Athen muss Reformziele vorlegen
Griechenland und die übrigen 18 Euro-Länder haben sich im Schuldenstreit geeinigt. Das Hilfsprogramm für Griechenland soll um vier Monate verlängert werden. Die Regierung in Athen muss allerdings harte Bedingungen akzeptieren. Nur wenn es akzeptable Spar- und Reformvorschläge vorlegt, soll das eigentlich Ende Februar auslaufende Hilfsprogramm bis 30. Juni verlängert werden.
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Ohne die Vereinbarung hätte Griechenland in Kürze eine Staatspleite gedroht. Die Tsipras-Regierung hatte sich bis zuletzt beharrlich geweigert, im Gegenzug zu Finanzhilfen weiter Spar- und Reformauflagen zu akzeptieren. Euro-Gruppe-Chef Jeroen Dijsselbloem sagte, der erste Schritt des Verfahrens bestehe darin, dass die griechische Regierung am Montag eine erste Liste der Reformziele vorlegen solle.
Konferenz am Dienstag
Die „Institutionen“ (vormals Troika) - gemeint sind die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) - würden dann eine erste Einschätzung abgeben, ob dies ein Ausgangspunkt sei, um die Kontrolle des Hilfsprogramms am Ende erfolgreich abzuschließen. Die Liste werde dann um Details ergänzt. Am Dienstag sollte die Euro-Gruppe in einer Telefonkonferenz dann grünes Licht geben.
Dijsselbloem sagte, möglich sei wohl auch eine Folgevereinbarung für Griechenland, in der der IWF als wesentlicher Geldgeber Athens „auch weiterhin seine Rolle spielen“ werde. „Das ist ein sehr positives Ergebnis“, fasste er zusammen. Dijsselbloem sprach von Vertrauen auf Grundlage von Vereinbarungen. „Heute Abend gab es den ersten Schritt, um wieder Vertrauen aufzubauen“, sagte Dijsselbloem.
Varoufakis begrüßt Einigung
„Wir haben gezeigt, dass die Euro-Gruppe einem Land wie Griechenland helfen kann, einen Grad an Freiheit zu bekommen, der essenziell für Demokratie ist.“ Mit diesen Worten reagierte der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis auf die Einigung. Der von Griechenland erwartete Primärüberschuss werde künftig „von den Fakten am Boden“ bestimmt. Die Euro-Partner hätten anerkannt, dass 2015 ein sehr schwieriges Jahr sei.

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Athen: „Von heute an sind wir die Koautoren unseres Schicksals.“
Griechenland habe zugesichert, keine Gesetzgebung zu ändern, die die wirtschaftliche Genesung oder die finanzielle Stabilität des Landes in Gefahr bringe. „Manchmal muss man sich an einen Mast binden, um den Sirenen zu widerstehen“, sagte Varoufakis. „Wir sind bereit, das zu tun.“ Und weiter: „Von heute an sind wir die Koautoren unseres Schicksals.“ Griechenland werde Reformen umsetzen, so Varoufakis.
Zudem habe sich seine Regierung verpflichtet, nicht ohne Absprache Schritte zu unternehmen, die den griechischen Haushalt belasteten, sagte Varoufakis. Durch die viermonatige Verlängerung werde Zeit gewonnen, um die Beziehungen zu den anderen europäischen Staaten und dem IWF wieder aufzubauen. Das Abkommen sei für sein Land ein kleiner Schritt in eine neue Richtung, sagte Varoufakis.
Schäuble: „Rendezvous mit der Realität“
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble kommentierte die Einigung mit Griechenland mit den Worten: „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität.“ Weiter sagte er: „Wir haben versucht, die Vereinbarungen so zu machen, dass Griechenland damit zurande kommen kann, wir unserer Verantwortung aber auch gerecht werden.“ Ob Griechenland nach dem verlängerten Rettungspaket ein drittes Hilfsprogramm benötigt, wollte Schäuble nicht sagen. „Vielleicht kommen sie auch ohne aus.“
EU-Währungskommissar Pierre Moscovici sagte, die Einigung sei nicht nur im Interesse Griechenlands, sondern ganz Europas. Moscovici sprach von ausgewogenen Vereinbarungen. Sie ermöglichten es Athen, eigene Ziele umzusetzen, aber auch Verpflichtungen einzuhalten.
In Verhandlungskreisen hatte es zuvor geheißen, die Griechen hätten „schwere Kost schlucken“ müssen. Dijsselbloem habe den Griechen einen Entwurf der Euro-Gruppe vorgelegt, in dem die Forderungen der anderen 18 Euro-Länder zusammengefasst seien. Dann habe er den griechischen Regierungschef Alexis Tsipras angerufen und gesagt: „Das oder es ist Schluss.“
Schelling: „Gute Lösung gefunden“
Auf die Frage, ob Griechenland in allen Punkten nachgegeben habe, sagte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), Athen habe die Punkte des Programms akzeptiert. Auf die Frage, ob damit der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble und all jene, die eine harte Haltung gegenüber Griechenland vertreten hätten, Sieger seien, antwortete Schelling: „Ich glaube, es geht nicht um Sieger oder Verlierer. Wir haben für Europa und Griechenland eine gute Lösung gefunden.“
Der Kompromiss mit einer viermonatigen Ausdehnung des Hilfsprogramms sei sowohl gut für Athen als auch für die Euro-Gruppe. Er gehe davon aus, dass die Gefahr eines Grexit - eines Ausscheidens Griechenlands aus der Euro-Zone - nicht mehr gegeben sei, „wenn nicht Montagabend die Institutionen zum Schluss kommen, dass sie Nein zur neuen Liste sagen, dann würde die Euro-Gruppe sofort wieder zusammentreten. Aber ich glaube, dass das vom Tisch ist“.
Das nun verlängerte Programm werde nicht nur nach vier Monaten wieder diskutiert werden, sondern auch bereits Ende Februar und im April. Die „Intention der Verlängerung ist nicht, das Programm auf unendlich zu verlängern, sondern zu nutzen, um möglicherweise ein neues Programm zu entwickeln“, so Schelling. „Die Griechen haben die Möglichkeit, Vorschläge zu machen. Wenn diese von den Institutionen akzeptiert werden, kann man sie ins Programm einbauen.“
Verhärtete Fronten zu Beginn
Die Verhandlungen hatten zuvor ohne sichtbare Kompromissbereitschaft begonnen. Der griechische Finanzminister Gianis Varoufakis hatte vor Beginn des Treffens Korrekturen am Antrag für eine Verlängerung der Finanzhilfen abgelehnt und ein Entgegenkommen der Partner verlangt. Deutschland und andere Euro-Länder hielten die Zugeständnisse der Links-rechts-Regierung weiter für unzureichend.
Nicht ausgeschlossen war zwischenzeitlich ein Sondergipfel der Staats- und Regierungschefs in der nächsten Woche worden. Die Zeit wird immer knapper. Denn am 28. Februar läuft das Hilfsprogramm aus. Ohne eine Anschlussfinanzierung droht Athen die Staatspleite. Dijsselbloem sagte vor dem dritten Krisentreffen innerhalb von weniger als zwei Wochen: „Ich muss Ihnen nicht sagen, dass es ziemlich kompliziert ist.“ Vor allem Deutschland hatte von Athen klare Zusicherungen gefordert, dass Spar- und Reformauflagen eingehalten werden.
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