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„Kommt und besucht mal Barbapapa“

Die Geschichte der Barbapapas hat angeblich auf einer Serviette begonnen, die der damalige US-Junglehrer Talus Taylor für seine französische Freundin Annette Tison bekritzelt hat. Daraus wurden zehn Kinderbücher - und viele Ableger, die Kenner nicht in den Barbapapa-„Kanon“ aufnehmen. Zum globalen Phänomen wurde Barbapapa aber erst durch die Schubkraft des TV.

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Am Anfang der 70er Jahre kamen die richtigen Zutaten für die legendären „Betthupferl“-Geschichten der Familie mit ihren bunten, wandelbaren Birnengestalten zur richtigen Zeit am richtigen Ort zusammen. Die japanischen Animationszeichenstudios machten sich auf, den Weltmarkt zu erobern, und waren dafür auf der Suche nach Stoffen, die man auf der ganzen Welt verstehen konnte. Zugleich herrschte in den noch einigermaßen verknöcherten beginnenden 70ern noch Mangel an Geschichten, die auf der Höhe der Zeit waren.

Lindgren und dann lange nichts

Die 70er, das waren auch hierzulande im TV vor allem „Wir blättern im Bilderbuch“, reichlich langsam erzählte Kasperl-Geschichten und, so überhaupt vorhanden, „erzieherisch wertvolle“ Programme für Kinder. Aufgefüllt wurde das Ganze mit grauenhaft nachsynchronisierten Slapstick-Stummfilmklassikern. Die Kinderliteratur hatte zur gleichen Zeit im Gefolge des gesellschaftlichen Wandels ab 1968 die Nase vorn: Man denke etwa allein an die heimischen Autorinnen Mira Lobe, Vera Ferra-Mikura und Christine Nöstlinger.

Ebenso wie bei der Kinderliteratur - mit Astrid Lindgren als halbwegs einsamer Ausnahme - musste sich auch im TV erst die Erkenntnis durchsetzen, dass Kinder auch ein Recht auf für sie maßgeschneiderte Unterhaltung und Entspannung haben, dass sie mit ihrer eigenen Welt ihre ganz eigenen Probleme haben und sie auch sehr schnell und intuitiv mitbekommen, wenn ihnen über vermeintliches Entertainment eigentlich eingebläut werden soll, dass sie vor allem brav, ruhig und angepasst sein sollen. Die Barbapapas kamen den Kindern entgegen.

Jung + unerfahren = billig

Die wirtschaftliche Seite bildete den anderen Brückenkopf: Die japanisch-deutschen Koproduktionen widmeten sich damals aus Kostengründen vor allem Vorlagen, die schon einige Jahre auf dem Buckel hatten - und damit von Urheberrechtsabgaben befreit waren: Pinocchio, Heidi und die Biene Maja waren schon abgelegen genug, damit die Rechnung stimmte. Es brauchte aber eben auch frischen Wind - und da kamen Taylor, Tison und die Barbapapas gerade recht. Die Rechte an den Geschichten des jungen Paars waren billig zu haben.

Die Unerfahrenheit von Taylor und Tison führte etwa auch dazu, dass die Barbapapa-Bücher im deutschsprachigen Raum jahrzehntelang nicht zu haben waren. Sie hatten die Rechte daran an einen Verlag vergeben, der in Konkurs ging. Der Vertrag, den sich die beiden hatten aufschwatzen lassen, hielt auch die Barbapapas in entsprechender Geiselhaft. Erst ab 2006 konnten die Bücher mit 35-jähriger Verspätung zu den französischen Originalen und 30 Jahre nach der TV-Serie auch auf Deutsch Verbreitung finden.

Wenn fernschauende Kinder vorlesende Eltern werden

Dem Absatz der Bücher schadete der reichlich späte Start auf Deutsch nicht: Viele, die selbst nur die - im ORF erstmals am 2. Februar 1975 ausgestrahlte TV-Serie - kannten, kauften sie nun als Eltern für ihre Kinder. Den Titelsong („Kommt und besucht mal Barbapapa“) konnten in den meisten Fällen beide auswendig. Der Zauber des Originals war allerdings nicht zu wiederholen: Einer Fortsetzung der ursprünglichen Serie, in der die Barbapapas im Jahr 1999 verschiedene Länder und Naturwunder besuchen, war relativ geringer Erfolg beschieden.

Lukas Zimmer, ORF.at

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