Verklärte Verehrung?
Mit „American Sniper“ hat Clint Eastwood einen US-amerikanischen Nerv getroffen. So genau, dass der Film in puncto Einspielergebnisse selbst am Super-Bowl-Wochenende noch neue Rekorde aufstellte. Das will etwas heißen, sind die Tage rund um das Football-Event doch traditionell für Hollywood eher uninteressant, weil sich dann kaum jemand vom Fernseher weg ins Kino locken lässt.
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Schon wenige Wochen nach dem US-Kinostart ist der Film jedenfalls zum erfolgreichsten Kriegsfilm aller Zeiten geworden. Das hat verschiedene Gründe: Zum einen lockt „American Sniper“ eben nicht nur das typische Waffen-Testosteron-und-Blut-Fanpublikum ins Kino, sondern auch jene, die sich von Clint Eastwood cineastische Qualität erwarten.
Vor allem aber, weil das Biopic über Chris Kyle, den „tödlichsten Sniper“ der US-Militärgeschichte, in einer offenen Wunde des Landes bohrt. Und damit einerseits mit dem „Krieg gegen den Terror“ ein an sich kontroversielles Thema aufgreift und andererseits auch noch in der Umsetzung extrem polarisiert.
Propaganda oder Heldenepos?
So steht „American Sniper“ für die einen für die (positiv besetzte) Heldenverehrung und Opferbereitschaft der amerikanischen Soldaten in den Kriegsgebieten von Afghanistan und dem Irak. Für die anderen verherrlicht der Film das Töten und ist ein ideologisch geladenes Propagandainstrument, das der Waffenlobby gerade recht kommen muss.
Die Kontroverse schaukelte sich dann quasi von alleine auf - und so wie kaum jemand umhinkam (gesehen oder ungesehen), eine Meinung zu „Fifty Shades of Grey“ zu haben, überboten sich die Kritiker und Kommentatoren aus Politik, Medien und Kultur mit Statements zu „American Sniper“. „Scharfschützen sind keine Helden“, twitterte Filmemacher Michael Moore. Der Film erinnere ihn an Nazi-Propaganda, wie man sie in Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ gesehen habe, schoss der Schauspieler Seth Rogen nach, der mit seiner Nordkorea-Satire „The Interview“ gerade erst wochenlang für Schlagzeilen gesorgt hatte.
Pathetisches von Sarah Palin
Dass andererseits etwa Sarah Palin für „American Sniper“ in die Presche springt, verwundert nicht unbedingt. „Während Ihr Eure glänzenden Plastiktrophäen streichelt und dabei auf die Gräber unserer Freiheitskämpfer spuckt, solltet Ihr wissen, dass der Rest Amerikas weiß, dass Ihr nie in die Fußstapfen von Chris Kyle passen werdet. Bringe der Film nichts als Segen über Taya (Kyles Frau, Anm.) und die Kinder dieses wahren amerikanischen Helden,“ schrieb sie auf Facebook an die liberale Hollywood-Elite gerichtet.
Genau diese Art der Argumentation war es, die Moore und Rogen einen ziemlich scharfen Gegenwind beschert hatte: Die amerikanischen Soldaten und Veteranen sind Helden, an deren Verdiensten um das Land man eher nicht rüttelt. Außer man hat Lust darauf, als Vaterlandsverräter dazustehen.
Moore und Rogen in Erklärungsnot
So verteidigte Moore sich dann auch recht schnell kleinlaut, er sei immer gegen den „sinnlosen“ Irak-Krieg gewesen, habe aber die US-Truppen immer unterstützt - „die tapferen jungen Frauen und Männer“. Und Rogen präzisierte seine Aussage dahingehend, dass ihm „American Sniper“ sehr gut gefallen habe, ihn aber eben an Tarantinos Film erinnert habe.
Positiv äußerte sich auch Michelle Obama während einer Rede vor Veteranen. Sie erklärte aber darin indirekt auch, warum sie sich in er Debatte pro und contra „American Sniper“ auf die Pro-Seite schlägt: Der Film sei wichtig, weil einem Großteil der Amerikaner ohne eine derartige emotionale Aufbereitung die Komplexität der Thematik schwer näher zu bringen sei.
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