„Noch nicht außer Verdacht“
Nach Hinweisen auf den Handel mit Maschinenpistolen in der islamistischen Szene hat die deutsche Polizei einen Terroranschlag in Bremen befürchtet und Alarm ausgelöst. Der Großeinsatz mit Festnahmen und Razzien zog sich über das Wochenende hin, erst nach 30 Stunden gab es vorläufig Entwarnung.
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„Diese Hinweise waren so konkret, dass wir einen Anschlag in Bremen nicht mehr ausschließen konnten“, sagte der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer am Sonntag. Waffen wurden nicht gefunden. Damit gab es bereits zum dritten Mal innerhalb von sechs Wochen eine Warnung vor Terrorgefahr in einer deutschen Großstadt. „Wir haben ein Sicherheitsnetz über Bremen ausgelegt“, hatte es vonseiten der Polizei am Wochenende geheißen.
39-Jähriger im Fokus
Im Zentrum der seit Herbst 2014 laufenden Ermittlungen steht ein 39 Jahre alter Libanese, der sich Maschinen- und Automatikpistolen zum Weiterverkauf beschafft haben soll. Der Verdächtige sowie ein weiterer Mann wurden vorübergehend festgenommen, später mangels Haftgründen jedoch wieder auf freien Fuß gesetzt. „Aber sie sind für uns noch nicht außer Verdacht“, sagte der Bremer Polizeipräsident Lutz Müller. „Die Lage hat sich etwas entschärft“, ergänzte Mäurer.

APA/dpa/Carmen Jaspersen
In der Nacht wurde ein islamisches Kulturzentrum durchsucht
Auslöser für die von der Polizei herausgegebene Warnung war der Hinweis einer Bundesbehörde vom Freitagabend. „Da sind alle Lampen auf Rot gegangen“, sagte Mäurer. Um welche Behörde es sich handelte, ließ er offen. Der Hinweis habe die Erkenntnisse der Bremer Ermittler bestätigt. Am Samstag verstärkte die Bremer Polizei dann ihre Präsenz in der Innenstadt. Die Beamten waren teils mit Maschinenpistolen ausgerüstet, bewacht wurde unter anderem eine Synagoge.
Razzia in islamischem Kulturzentrum
Später durchsuchten Spezialeinsatzkräfte ein islamisches Kulturzentrum, die Wohnung und den Arbeitsplatz des 39-Jährigen sowie weitere Wohnungen. Dabei wurden Datenträger gefunden, die nun ausgewertet werden. Polizeipräsident Müller sagte, die Polizeipräsenz in der Innenstadt habe auch potenzielle Attentäter abschrecken sollen. „Wir gehen davon aus, dass es eine Verunsicherung in der Gruppierung gegeben hat.“
Bremen war die dritte deutsche Großstadt, in der die Polizei vor einer Gefahr durch Extremisten warnte. Mitte Jänner waren in Dresden alle öffentlichen Versammlungen verboten worden, weil eine Bedrohung in Zusammenhang mit den Demonstrationen der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (PEGIDA) angenommen wurde. In Braunschweig wurde vor zwei Wochen der größte Faschingsumzug Norddeutschlands abgesagt. Die Polizei sprach damals von „einer konkreten Gefährdung durch einen Anschlag mit islamistischem Hintergrund“.
„Hohe Gefährdung für innere Sicherheit“
Das deutsche Innenministerium betonte am Sonntag, Deutschland stehe nach wie vor im Fokus des dschihadistischen Terrors. „Hieraus resultiert eine hohe Gefährdung für die innere Sicherheit, die jederzeit in Form von Anschlägen unterschiedlicher Dimensionen und Intensität real werden kann“, sagte ein Ministeriumssprecher der Deutschen Presse-Agentur.
Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) forderte, den Ernst der Lage nicht zu verkennen. „Die Politiker sollen aufhören, von einer abstrakten Terrorgefahr in Deutschland zu reden. Deutschland ist zweifelsohne im Visier der Terroristen. Die Terrorwarnungen werden immer häufiger und konkreter“, sagte der GdP-Bundesvorsitzende Oliver Malchow. „Die starke Präsenz der Polizei vor gefährdeten Objekten war notwendig, um in der Bevölkerung Panik oder Unruhe zu verhindern“, sagte der Vorsitzende der GdP, Rainer Wendt, gegenüber der „Welt“ zum Bremer Einsatz.
Radikale Islamistenszene in Bremen
Bremen gilt als eine Hochburg radikaler Islamisten. Nach Angaben von Mäurer wurden zuletzt rund 360 Salafisten vom Verfassungsschutz beobachtet. 19 Islamisten aus Bremen sind bereits nach Syrien gereist, um dort zu kämpfen, so die Erkenntnisse der Sicherheitsbehörden, und zwar in Begleitung von elf Kindern. Vier Dschihadisten sollen bereits wieder zurückgekehrt sein, zwei starben offenbar bei Kämpfen.
Die radikalen Salafisten verkehrten bisher hauptsächlich in zwei Vereinen. Im Visier der Behörden stand lange Zeit vor allem der Kultur- und Familienverein (KuF), der in Bremen-Gröpelingen eine Moschee betrieb. Fast alle der nach Syrien gereisten Islamisten sollen dort verkehrt haben. Der Verein stand im Verdacht, gezielt junge Menschen anzuwerben. Im Dezember 2014 wurde er von Innensenator Mäurer verboten.
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