Der triste Alltag in einem „sicheren Hafen“
Vor der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) geflüchtet, haben weit über eine Million Menschen in der Autonomen Region Kurdistan Unterschlupf gefunden. Obwohl die Dschihadisten schon gefährlich nahe gekommen sind, gilt die nordiraktische Region weiter als sicherer Hafen. Die vor dem IS Geflohenen wiegen sich somit weitgehend in Sicherheit - auf nicht absehbare Zeit bringt das Leben in den Flüchtlingslagern aber auch einen tristen Alltag.
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ORF.at/Peter Prantner
Allein im Flüchtlingscamp Kawergosk in der Provinz Erbil sind in 2.000 Zelten rund 10.000 Menschen untergebracht. Es handelt sich um das größte Flüchtlingslager dieser Art in den Kurdengebieten des Nordirak.

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Die Bewohner des Camps sind größtenteils bereits vor Monaten aus Syrien in den Nordirak geflohen. Viele der Kawergosk-Bewohner stammen aus den kurdischen Gebieten des Nachbarlandes - unter anderem aus der im Kampf gegen IS vollständig zerstörten Stadt Kobane.

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Die Bewohner des von den kurdischen Peschmerga bewachten Camps können sich außerhalb des Lagers weitgehend frei bewegen. Der Alltags spielt sich aber in der von seinen Bewohnern größtenteils selbst organisierten Zeltstadt ab.

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Mit Genehmigung der Lagerverantwortlichen wurden etliche Geschäfte, Imbisse und sonstige Dienstleistungsangebote wie Friseurläden eröffnet. Angewiesen sind die Flüchtlinge aber auf die Unterstützung der zuständigen, mit der kurdischen Regionalregierung kooperierenden Hilfsorganisationen. Diese kümmern sich um die Versorgung mit dem Lebensnotwendigsten und um die grundlegende Infrastruktur wie Zeltunterkünfte, Wasser- und Stromversorgung.

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Nach und nach wird auch ein Schulsystem aufgebaut. Neben den in Betrieb befindlichen Primärschulen soll es nach Angaben der Caritas-Österreich-Partnerorganisation Un Ponte Pe (UPP) schon bald auch Bildungsangebote für ältere Kinder geben.

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Abseits einer medizinischen Grundversorgung wird von den Hilfsorganisationen die psychosoziale Betreuung groß geschrieben. Was die fehlenden Ressourcen betrifft, mangels es aber selbst an Mitteln für ein funktionierendes Abwassersystem.

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Kawergosk ist nur eine von vielen Flüchtlingsunterkünfen. Neben Zeltlagern wurden allein in und um die Hauptstadt der nordirakischen Kurdenregion und der gleichnamigen Provinz Erbil auch Hunderte Häuser und Rohbauten für die rund 1,6 Millionen im Land befindlichen Flüchtlinge zur Verfügung gestellt.

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Zu versorgen gilt es nicht nur aus Syrien Geflohene - mit rund 900.000 stellen vielmehr Binnenflüchtlinge den Großteil der in den Kurdengebieten gestrandeten Menschen. Viele davon sind Angehörige der von IS besonders vehement verfolgten religiösen und ethnischen Minderheiten.

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Etliche davon wurden vor ihrer Flucht Zeugen des IS-Terrors. Diese jesidische Frau teilt sich mit zwei weiteren Familien einen kaum heizbaren Rohbau in einem Vorort von Erbil - und auch das Schicksal, dass die erwachsenen männlichen Familienangehörigen allesamt von IS getötet bzw. verschleppt wurden.

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Die Flüchtlingsproblematik ist in der Stadt Erbil auch omnipräsent. Selbst das im Bau befindliche Einkaufszentrum Ankawa-Mall wurde in ein Flüchtlingscamp umgewandelt.

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1.600 Menschen leben dort auf engstem Raum. Und auch hier gilt das Motto, dass sich die Bewohner - so weit möglich - selbst organisieren sollen.

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Abwechslung bietet das selbst geführte SOS-Cafe. Zudem gibt es in der Ankawa-Mall von den Flüchtlingen selbst geführte Geschäfte. Dazu kommen von den Hilfsorganisationen gestelltes Sicherheitspersonal, Ärzte und sonstige Betreuer.

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Die Ankawa-Mall erscheint gut organisiert - es fehlt aber nicht nur an ausreichend finanzieller Unterstützung, sondern die Perspektive auf ein normales Leben. Dazu kommt die fehlende Aussicht auf Arbeit und ein Kampf gegen Langeweile.

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Wann und ob die Flüchtlinge wieder an eine Rückkehr denken können, wollte bei einem ORF.at-Lokalaugenschein niemand einschätzen - dasselbe gelte aber auch für die Frage, ob das für Lebensmittel notwendige Budget noch im März ausreichen wird.

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Abseits davon gibt es für die im Nordirak Gestrandeten ohnehin keine Alternativen. Mit „sie sind die Einzigen, die sich um uns kümmern“ bringt ein Betroffener gegenüber ORF.at aber auch große Dankbarkeit gegenüber dem Gastgeberland zum Ausdruck. Von den Peschmergas vor IS geschützt, fühlen sich viele in den Kurdengebieten somit auch willkommen.
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