„Affentheater“ mit Tradition
Nur rund dreieinhalb Wochen bleiben der Koalition bis zum angepeilten Beschlussdatum für die Steuerreform. Auch wegen anstehender Wahlen wollen SPÖ und ÖVP Resultate vorlegen, mit denen man bei den Bürgern punkten kann. Dass Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zuletzt Kompromissbereitschaft beim zentralen SPÖ-Thema der Vermögenssteuern andeutete, machte die Sache nicht unbedingt leichter.
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Häupl hatte die bisherige SPÖ-Forderung nach Vermögensbesteuerung mit der neuen Vorgabe einer „Vermögenszuwachsbesteuerung“ aufgebrochen. Im Ö1-Mittagsjournal präzisierte er am Samstag, dass er an eine Ausweitung etwa der Kapitalertragssteuer denke. Damit dabei nicht alle, sondern nur die Reichen betroffen sind, schlägt er „Untergrenzen“ beim Vermögen vor, bis zu denen die Steuer nicht anfällt. Auf die Frage, ob er auf diese Art auch Schenkungen und Erbschaften besteuern wolle, antwortete Häupl allerdings: „Ja, natürlich.“
Mitterlehner will sich „woanders treffen“
Laut offizieller SPÖ-Sprachregelung bedeutet Häupls Position keinen Kurswechsel. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hatte etwa am Freitag betont, seine Partei sei seit jeher „kompromissbereit“ gewesen. Dass die Wogen in der SPÖ nach dem Kompromissangebot hochgehen, ist aber offensichtlich. ÖGB-Chef Erich Foglar meldete Zweifel an der „Praktikabilität“ von Häupls Vorschlägen an, die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJÖ), Julia Herr, sprach überhaupt von einem „faulen großkoalitionären Kompromiss“.
Vor allem aber scheint die ÖVP derzeit im Hinblick auf Vermögen und Schenkungen zu keinem „großkoalitionären Kompromiss“, ob faul oder nicht, bereit: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erklärte zwar Samstagfrüh im Interview mit Ö1 seinerseits ebenso die obligatorische Kompromissbereitschaft, betonte aber zugleich: „Schenkungs- und Erbschaftssteuern sind klassische Substanzsteuern“, man bleibe hier beim Nein und müsse sich „woanders treffen“ - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Wie die Entlastung gegenfinanzieren?
Mitterlehner betonte allerdings seine Verhandlungsbereitschaft abseits der Öffentlichkeit: Es mache keinen Sinn, „sich medientechnisch auszutauschen“, die ÖVP sei um eine Einigung bemüht. Jedenfalls solle die Steuer- und Abgabenquote „deutlich nach unten“ gehen. Faymann hatte betont, es gehe darum, dass „mehr Netto vom Brutto bleibt“. Mit einer Diskussion über Erbschafts- und Schenkungssteuer ist die Suche nach einer Gegenfinanzierung für die erwünschte Entlastung allerdings auf einem der parteidogmatisch belastetsten Felder angekommen.
Am Samstag blieb der Konflikt im direkten Kontakt offenbar ausgespart: Es habe „gute, sehr intensive Gespräche“ gegeben, hieß es nach einer vierstündigen Verhandlungsrunde zur Steuerreform. Vermögenssteuern seien nicht „vorrangig“ Thema gewesen: Derartige Pläne stünden erst bei kommenden Treffen auf der Agenda.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hatte die alte Erbschaftssteuer im März 2007 aufgehoben. Die Schenkungssteuer folgte Ende Juni desselben Jahres. In beiden Fällen wurden die Steuerbestimmungen aufgehoben, weil ihre Bemessungsgrundlage dem Gleichheitsgrundsatz widersprach, da der Einheitswert als Kriterium für die Bemessung nicht den wirtschaftlichen Lebensrealitäten entsprach. In beiden Fällen erteilten die Höchstrichter der Politik den Auftrag, die Regelung bis 2008 in einer verfassungskonformen Variante wiederauferstehen zu lassen.
Wie die ÖVP noch 2007 argumentierte
Statt der Reparatur begann damals ein ideologischer Grabenkrieg zwischen SPÖ und ÖVP, der im Wesentlichen unverändert - und ohne einen Meter „Gebietsgewinn“ einer der beteiligten Seiten - bis heute andauert. Die Position der ÖVP damals war allerdings, dass man auf die Einnahmen aus der Erbschafts- und Schenkungssteuer ohnehin verzichten könne, weil ja schon bald die Finanztransaktionssteuer reichlich Einnahmen ins Budget spülen würde und diese dem Anspruch nach sozialer Gerechtigkeit Genüge tun würde.
Frage nach Kosten-Nutzen-Rechnung weiter offen
Auch aufseiten der SPÖ gab es vor acht Jahren schon Positionen, die weniger kategorisch schienen als die heutigen: Der Industrielle und frühere SPÖ-Finanzminister Hannes Androsch unterstrich damals etwa, dass Erbschafts- und Schenkungssteuern in der Realität ohnehin nie die oft beschworenen „Millionäre“ träfen, da diese ihr Vermögen in Stiftungen oder anderen Konstruktionen steuerschonend unterbrächten und an Nachfolger oder Käufer übergäben.
Die Erbschaftssteuer sei zur „Bagatellsteuer“ geworden, so Androsch damals. Bei einer allfälligen Wiederkehr mit Ausnahmen für „Häuslbauer, Klein- und Mittelbetriebe“ stelle sich überhaupt angesichts von Nutzen und bürokratischen Kosten die Frage, ob man sich „die Übung nicht überhaupt sparen“ sollte. Den schon damals heftigen Koalitionsstreit über das Thema verstand Androsch angesichts der diskutierten Zahlen nicht: „So ein Affentheater wegen 180 Mio. Euro Steuereinnahmen.“
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