lückenlose Untersuchung. Putin sagte zu, alles für die Aufklärung des „zynischen Mordes“ zu tun. Zu einem Trauermarsch für den früheren Vizeregierungschef Nemzow waren am Sonntag Zehntausende Menschen gekommen.
Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko würdigte den ermordeten Oppositionellen unterdessen mit dem Freiheitsorden, der höchsten Auszeichnung seines Landes. „Für uns Ukrainer wird Boris für immer ein Patriot Russlands und Freund der Ukraine bleiben. Er zeigte mit seinem Leben, dass man das vereinen kann, man muss lediglich wollen“, sagte Poroschenko am Dienstag einer Mitteilung des Präsidialamts in Kiew zufolge. „Für unsere und eure Freiheit“ sei Nemzows Lebensdevise gewesen.
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