Lehrstellenlücke gewachsen
Die Situation auf dem Arbeitsmarkt in Österreich bleibt weiter angespannt: Auch im Jänner stieg die Zahl jener, die keinen Job haben, an. Inklusive der AMS-Schulungsteilnehmer waren Ende Jänner 472.539 Personen auf Arbeitssuche, ein Anstieg von 5,1 Prozent. Nach nationaler Definition stieg die Arbeitslosenquote um 0,8 Prozentpunkte auf 10,5 Prozent, gab das Sozialministerium Anfang Jänner bekannt.
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.
Sehr stark zurückgegangen ist im Jänner die Zahl der Schulungsteilnehmer des Arbeitsmarktservice (AMS). Um fast 17 Prozent weniger nahmen an den Kursen teil. Besonders stark war der Rückgang mit 28,5 Prozent in Wien, geht aus den Daten des Sozialministeriums hervor.
Weniger, dafür längere Kurse im Angebot
Das AMS begründet den Einbruch bei den Schulungsteilnehmern mit einem Strategiewechsel: Es würden nun Kurse mit längerer Laufzeit angeboten, und bei gleichbleibendem AMS-Budget könnten dadurch weniger Arbeitslose in Schulungen geschickt werden, sagte AMS-Sprecherin Beate Sprenger.
Auch werden die oftmals kritisierten Bewerbungstrainings - vor allem in Wien - deutlich zurückgefahren. Außerdem steckt das AMS etwas mehr in Beschäftigungsprogramme, und damit sinken auch die Mittel für Kurse leicht. Das AMS-Budget für das Jahr 2015 liegt bei rund 1,14 Mrd. Euro und damit nahezu unverändert zum Vorjahr. Je mehr Schulungsteilnehmer es gibt, desto niedriger ist die Zahl der als arbeitslos gemeldeten Personen.

ORF.at
„Konjunktur weiterhin sehr, sehr schwach“
Ohne Schulungsteilnehmer waren im Jänner 406.239 Personen ohne Job, um 9,8 Prozent mehr als vor einem Jahr. Inklusive Schulungsteilnehmer betrug der Anstieg „nur“ noch 5,1 Prozent. AMS-Chef Johannes Kopf bezeichnete das als „absolut ernst zu nehmende Situation“. „Da sieht man schon, dass die Konjunktur weiterhin sehr, sehr schwach ist“, sagte Kopf im Ö1-Mittagsjournal des ORF-Radio. Sowohl für heuer als auch für nächstes Jahr sieht der Arbeitsmarktexperte keinen Rückgang bei den Arbeitslosen.
Wien am stärksten betroffen
Im Bundesländervergleich war der Anstieg der Arbeitslosen in Wien mit 19,1 Prozent am höchsten, was zur Hälfte durch die sinkenden Schulungsteilnahmen zu erklären sei, so das Sozialministerium - mehr dazu in oesterreich.ORF.at. Am geringsten stieg die Zahl der Arbeitslosen in Kärnten (plus 2,3 Prozent) und im Burgenland (plus 4,9 Prozent).
Eine Überraschung gab es auf dem Bausektor. Verglichen mit anderen Branchen stieg die Bauarbeitslosigkeit mit 2,6 Prozent unterdurchschnittlich, da der Winterbau gut laufe, erläutert das Ministerium. Auch die Beschäftigung auf dem Bau wächst. Nichtsdestoweniger trägt die Bauwirtschaft am meisten zur Gesamtarbeitslosigkeit bei. 18,5 Prozent aller Arbeitslosen waren vorher auf dem Bau beschäftigt.

ORF.at
Nach Branchen den mit 14,4 Prozent höchsten Anstieg der Arbeitslosen verzeichnete der Bereich Arbeitskräfteüberlassung (Leiharbeiter). Leicht überdurchschnittliche Zuwächse gab es im Handel (plus 10,3 Prozent) und im Tourismus (plus 9,9 Prozent).
Doppelt so viele Langzeitarbeitslose
Besonders benachteiligt auf dem Arbeitsmarkt waren erneut ältere Menschen ab 50 Jahren (plus 13,7 Prozent), Ausländer (plus 18,9 Prozent) und behinderte Personen (plus 16,3 Prozent). Die Zahl der Langzeitarbeitslosen (über zwölf Monate vorgemerkt) hat sich auf rund 20.200 Personen mehr als verdoppelt.
Bei älteren Arbeitssuchenden konnte aber dennoch ein Erfolg erzielt werden, so Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) in einer Aussendung. Die „deutlich verstärkten arbeitsmarktpolitischen Anstrengungen“ hätten dazu geführt, dass im Jänner 6.343 Personen (ein Plus von 544) von 50 und mehr Jahren aus AMS-Vormerkung wieder einen Arbeitsplatz gefunden hätten.
Mehr Lehrstellensuchende, mehr offene Lehrstellen
Die Jugendarbeitslosigkeit stieg um 5,2 Prozent, wobei es bei den 15- bis 19-Jährigen sogar einen Rückgang von 2,5 Prozent gab. Allerdings waren auch Ende Jänner um 8,4 Prozent mehr Lehrstellensuchende vorgemerkt. Dem stand ein Anstieg von 7,3 Prozent beim Bestand an gemeldeten offenen Lehrstellen gegenüber. Damit ist die Lehrstellenlücke um 284 auf 3.328 angestiegen. Während die Zahl der offenen Lehrstellen die der Lehrstellensuchenden in Salzburg und Tirol übersteigt, kommen in Wien im Schnitt 6,5 Lehrstellensuchende auf eine offene Stelle.
An zweiter Stelle hinter Deutschland
Im europäischen Vergleich steht Österreich nach wie vor gut da. Mit einer Arbeitslosenquote von 4,9 Prozent (nach Eurostat) hat Österreich nach Deutschland die zweitniedrigste Arbeitslosigkeit in der EU. Die höchste Quote mit 25,8 Prozent hat derzeit Griechenland, dahinter folgt Spanien (23,7 Prozent).
Insgesamt sind in Österreich 3,4 Millionen Menschen unselbstständig beschäftigt. Beim AMS gibt es derzeit fast 23.000 gemeldete offene Stellen, ein Plus von 5,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Ohne eine nachhaltige Belebung der Konjunktur und der daraus folgenden Nachfrage nach Arbeitskräften stößt auch die Arbeitsmarktpolitik an ihre Grenzen“, so Hundstorfer.
Kritik von FPÖ
Schelte hagelte es von der FPÖ für Hundstorfer. Dieser habe vor einem Jahr noch „großspurig“ davon gesprochen, dass er „zutiefst davon überzeugt“ sei, dass es im Jänner 2015 weniger Arbeitslose geben werde, erinnerte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl in einer Aussendung. Schon damals widersprach Hundstorfer damit Prognosen des AMS, wonach die Arbeitslosenzahl weiter auf 470.000 steigen wird.
Die Oppositionsparteien sowie unterschiedlichste Interessenvertreter von der Industriellenvereinigung (IV) über Wirtschaftskammer und ÖGB bis zum Pensionistenverband sehen nun die Regierung in der Pflicht, Impulse zu setzen, um die Rekordarbeitslosigkeit einzudämmen. Ganz oben auf der Forderungsliste stehen die Umsetzung der Steuerreform, eine Senkung der Lohnsteuer, Investitionen in Bildung und Wohnbau sowie ein Bonus-Malus-System für ältere Beschäftigte. Dabei geht es darum, dass Firmen, die zu wenig ältere Arbeitnehmer beschäftigen, Strafen zahlen, und jene einen Bonus bekommen, die genügend Ältere im Betrieb haben.
Links: